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Checkliste: Wichtige Notfälle im Flugzeug
„Befindet sich ein Arzt an Bord?“, mit dieser Frage sind meist brenzlige Situationen verknüpft. Dafür sollten ärztliche Kollegen ein Stück weit gerüstet sein. Als eine wichtige Voraussetzung gilt die Kenntnis typischer Notfälle im Flieger. Wissenswertes dazu fassten Dr. Jose V. Nable, Department of Emergency Medicine, Georgetown University School of Medicine, Washington, DC, und Kollegen zusammen:
- Herzstillstand: Die Rate für einen Herzstillstand geben die Experten mit 0,3 % an – gemäß ihrer Analysen von verfügbaren Daten. Damit gehört der Herzstillstand zwar zu den seltenen Notfällen, doch 86 % aller Todesfälle im Flugzeug gehen darauf zurück. Die Interventionsmöglichkeiten sind begrenzt, auch räumlich bedingt. Falls Wiederbelebungsmaßnahmen, ggf. einschließlich der Nutzung eines automatisierten externen Defibrillators (AED), nicht erfolgreich verlaufen, könne nach 20–30 Minuten ein Abbruch erwogen werden, schreiben die Notfallmediziner.
- Akutes Koronarsyndrom: Die Häufigkeit von kardialen Symptomen wird mit 8 % angegeben. Andere mögliche Anzeichen eines akuten Koronarsyndroms (ACS), etwa Synkopen und Präsynkopen, belaufen sich auf 37 % und respiratorische Beschwerden auf 12 %. Auch beim Verdacht auf ein ACS sind Interventionen an Bord limitiert: Als Möglichkeiten nennen die Fachleute eine sofortige Thrombozyten-Aggregationshemmung (Cave: ASS-Kontraindikationen), ferner Nitrat- und O2-Gabe. Wird ein Notfall als lebensbedrohlich eingeschätzt, sind Absprachen über eine außerplanmäßige Landung mit Verantwortlichen der Crew und ggf. mit beratenden Flug- und Notfallmedizinern am Boden erforderlich.
- Schlaganfall: Bei akut auftretenden neurologischen Symptomen besteht Schlaganfall-Verdacht: Dies betrifft 2 % der Notfälle im Flieger. Differenzialdiagnostisch sind auch Hypoglykämien zu beachten. Bei Atembeschwerden kann eine O2-Gabe erfolgen. Vom Einsatz des Thrombozyten-Aggregationshemmers ASS raten die Kollegen ab, da sich eine intrakranielle Blutung nicht ausschließen lässt. Verdichten sich die Hinweise auf einen akuten Insult, sind Absprachen zur Zwischenlandung erforderlich.
- Neurologische Störungen: Die Rate von Krampfanfällen und postiktalen Zuständen beziffern Dr. Nable und Kollegen mit knapp 6 %. Generell können Flugreisen ein bestehendes neurologisches Leiden verschlimmern. Die Schwelle für Krampfanfälle ist aufgrund von Hypoxämien oder Störungen der zirkadianen Rhythmik mitunter erniedrigt. Zu den potenziellen Ursachen gehören aber auch Hypoglykämien. Bleibt das Zustandsbild unklar, ist aufgrund von Folgerisiken eine außerplanmäßige Landung zu erwägen.
- Synkopen: Ohnmachtsattacken und Präsynkopen gehören mit einer Rate von rund 37 % zu den häufigsten Notfällen im Flugverkehr. Nach Puls- und Blutdruckkontrollen erfolgen zunächst gängige Verhaltensmaßnahmen (Beinhochlagerung). Führt dies nicht zur Stabilisierung, sind Flüssigkeitssubstitution und Blutzuckerkontrollen möglich. Als hochgefährdet gelten ältere, herzkranke Passagiere mit anhaltender Symptomatik – eine Zwischenlandung ist ggf. unumgänglich.
- Dyspnoe: Bestehende Lungenerkrankungen können sich durch die Kabinen-Atmosphäre verschlimmern. Akute Exazerbationen betreffen vor allem COPD-Patienten. Generell geht rund jeder zehnte Notfall im Flieger mit Atemproblemen einher. Therapeutisch kann eine O2-Gabe infrage kommen, bei Bronchospasmen ggf. eine medikamentöse Intervention.
- Akute Infektion: Besteht der Verdacht auf eine ansteckende Erkrankung, sind Hygieneregeln umzusetzen. Zum Schutz der anderen Fluggäste kann eine (weitgehende) Isolation des erkrankten Passagiers erforderlich sein.
- Trauma: Turbulenzen führen nicht selten zu leichteren Verletzungen; durch Kühlung oder schmerzlindernde Maßnahmen behandelbar. Kopf-Traumata erfordern hingegen regelmäßige „Kontroll-Checks“, um Folgekomplikationen nicht zu übersehen.
- Psychiatrischer Notfall: Als mögliche Stressoren für psychische Störungen (3,5 %) gelten: lange Wartezeiten vor dem Flug, verschärfte Sicherheitsmaßnahmen, Verspätungen, beengte Raumverhältnisse und Alkoholkonsum. Vorrangig erscheint, psychisch agitierte Passagiere zu beruhigen und auf eine Deeskalation der Gesamtsituation hinzuarbeiten.
Quelle: Jose V. Nable et al., N Engl J Med 2015; 373: 939-945
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