Brandwunden zeitgemäß versorgen

Dr. Carola Gessner; Foto: fotolia, Kzenon

Brandwunden versorgt man heute anders: Salben und Gele werden nicht mehr eingesetzt, sterile Abdeckung zieht man dichten Verbänden vor. Der Artikel beschreibt das Vorgehen im Notfall.

Zuerst gilt es, vor Ort den Schweregrad des Traumas nach Ausmaß und Tiefe der verbrannten Oberfläche zu beurteilen (nach der Neunerregel oder der Handflächenregel, s. Grafik). Die Tiefe der Schädigung einzuschätzen, kann bei der Erstversorgung Probleme bereiten, da sie eventuell erst nach Abtragung von Blasen möglich ist, erklärte Dr. Fabian Medved von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen. Doch betrachten Sie nicht nur das äußere Bild, mahnte der Kollege. Immer muss man eruieren, ob möglicherweise „innere Verbrennungen“ wie bei Ingestions- oder Inhalationstraumata (häufig!) bestehen.

Eine weitere Fehlerquelle: Bei Verbrennungen steht in der Regel das eindrucksvolle äußere Bild im Vordergrund, „doch man darf nicht vergessen, dass der Patient auch noch andere Verletzungen haben kann“, so der Referent. In 10 % der Fälle bestehen begleitende Schäden, von denen die folgenden in der Versorgung absoluten Vorrang gegenüber Verbrennungen haben:

  • Blutungen in die Körperhöhlen
  • schweres Schädelhirntrauma
  • Thorax- oder Abdominaltrauma
  • Frakturen der langen Röhrenknochen
  • spinales Trauma

Spezialbehandlung bei Verbrennung > 30%

Als wichtige Maßnahme in der Erstversorgung am Unfallort gilt die Kühlung und Schmerzlinderung durch kaltes Leitungswasser (20 °C). Der Effekt: Es resultiert eine Stabilisierung der Mastzellen, die dann weniger Histamin ausschütten. Kühlen darf man aber nur für maximal zehn Minuten, danach bringt es keinen Vorteil mehr. Keinesfalls dürfe man Eis verwenden, warnt der Experte: Dies könne die Gewebeschäden stark aggravieren.

Ziel der Kühlung ist es, die lokale Oberflächentemperatur unter die Grenze der Hitzeschädigung von etwa 50 °C zu senken. Sind große Hautflächen betroffen muss man allerdings darauf verzichten, da sonst Hypothermie droht. Die Grenze wird bei etwa 30 % der Körperoberfläche (KOF) gesetzt. „Wir müssen, so paradox es klingt, auf den Wärmeerhalt achten“, so Dr. Medved: Eine Hypothermie treibt die Sterblichkeit signifikant in die Höhe – um 43 % je 1 °C.

Wer vermittelt die „Brandbetten“ in Deutschland?
Anruf beim nächsten lokalen Zentrum

Zentrale Bettenvermittlung Hamburg: 040/42851-3998, -3999 oder Mail an leitstelle@feuerwehr.hamburg.de

Auf www.hamburg.de/feuerwehr finden Sie unter „Interne Links: Brandbettenvermittlung“ eine PDF-Liste mit allen Betten für Schwerbrandverletzte

Salben, Gele und Verbände verschlimmern die Verletzung

Verbrannte Areale sollen mit sterilen Tüchern oder Metallinefolie abgedeckt werden. Von den früher gern verwendeten Gelen rät der Referent ab: Sie kühlen den Patienten möglicherweise aus und erschweren in der Klinik die Beurteilbarkeit der Verbrennungstiefe. Auch Salbenverbände haben in der Tübinger Notfalltherapie von Brandwunden keinen Platz mehr. Obsolet sind zudem Neutralisationsversuche bei Unfällen mit chemischen Substanzen, denn sie bergen die Gefahr, dass Reaktionswärme entsteht. Bei solchen Unfällen konsultieren die Tübinger Experten die Giftzentrale, um sich bei der schier unübersehbaren Fülle der Gefahrenstoffe fachgerechte Information einzuholen.

Und wann muss ein Verbrennungsopfer intubiert werden? Dr. Medved rät, die Indikation restriktiv zu stellen! Auf jeden Fall aber intubiert er, wenn:

  • zirkuläre Verbrennungen am Hals bestehen,
  • ein Inhalationstrauma vorliegt,
  • mehr als 40 % der KOF (inkl. Gesicht) geschädigt sind,
  • eine Polytraumatisierung vorliegt,
  • der Glasgow Coma Score < 8 liegt
  • oder ein Schockzustand besteht.


Akute Lebensgefahr herrscht, wenn es zur laryngealen Schwellung kommt. Diese erfordert womöglich eine Koniotomie. Inhalative Kortikosteroide haben dagegen keinen Platz mehr in der Notfalltherapie: Sie bringen keinen Benefit, sondern relevante Nachteile, z.B. durch Schwächung der pulmonalen Infektabwehr. Beta-2-Sympathomimetika dürfen zur Spasmolyse bei Reizgasinhalation und Asthmatikern eingesetzt werden.

Bedrohung durch Rauchgas
 Rauchgas entsteht bei Wohnungsbränden durch Verbrennung stickstoffhaltiger Materialien. Unter anderem werden Kohlenmonoxid und Cyanid (Blausäure) gebildet – nach Inhalation ein tödliches Duo. Als Allzweckwaffe gibt man 100 % Sauerstoff, um die arterielle O2-Sättigung zu bessern, z.B. über Maske oder Beatmung mit positivem 
endexpiratorischem Druck (PEEP).

Spezifischer gegensteuern kann man mit dem Antidot der ersten Wahl, Hydroxycobalamin, das bereits im Verdachtsfall eingesetzt werden sollte. Aufgrund hoher Sicherheit und Verträglichkeit darf man Hydroxycobalamin sogar Säuglingen geben. Die Dosierung beträgt 70–140 mg/kgKG.

Volumen und Wärmeerhalt sind wichtigste Notfallmaßnahmen

Großlumige Zugänge sind in der Notfallversorgung obligat. Diese sollten peripher möglichst nicht durch die geschädigten Hautareale gelegt werden – als Ultima Ratio auch intraossär. Zum Einsatz kommen ausschließlich kristalloide Lösungen wie Ringerlactat oder -acetat. In puncto Volumen empfiehlt es sich, nicht zu aggressiv vorzugehen. Ab zweitgradiger Verbrennung erhält z.B ein Erwachsener, bei dem 15 % der KOF verbrannt sind, 500–1000 ml innerhalb der ersten Stunde. Beim 20 kg schweren Kind mit 25 % verbrannter KOF sind es 250–500 ml.

Die Indikation für den Transport in ein Verbrennungszentrumrät Dr. Medved eher großzügig zu stellen. Da der Patient innerhalb von 30 Minuten nach Trauma in ein geeignetes Zentrum gelangen sollte, müssen Sie der Leitstelle meist mitteilen, dass ein luftgebundener Transport notwendig ist. Einzige Ausnahme: Der Patient ist kreislaufinstabil. Dann muss man die nächstmögliche Klinik anfahren und erst nach Stabilisierung wird der Patient in ein Verbrennungszentrum weiterverlegt.

Quelle: 51. Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg, Stuttgart, 2016

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