
Antibiotikaverbrauch senken: Hilft Procalcitonin dabei?
Als sich zeigte, dass Procalcitonin (PCT) ein sehr spezifischer Marker bakterieller Infektionen ist, hoffte man, ein ideales Instrument gefunden zu haben, um die Frage pro oder kontra antibiotische Therapie im Einzelfall zu entscheiden.
Procalcitonin steigt schneller an als CRP
Der Hormonvorläufer steigt bei bakteriellen Infektionen schnell massiv an, nicht aber bei Virus- oder Pilzinfektionen. PCT ist in vivo wie in vitro auch bei Raumtemperatur sehr stabil mit einer Halbwertszeit von etwa 24 Stunden, was Probenentnahme und Nachweis erleichtert.
Der Spiegel korreliert mit der Schwere der Infektion und kann bei schwerer ambulant erworbener Pneumonie binnen Stunden auf 10 ng/ml und mehr steigen (bei Gesunden: unter 0,1 ng/ml). Das in der Praxis oft als Entzündungsmarker gemessene CRP braucht dagegen wesentlich länger, um auffällige Werte zu erreichen.
PCT könnte ein interessantes Instrument mit vielfältigem Nutzen abgeben, so Professor Dr. Stefan Krüger vom Florence-Nightingale-Krankenhaus, Düsseldorf. Es könnte zum Screening auf bakterielle Infektionen ebenso taugen wie als Schweregrad- und Prognose-Marker und nicht zuletzt für die individualisierte Therapiesteuerung: Ambulant behandeln oder stationär? Antibiotika ja oder nein?
PCT-Steuerung senkt Antibiotikaverbrauch um 70%
Der Wert von PCT in der Sepsisdiagnostik unter Klinikbedingungen steht außer Frage. Weniger eindeutig sieht es mit seinem Stellenwert in der ambulanten Versorgung von Atemwegsinfektionen aus, auf die in Deutschland 75 % der Antibiotika-Verordnungen entfallen. Die Tatsache, dass sich unter diesen Erkrankungen viele Virusinfektionen befinden, macht den Enthusiasmus verständlich, den PCT anfangs entfacht hat.
Die ersten Studien verliefen sehr Erfolg versprechend: In einer Schweizer Untersuchung, an der sich 53 Hausärzte beteiligten, sank der Antibiotika-Verbrauch bei unteren Atemwegsinfektionen durch PCT-Steuerung um über 70 % (von 97 % auf 25 %), ohne dass mehr Komplikationen oder schwere Verläufe auftraten. Erfreulicher Nebeneffekt: Auch die Rate an Diarrhöen nahm um 40 % ab.
Als Voraussetzung für solche Ergebnisse gilt eine enge Abstimmung zwischen Arzt, Labor und Patient: Der Arzt gibt dem Patienten ein Antibiotika-Rezept mit, das dieser aber erst einlöst, wenn er aus der Praxis nach ein paar Stunden die Bestätigung erhält, dass laut PCT-Befund tatsächlich eine bakterielle Infektion vorliegt.
Klinische Expertise des Arztes bleibt gefragt
Die deutsche Studie Hannover PRO-II kam zu ähnlichen Ergebnissen. Hier waren die Ärzte angehalten, nur dann Antibiotika zu verordnen, wenn das PCT über 0,25 ng/ml lag. Auch hier ging der Antibiotika-Verbrauch deutlich zurück, obwohl es erlaubt war, das PCT-Ergebnis aus ärztlichem Ermessen zu ignorieren. Eine solche Strategie ist auch sinnvoll, denn bei lokal begrenzten bakteriellen Infektionen kann der Spiegelanstieg ausbleiben.
Die Vorgängerstudie PRO-I, eine reine Beobachtungsstudie, hatte zudem gezeigt, dass ein hohes PCT auch mit einer ausgeprägteren klinischen Symptomatik (Schüttelfrost, Husten, Auswurf) einherging. „Wenn Sie nicht den Verdacht haben, dass eine Pneumonie vorliegt, brauchen Sie auch kein PCT zu messen“, folgerte Prof. Krüger.
Weitere Studien ergaben, dass Procalcitonin helfen kann, die Dauer der antibiotischen Therapie bei bakterieller Pneumonie zu steuern und bei akut exazerbierter COPD über Indikation und Dauer der Antibiotika-Gabe zu entscheiden. „Das Einsparpotenzial durch eine solche Strategie ist sehr hoch“, betonte der Pneumologe. Als Cut-off scheinen 0,25 ng/ml sinnvoll zu sein.
Trotzdem gelte der englische Spruch „A fool with a tool is still a fool“, zu Deutsch: Gib einem Trottel ein Werkzeug – er wird ein Trottel bleiben. Die klinische Expertise des Arztes bleibt weiter gefragt, um das Instrument PCT sinnvoll zum Nutzen der Patienten einzusetzen.
Quelle: Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).