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Bakterienkapsel statt aufwändige Stuhltransplantation
- Ihre Klinik hat als erste in Deutschland Patienten mit verkapselten Bakterien von ihrer Clostridieninfektion geheilt. Die Therapie der Stuhltransplantation gibt es aber doch schon länger?
Dr. Vehreschild: Das ist richtig. Man weiß schon seit den 1950er Jahren, dass die Übertragung gesunder Darmflora Patienten mit hartnäckigen clostridienbedingten Durchfällen hilft. Eine erste gut strukturierte Studie zu dieser Therapie wurde allerdings erst 2013 von einer niederländischen Gruppe durchgeführt und veröffentlicht.
Seitdem bieten wir in Köln diese Therapie an. Die konventionelle Form der Stuhltransplantation verursacht allerdings einigen organisatorischen Aufwand. Zunächst muss ein geeigneter infektionsfreier Spender gefunden werden. Dann wird dem Empfänger, der oft aufgrund seiner schweren Durchfälle sehr krank ist, in Kurznarkose eine Sonde bis in den oberen Dünndarm gelegt.
Der Stuhl des Spenders, dessen Gewinnung sich nicht immer exakt planen lässt, muss dann rasch verarbeitet und dem Patienten verabreicht werden, um das Überleben der Bakterien zu gewährleisten.
Priv.-Doz. Dr. Maria V.G.T. Vehreschild |
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- Welche Vorteile bringt die Verabreichung in Kapselform?
Die Verkapselung der Darmfloraspende wurde erstmalig durch ein amerikanisches Team beschrieben. Wir konnten diese Methode nun auch bei uns etablieren. Durch die Darmfloraübertragung mit Kapseln wird das Verfahren viel einfacher. Die Spende und die Übertragung sind zeitlich nicht mehr so stark gekoppelt.
Da die Kapseln tiefgefroren lange haltbar sind, kann die Gabe an den Empfänger unabhängig von der Spende erfolgen. Dadurch gewinnt man Zeit zur Rekrutierung und Testung der Spender. Denn ähnlich wie bei der Blutspende müssen zunächst Infektionen ausgeschlossen werden, um eine Krankheitsübertragung auf den Empfänger zu verhindern.
- Wie aufwendig ist die Herstellung der Bakterienkapseln?
Wir stellen die Kapseln selbst in unserem Labor her. Dazu wird der Stuhl mit Kochsalzlösung verdünnt und die Bakterien über ein mehrstufiges Filtersystem sowie verschiedene Zentrifugationsschritte isoliert.
Man füllt die Bakterien in Kapseln und friert sie unter Glycerolzugabe ein. Das verhindert ein Absterben der Bakterien in der Kälte und erlaubt die monatelange Lagerung. Bei Bedarf tauen die Kapseln dann innerhalb weniger Minuten auf und der Patient kann sie einnehmen.
- Wie sehen Sie die Zukunft dieser Methode? Bieten Sie das Verfahren nun öfter an und werden andere Kliniken in Deutschland die Methode übernehmen?
Wir setzen dieses Verfahren nun regelmäßig ein, da auch die Patienten es als sehr unkompliziert wahrnehmen. Aus diesem Grunde werden sicherlich auch andere Kliniken diese Methode nutzen wollen. In diesem Falle beraten wir auch gerne.
In den USA arbeiten Forscher bereits an einer kommerziell verfügbaren Kapsel zur Darmflora-Übertragung. Man muss sehen, wie sich das Verfahren entwickelt. Wir arbeiten aber auch weiter an der „In-Haus-Kapselherstellung“, da dies relativ einfach möglich ist und damit auch kostengünstig beibt.
- Wie häufig kommen in Ihrem Haus schwere Clostridieninfektionen vor? Bei welchen anderen Erkrankungen könnten Sie sich eine Indikation zur jetzt einfacheren Darmkeimübertragung vorstellen?
Infektionen mit Clostridien gehören zu den häufigsten, im Krankenhaus erworbenen Infektionen. Allerdings kommt eine Darmflora-Übertragung in der Regel nur bei Patienten mit sehr hartnäckigen Infektionen infrage, d.h. eher in Ausnahmefällen.
Es ist aber vorstellbar, dass in Zukunft eine industriell hergestellte Version von Darmflorakapseln auch als initiale Therapie der Clostridieninfektion eingesetzt werden wird. Bezüglich anderer Indikationen möchte unsere Arbeitsgruppe in Zukunft noch andere Einsatzmöglichkeiten einer Darmfloratherapie erforschen.
Im Moment sehen viele Forscher potenzielle Therapieoptionen im Bereich der entzündlichen Darmerkrankungen, der Depression, bei Übergewicht und anderen metabolischen Störungen. Allerdings sind die zugrunde liegenden Zusammenhänge noch nicht sehr gut verstanden.
Priv.-Doz. Dr. med. Maria J.G.T. Vehreschild beschäftigt sich seit ihrer Promotion an der TU München mit Infektionskrankheiten. Ihr Schwerpunkt ist die Epidemiologie und Therapie multiresistenter Erreger im Zusammenhang mit hämato-onkologischen Erkrankungen. Gefördert durch die DFG leitet sie eine Arbeitsgruppe an der Universität zu Köln und lehrt seit ihrer Habilitation im Jahr 2013 im Fach Innere Medizin.
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