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Blut wie flüssige Schokolade

Bei seiner Einlieferung in das in öffentliche Krankenhaus von Yverdon-les-Bains (Schweiz) klagt ein junger Mann über Atemnot und Schwindel. Gegenüber den Klinikärzten gibt er zunächst an, keine Substanzen eingenommen zu haben. Die mittels Pulsoximetrie gemessene Sauerstoffsättigung beträgt 88 % bei Raumluft, schreiben Emilie Gasser und Kollegen. Die klinische Untersuchung zeigt aber eine zentrale Zyanose mit schiefergraublauer Hautverfärbung, die trotz einer Sauerstofftherapie bestehen bleibt. Das EKG ist bis auf eine Sinustachykardie unauffällig, Fieber besteht nicht.
Die Ärzte führen daraufhin eine Blutgasanalyse durch, die eine funktionale Sättigung von nur 74,9 % und einen Methämoglobin(MetHb)-Anteil von 26 % zeigt. Normal wäre ein Wert von 0,5–0,8 %, da MetHb normalerweise durch Cytochrom-b5-Reduktase zu Hämoglobin reduziert wird. Das ist die Erklärung dafür, dass das Ausmaß der Hypoxämie nicht mittels Pulsoximetrie zu erkennen war. Diese kann nur Oxyhämoglobin und reduziertes Hämoglobin erfassen, aber kein MetHb.
Von symptomfrei bis tödlich | |
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MetHb-Anteil (%) | Klinisches Bild |
0–15 | keine Symptome |
16–20 | graublaue Zyanose, schokoladenbraunes Blut |
21–45 | Asthenie, Dyspnoe, Schwindel, Kopfschmerzen |
46–55 | Bewusstseinsveränderungen |
56–70 | Rhythmusstörungen, Krämpfe, Koma |
> 70 | unbehandelt potenziell tödlich |
Auffällig war auch eine dunkle, schokoladenbraune Verfärbung des Blutes. Diese kommt außer bei sehr schweren Hypoxien und bei Sulfhämoglobinämie nur bei einer MetHb-Intoxikation vor. Auf genauere Befragung räumte der Patient ein, sein E-Zigaretten-Liquid mit „Poppers“ versetzt zu haben. Diese enthalten Amylnitrit und sind vor allem bei Homosexuellen aufgrund ihrer muskelrelaxierenden und aphrodisierenden Wirkung beliebt. Auch eine euphorisierende Wirkung wird beschrieben. In einer Befragung unter Schweizer Freizeitdrogen-Konsumenten gaben 2020 rund 11 % an, im zurückliegenden Jahr Poppers konsumiert zu haben. Dort gelten sie nicht als Droge und der Besitz ist zulässig, Verkauf und Vertrieb sind jedoch verboten. Man erhält sie allerdings u.a. als „Lederputz-Mittel“ leicht über das Internet.
Je nach Schweregrad der MetHb-Intoxikation treten verschiedene Symptome auf (siehe Tabelle). Die Erstlinienbehandlung ist die Sauerstoffgabe über eine Atemmaske mit Reservoirbeutel. Bei einem MetHb-Anteil unter 20 % kann dies bei klinischer und Blutgaskontrolle mitunter schon ausreichen. Bei > 30 % (oder > 20 % mit Symptomen) ist die intravenöse Infusion einer 1%igen Methylenblau-Lösung (2 mg/kgKG in 15 min, verdünnt in 5%iger Glukose-Lösung) Therapie der ersten Wahl.
Kein Methylenblau bei Niereninsuffizienz
Unter dieser Therapie sollte sich die Zyanose innerhalb einer Stunde zurückbilden – bleibt der Wert über 30 %, kann die Behandlung wiederholt werden. Dosierungen über 7 mg/kg sollten aber vermieden werden, da es dann zu einem paradoxen Anstieg des MetHb-Anteils kommen kann. Eine Niereninsuffizienz stellt eine wichtige Kontraindikation der Methylenblau-Behandlung dar. Bei Personen mit angeborenem G6PD-Mangel kann die Therapie nicht wirken. Bei ihnen können alternativ Injektionen von Ascorbinsäure (100–500 mg/kg/d in vier Injektionen) zum Einsatz kommen.
Auch der Patient wurde bei fehlenden Kontraindikationen mit Methylenblau behandelt. Darunter sank der MetHb-Anteil rasch auf 1,6 %. Mit Informationen und einer Beratung zum Substanzkonsum konnte er kurz darauf entlassen werden.
Quelle: Gasser E et al. Swiss Med Forum 2023; 23: 1249-1251; DOI: 10.4414/smf.2023.09167
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