Bei jüngeren Frauen an Rotterdam-Kriterien denken

Dr. Angelika Bischoff

Sind zwei Rotterdam-Kriterien erfüllt, kann auf eine Testosteronmessung verzichtet werden. Sind zwei Rotterdam-Kriterien erfüllt, kann auf eine Testosteronmessung verzichtet werden. © Alena - stock.adobe.com

Jede zehnte Frau im reproduktiven Alter leidet unter dem polyzystischen Ovarsyndrom, das mit verschiedenen Gesundheitsrisiken einhergeht. Daher gilt es, die Hormonstörung möglichst früh zu erkennen und zu behandeln. Die drei Rotterdam-Kriterien helfen dabei.

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) kann weitreichende negative Folgen mit sich bringen. Im Vergleich zu nicht betroffenen Frauen leiden solche mit PCOS häufiger unter Übergewicht, Haarausfall, Hirsutismus und Akne. Zudem tragen sie ein erhöhtes Risiko für Infertilität und Fehlgeburt (s. Kasten) sowie für psychische, kardiovaskuläre, metabolische und neoplastische Erkrankungen

Die zentralen Kennzeichen des PCOS sind Hyperinsulinämie und Hyperandrogenismus. Die Hyperinsulinämie bewirkt einen Anstieg von Testosteron und luteinisierendem Hormon (LH), während das Sexualhormon-bindende Globulin (SHBG) abnimmt. Erhöhte Androgenspiegel stimulieren die Follikelrekrutierung, aber auch deren Rückbildung. Dies führt letztlich zu dem typischen im transvaginalen Ultraschall sichtbaren Bild multifollikulärer Ovarien. Sowohl die Hyperinsulinämie als auch der Hyperandrogenismus fördern die viszerale Adipositas. 

Androgene bei 60 % der PCOS-Patientinnen erhöht

Zyklusstörungen können bei ein und derselben PCOS-Patientin zwischen Amenorrhö und normalen ovulatorischen Zyklen fluktuieren. Hirsutismus, Akne und eine Alopezie weiblichen Musters (Ausdünnung des Kopfhaars bei Erhalt des Haaransatzes) sind klinischer Ausdruck des Hyperandrogenismus und entstehen sukzessive. Familienmitglieder mit PCOS, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen oder Diabetes erhöhen aufgrund der erblichen Komponente das Risiko, selbst eine Hormonstörung zu entwickeln. 

Die Diagnose PCOS kann gestellt werden, wenn zwei der drei Rotterdam-Kriterien zutreffen: 

  • irreguläre Zyklen mehr als drei Jahre nach der Menarche (Zyklen von > 35 Tagen oder < 21 Tagen, weniger als acht Zyklen im Jahr, mindestens ein Zyklus mit mehr als 90 Tagen)
  • klinische oder biochemische Zeichen für Hyperandrogenismus
  • polyzystische Ovarien im transvaginalen Ultraschall (≥ 20 Follikel oder Ovarvolumen ≥ 10 ml) oder hohes Anti-Müller-Hormon (≥ 34,2 pmol/l)

Sind zwei Rotterdam-Kriterien erfüllt, kann auf eine Testosteronmessung verzichtet werden. Ansonsten lässt sich ein biochemischer Hyperandrogenismus, der bei 60 % der PCOS-Patientinnen vorliegt, durch die Bestimmung des gesamten und freien Testosterons nachweisen. Androgene zu messen macht allerdings nur Sinn, wenn die Patientin mindestens drei Monate zuvor die Pille abgesetzt hat. Falls die Testosteronspiegel normal sind, sollten noch Dehydroepiandrosteronsulfat und Androstendion gemessen werden. 

Probleme rund um die Schwangerschaft

PCOS-Patientinnen brauchen durchschnittlich zwei Jahre länger, um auf natürlichem Weg schwanger zu werden, als andere Frauen. Auch während der Schwangerschaft treten überdurchschnittlich häufig Schwierigkeiten auf. Es besteht ein erhöhtes Risiko für Gestationsdiabetes, Präeklampsie, intrauterines Wachstumsdefizit sowie Fehl-, Früh- und Kaiserschnittgeburten.

Weitere initiale Laboruntersuchungen wie die Messung von Prolaktin, TSH, LH, FSH, Östradiol, β-HCG und 17-Hydroxyprogesteron dienen dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Sämtliche Hormonspiegel sollten bei nicht-amenorrhoischen Patientinnen während der frühen Follikelphase bestimmt werden. 

Als zusätzliches Diagnosekriterium dient bei uneindeutigen klinischen und Laborbefunden die transvaginale Sonografie. Alternativ kann ein transabdominaler Ultraschall durchgeführt oder das Anti-Müller-Hormon als Marker für die Follikelzahl bestimmt werden. 

Differenzialdiagnostisch muss an andere Ursachen wie Cushing-Syndrom, Hyperprolaktinämie, Schilddrüsenfunktionsstörungen und Tumoren gedacht werden. Das Cushing-Syndrom geht meist mit zusätzlichen Symptomen wie Striae und Muskelschwäche einher. Schilddrüsenerkrankungen werden oft von Hautveränderungen oder Temperaturempfindlichkeit begleitet. Auch eine Hyperprolaktinämie verursacht in der Regel noch andere Beschwerden wie Galaktorrhö oder Kopfschmerzen. Plötzlich auftretende Virilisierungsmerkmale oder stark erhöhte Testosteronspiegel sprechen für adrenale oder ovarielle androgensezernierende Tumoren

Um die Symptome des PCOS zu lindern, eignen sich eine Gewichtsreduktion sowie die Therapie von Zyklusstörungen, Akne und Hirsutismus. Wenn es übergewichtigen Frauen gelingt, 5–10 % Körpermasse zu verlieren, mildern sich Zyklusstörungen und androgenetische Symptome. Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva gelten als Erstlinientherapie zur Zyklusregulierung und bessern auch Hirsutismus und Akne. Wenn Östrogene kontraindiziert sind, können auch reine Gestagen-Kontrazeptiva verwendet werden. 

Metformin zusätzlich oder alternativ zur Pille

Als hormonfreie Alternative eignet sich Metformin. Es senkt den Insulin- und Glukosespiegel sowie das Gewicht, was sich positiv auf den Zyklus und Hyperandrogenismus auswirkt. Metabolische Hochrisikopatientinnen (z.B. BMI > 30 kg/m2) können Metformin auch gemeinsam mit kombinierten Kontrazeptiva einnehmen. Das Nahrungsergänzungsmittel Inositol verbessert die Insulinempfindlichkeit. Wenn orale Kontrazeptiva nicht innerhalb von sechs Monaten zu einer Besserung des Hyperandrogenismus geführt haben, können Antiandrogene wie Spironolacton oder Cyproteronacetat erwogen werden. Aufgrund ihrer Teratogenität dürfen diese aber nur bei sicherer Verhütung eingenommen werden.

Quelle: Dason ES et al. CMAJ 2024; 196: E85-E94; DOI: 10.1503/cmaj.231251

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Sind zwei Rotterdam-Kriterien erfüllt, kann auf eine Testosteronmessung verzichtet werden. Sind zwei Rotterdam-Kriterien erfüllt, kann auf eine Testosteronmessung verzichtet werden. © Alena - stock.adobe.com