Computerprogramm dämpft den Phantomschmerz

Dr. Alexandra Juchems

Screenshot aus dem Video Screenshot aus dem Video © youtube.com/Chalmers | Biomechatronics and Neurorehabilitation Laboratory

Fast ein Drittel der Patienten klagt nach Amputation einer Gliedmaße über Phantomschmerzen. Neueste Techniken wie die virtuelle Wahrnehmung können den Kreislauf zentraler und peripherer motorischer Nervenbahnen scheinbar reaktivieren.

Bei der Entwicklung eines Phantomschmerzes nach Amputation einer Gliedmaße scheinen zentrale und periphere neurologische Faktoren im Zusammenhang mit kortikalen Reorganisationsprozessen und reduzierter Konnektivität der Hemisphären eine Rolle zu spielen. Genau geklärt ist die Ätiologie jedoch bis heute nicht. Die Intensität der Schmerzen kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und nicht selten entwickelt sich eine Chronizität.

Auch bei bilateraler Amputation möglich

Die therapeutischen Ansätze reichen u.a. von Medikamenten über Spiegeltherapie bis hin zur neuesten Technik der erweiterten Realität (augmented reality). Sie hat gegenüber der Spiegeltherapie den Vorteil, dass sie auch nach bilateraler Amputation durchgeführt werden kann. Man erwartet sich davon, zentrale und periphere Nervenbahnen für die Bewegung des verlorenen Körperteils durch Neuroplastizität wieder zu reaktivieren und der kortikalen Reorganisation vorzubeugen. Eine aktuelle Multicenterstudie aus Schweden hat dieses neue Verfahren getestet (siehe Video der Arbeitsgruppe über die Layar-App). 14 Patienten mit chronischen Phantomschmerzen nach Amputation einer oberen Extremität, die bisher von keiner Therapie profitiert hatten, nahmen teil. Die Patienten führten die Interventionen in einer der vier angeschlossenen Kliniken zweimal pro Woche mit insgesamt 12 Sitzungen durch, wovon jede einzelne zwei Stunden dauerte. Danach folgte ein sechsmonatiges Follow-up.

Phantom motor execution in Augmented Reality as a treatment of Phantom Limb Pain

Fehlende Extremität am Bildschirm hinzugefügt

Das Setting sah so aus: Der Proband saß vor einem Monitor und wurde mit einer Videokamera gefilmt. Das Computerprogramm fügte zu dem Konterfei des Patienten auf dem Bildschirm die fehlende Extremität virtuell hinzu. Am Amputationsstumpf des Patienten waren Elektroden angebracht, die die synergistische Muskelaktivität messen sollten. Das daraus entstandene myo­elektrische Muster ermöglichte der betreffenden Person die muskuläre Kontrolle auf dem Bildschirm über die virtuelle Extremität. Damit trainierten die Patienten anhand eines Computerspiels (Autorennen) die motorischen Fähigkeiten ihres Phantomarms. Die Schmerzsymptomatik sank während des gesamten Interventionszeitraums laut unterschiedlichen Ratingskalen um bis zu 51 %. Die gemessene schmerzbedingte Beeinträchtigung täglicher Aktivitäten und des nächtlichen Schlafs reduzierte sich um 43 % und 61 %. Zwei von vier Patienten unter oraler Antikonvulsiva-Therapie konnten diese um 81 % bzw. 33 % verringern. Diese positiven Ergebnisse nach der letzten Sitzung konnten auch bei der Follow-up Untersuchung nach sechs Monaten bestätigt werden. Die Autoren leiten daraus ein großes Potential dieser Therapie ab, zumal sie nicht-invasiv und quasi nebenwirkungsfrei ist.    

Ortiz-Catalan M et al. Lancet 2016; 388: 2885-2894

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