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Cartoon Medizin und Markt
CAT, PAT und COVID-19: Individualisierte Therapie venöser Thromboembolien (VTE) bei Hochrisikopatienten

Prof. Dr. Edelgard Lindhoff-Last, Frankfurt, eröffnete das LEO-Satellitensymposium auf der 49. DGA-Jahrestagung daher mit einem Update zur VTE-Prophylaxe bei COVID-19-Patienten. Im Praxisalltag bieten NMH auch für andere Hochrisikopatienten einen gut etablierten Standard, wie Prof. Dr. Florian Langer, Hamburg-Eppendorf, bei onkologischen Patienten (cancer associated thrombosis, CAT) und Prof. Dr. Birgit Linnemann, Regensburg, bei schwangerschafts-assoziierten Thrombosen (pregnancy associated thrombosis, PAT) aufzeigen konnten.
COVID-19-Patienten weisen ein erhebliches Risiko für Thromboembolien auf. Das gehäufte Auftreten venöser Thromboembolien (VTE) wurde nicht nur bei stationären, sondern auch bei ambulanten COVID-19-Patienten beobachtet.1 Dementsprechend empfehlen die DGA (Deutsche Gesellschaft für Angiologie)2 und GTH (Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung)3 allen hospitalisierten Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion eine medikamentöse Hochrisiko-VTE-Prophylaxe mit niedermolekularen Heparinen (NMH) wie Tinzaparin, sofern keine Kontraindikationen bestehen, betonte Prof. Dr. Edelgard Lindhoff-Last, Frankfurt. Eine prolongierte ambulante NMH-Gabe ist ggf. für Hochrisikopatienten2,3 (u.a. stattgehabte VTE, aktive Tumorerkrankung, BMI >30-35 kg/m²) sinnvoll, was auch im Arztbrief kommuniziert werden sollte.3 Wie eine aktuelle, retrospektive Studie aus den USA anhand von Daten einer großen Kohorte von COVID-19-Patienten (n = 4.389) zeigt, resultierte eine stationär durchgeführte Antikoagulation mit NMH – sowohl in prophylaktischen als auch therapeutischen Dosen – in einer geringeren Mortalität und Entwicklung von Intubationspflichtigkeit.4 Auch wenn derzeit noch prospektive Studien zu unterschiedlichen Antikoagulationsregimen fehlten, hätte sich das Sterberisiko der COVID-19-Patienten in dieser Studie halbiert, berichtete Lindhoff-Last.
Erhöhtes VTE-Risiko bei „3-G“-Risikotumoren
Onkologische Patienten haben ebenfalls ein vielfach höheres Risiko für eine VTE gegenüber der gesunden Allgemeinbevölkerung. Das höhere Risiko für VTE-Rezidive und Blutungen bei aktiver Tumorerkrankung kann z.B. mit der laufenden Tumortherapie, dem fortgeschrittenen Tumorstadium oder Vorliegen von Organmetastasen zusammenhängen.5
Zudem hängt das tumoreigene VTE-Potenzial von der Lokalisation des Primärtumors ab: Insbesondere Patienten mit Tumorlokalisationen im Gastrointestinaltrakt (GI) oder Urogenitalsystem (GU) bzw. gynäkologische Tumoren (GYN) weisen ein erhöhtes CAT-Risiko auf („3G“-Risikotumoren).6
Welche Antikoagulation bei welchem CAT-Patienten?
Im klinischen Alltag bietet die Unterscheidung zwischen „aktiver“ und „inaktiver“ Tumorerkrankung ein sinnvolles differenzialtherapeutisches Kriterium: Während Patienten mit VTE und nicht-aktiver Tumorerkrankung für die in Leitlinien empfohlene Standardtherapie geeignet sind, reicht dieses Vorgehen bei Patienten mit VTE und aktiver Tumorerkrankung nicht aus. Diese sollten initial eine Antikoagulation mit NMH über eine Dauer von 3-6 Monaten erhalten (Abb. 1).
Bei PAT sind NMH Mittel der Wahl
Schwangere bilden eine weitere Hochrisikopopulation für die Entstehung von VTE: Mit einer Inzidenz von 1 : 1000 Schwangerschaften haben Schwangere ein etwa 10-mal so hohes Risiko für VTE gegenüber Nicht-Schwangeren.15 VTE und Lungenembolien zählen zu den führenden Ursachen für Morbidität und Mortalität in der Schwangerschaft.16 Bei jeglichem klinischen Verdacht auf eine VTE bzw. Lungenembolie müsse daher ohne Verzögerung eine adäquate Diagnostik erfolgen, betonte Prof. Dr. Birgit Linnemann, Regensburg. Diagnostische Algorithmen, die die klinische Wahrscheinlichkeit, die D-Dimer-Testung und eine moderne radiologische Bildgebung einbeziehen, erlaubten inzwischen auch bei Schwangeren eine sichere Anwendung. Bestätige sich der Verdacht auf eine akute VTE, werde die Antikoagulation mit NMH in gewichtsadaptierter, volltherapeutischer Dosierung eingeleitet. Das mit Fortschreiten der Schwangerschaft ansteigende VTE-Rezidivrisiko spreche zudem für die Beibehaltung des NMH in Erhaltungstherapie und in der volltherapeutischen Dosierung. NMH seien zur Behandlung von VTE in der Schwangerschaft Mittel der Wahl, da sie nicht plazentagängig sind und die kindliche Entwicklung nicht gefährden, erklärte Linnemann. Dagegen seien sämtliche orale Antikoagulanzien wie VKA oder DOAK aufgrund ihrer Plazentagängigkeit kontraindiziert.16 Peripartal komme es für eine sichere Entbindung der therapeutisch antikoagulierten Schwangeren vor allem auf die enge, interdisziplinäre Abstimmung zwischen Gynäkologen, Anästhesisten, Perinatalmedizinern und Angiologen bzw. Hämostaseologen an, so Linnemann.Literatur
1. Langer F et al. Hämostaseologie 2020; 40: 264-69
2. Linnemann B et al. Vasa 2020; 49: 259-263
3. Kluge S et al. Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19 – S1-Leitlinie; Stand: 21.07.2020 (Version 3)
4. Nadkami GN et al. J Am Coll Cardiol 2020; Aug 26 doi: 10.1016/j.jacc.2020.08.041 [Epub ahead of print]
5. Sakamoto J et al. Circ J 2019; 83: 2272-81
6. Langer F et al. Diagnostics and therapy of cancer-associated thromboembolism in patients with gastrointestinal, genito-urological or gynecological malignancies (the “Three G”). Poster auf der DGA-Jahrestagung 2020, Kempten
7. Antikoagulation und Thrombosemanagement mit niedermolekularen Heparinen, CME: der niedergelassene Arzt, online unter www.der-niedergelassene-arzt.de/cme/aktuelle-fortbildungen
8. Lee AY et al. JAMA 2015; 314: 677-86
9. Kamphuisen et al. J Thromb Haemost 2018; 16: 1069-77
10. Key S et al. J Clin Oncol 2020; 38: 496-520
11. Farge D et al. Lancet Oncol 2019; 20: e566-81
12. Fachinformation innohep® 20.000 Anti-Xa I.E./ml Durchstechflaschen/-Fertigspritzen Injektionslösung; Stand: Dezember 2019
13. Langer F et al. Vasa 2019; 48 (Suppl. 101): A-112
14. Agnelli G et al. N Engl J Med 2020; 382: 1599-1607
15. Simcox LE et al. Breathe (Sheff.) 2015; 11: 282-89
16. Hart C et al. Hämostaseologie 2020 Jun 26. doi: 10.1055/a-1132-0750. Online ahead of print.
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