Bei Schmerzen auch Placeboeffekt nutzen

Dr. Stefanie Kronenberger, Foto: thinkstock

Placebo wirkt, das wissen wir. Eine Expertin erklärt, wie man diesen Effekt in der Praxis nutzen kann, ohne die Patienten zu belügen.

Analgetische Placeboeffekte sind bereits vielfach nachgewiesen. In der Schmerztherapie können wirkstofffreie Applikationen ähnliche Hirnregionen aktivieren wie Verumanalgetika. Placebomedikamente reduzieren die Aktivität in schmerzsensitiven Hirnregionen und aktivieren deszendierende schmerzhemmende Systeme.


Auch kommt es unter Placebo zur Ausschüttung endogener Opiate. Es stellt sich kaum die Frage, ob es den Placeboeffekt gibt, sondern vielmehr, wie er entsteht und vor allem wie man ihn nutzbar machen kann.

Drei Theorien erklären den Placeboeffekt

Drei neurobiologische Theorien, mit denen sich die Wirksamkeit erklären lässt, erläuterte Privatdozentin Dr. Dipl.-Psych. Regine Klinger von der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz Verhaltenstherapie der Universität Hamburg. 


• Zunächst die klassische Konditionierung: Der Körper lernt, dass der Tabletteneinnahme die Analgesie folgt. Es entsteht eine Assoziation zwischen Tablette und Wirkung, schließlich kommt es allein durch das Einnehmen der „Tablettenhülse“ zur Schmerzlinderung.


Bei Versuchen mit Probanden konnte der relevante – über Cannabinoidrezeptoren vermittelte – Effekt nachgewiesen werden. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen hat man studentischen Versuchspersonen eine Morphininfusion verabreicht und anschließend die schmerzlindernde Wirkung geprüft. Am dritten Tag erhielten sie eine Infusion ohne Morphin. Obwohl die Probanden wussten, dass nur Kochsalzlösung verabreicht wurde, kam es zu eindeutigen analgetischen Wirkungen (etwa halb so stark wie unter der Veruminfusion).


Allein das Anhängen der Infusion (wirkstofffrei) führte zur Hemmung der Schmerzleitung im Rückenmark, berichtete Professor Dr. Ulrike Bingel von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen.


• Die zweite Theorie geht vom sozialen Lernmodell aus und basiert auf dem sogenannten Beobachtungslernen. Grundlage des Lernprozesses ist das Beobachten beispielsweise eines Mitpatienten, der ein bestimmtes Medikament einnimmt. Man lernt sozusagen aus dem miterlebten Nutzen anderer Personen.


• Das dritte Modell beschreibt das Erwartungsverhalten: Der Patient wird darüber informiert, dass ein bestimmtes Medikament die Schmerzen lindern werde. Dies weckt eine entsprechende Erwartung – und diese wird durch den Placeboeffekt dann auch erfüllt, erklärte die Expertin.


Placebo: Offene Medikation betreibenHierzu gibt es eindrückliche Studienergebnisse, z.B. mit Schmerzpatienten, die eine Infu­sion zur Schmerzlinderung mit nichtsteroidalen Antirheumatika und Opioiden erhielten.


Im Rahmen der Studie kam eine Pflegekraft zur Applikation einer Medikation ins Krankenzimmer und machte sich an der Infusion zu schaffen. Sie teilte dem Patienten mit: „So jetzt hänge ich das Schmerzmittel an“. Mit der „offenen“ NSAR-Therapie erreichte man einen doppelt so starken schmerzlindernden Effekt im Vergleich zur „verdeckten“ Behandlung, so die Expertin. Bei der Opioidgabe lag der entsprechende „analgetische Mehrwert“ bei etwa einem Drittel.   

Positive Erwartung verstärkt auch echte Analgetika

Durch diese analgetischen Placeboeffekte lässt sich auch die Wirkung von Verum-Medikamenten besser nutzen bzw. verstärken. Jedes potente Analgetikum habe neben der pharmakologischen auch eine psychologische Wirkkomponente, so Dr. Klinger. Diese dürfen wir den Patienten nicht vorenthalten, forderte die Expertin.


„Klären Sie deshalb die Betroffenen über die gute Wirksamkeit des verordneten Medikaments auf. Wecken sie positive Erwartungen – dies darf im hektischen Praxisalltag nicht vernachlässigt werden.“ Doch meist wird sogar noch ein Noceboeffekt heraufbeschworen, weil statt der positiven Erwartung potenzielle Nebenwirkungen und Gefahren des Medikaments im Fokus stehen, kritisierte die Kollegin.


Quelle: Deutscher Schmerzkongress, Hamburg, 2013

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