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Crystal-Meth-Welle schwappt über ganz Deutschland
Der Missbrauch von Methylamphetamin bzw. Crystal ist längst nicht mehr nur entlang der tschechischen Grenze in Sachsen und Bayern ein relevantes Problem. Wie unlängst der Fall eines Bundestagsabgeordneten in Berlin zeigte, hat sich Crystal auch andere Bundesländer „erobert“.
Im Jahr 2005 eröffnete am Ökumenischen Hainich Klinikum Mühlhausen in Thüringen eine Station für Konsumenten illegaler Drogen. Bereits im ersten Jahr gab es – bei 20 Betten – 437 Aufnahmen. 59 % der Patienten waren opiatabhängig, kein einziger nahm Crystal. Im Jahr 2013 wurden bereits 519 Patienten stationär behandelt, 23 % wegen Opiat-, 65 % wegen Crystalabusus, berichtete Dr. Katharina Schoett, die Chefärztin der Abteilung für Suchtmedizin am Mühlhausener Klinikum.
| Bild der Suchtpatienten komplett verändertInnerhalb von nur drei Jahren hat sich das Bild der ambulanten und stationären Suchtpatienten komplett geändert, erklärte die Kollegin weiter. Man hat zwar immer noch die „klassischen“ polytoxikomanen Abhängigen, die alles konsumieren, was auf dem Markt ist, und die – häufig substituierten – Heroinabhängigen.
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"Ist eine Droge wie Crystal nicht die passende Substanz zu unserer Kultur?"
„Machen wir uns nichts vor, von den kurzfristigen Crystalwirkungen hätten wir auch gerne mal etwas – euphorisch sein, wach, aufmerksam, gut drauf, unverletzlich, voller Energie und Stärke, ohne Schmerz, Appetit und Hunger“, meinte Dr. Schoett. Die Substanz füge sich gut in unser aktuelles gesellschaftliches Bild: „In einer Welt, in der maximales Erleben, Schnelligkeit, Hochleistung und Fun als höchstes Gut propagiert werden, ist da nicht eine Droge wie Crystal die passende Substanz zur Kultur?“
Regelmäßiger bzw. exzessiver Konsum führt dazu, dass Menschen tagelang nicht schlafen und irgendwann umkippen. Vorher sind sie in einem Zustand von Gereiztheit, Unruhe, jede Fliege an der Wand stört, sie reden ohne Punkt und Komma. Konzentrations- und Merkfähigkeit werden massiv gestört und erholen sich nach dem Entzug nur langsam. Die Merkfähigkeitsspanne liegt gerade mal noch bei zehn bis 15 Minuten – ein Riesenproblem in Alltag und Beruf. Erst nach Wochen der Abstinenz merken die Patienten, mein Gedächtnis kommt wieder.
Vier Monate Crystalgebrauch haben bei diesem jungen Mann bereits zu deutlich sichtbaren Veränderungen geführt. Gelegenheitskonsumenten können allerdings völlig unauffällig bleiben. Foto: Faces of Meth | ![]()
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Depression ist häufige Komorbidität
Crystalpatienten sind häufig emotional instabil und gereizt, was sie selbst „nervt“ und als nicht zu ihrer Persönlichkeit gehörend wahrnehmen. Mit der Drogendosis steigt zudem ihr Gewaltpotenzial, wobei die Gefahr durch psychotische Symptome und schweren Alkoholkonsum weiter zunimmt. Und viele haben nur ein geringes Problembewusstsein, gleichzeitig aber ein starkes Selbstwertgefühl und eine große Selbstüberschätzung: „Ich werd’ das schon alles hinkriegen, jetzt bin ich ja ausgeschlafen, kein Problem.“
Häufig findet man bei Methamphetaminkonsumenten psychiatrische Komorbiditäten. Viele haben eine Panik- bzw. Angststörung, die nie diagnostiziert wurde. Nehmen sie Crystal, sind ihre Symptome weg. Wird bei diesen Patienten die Angststörung erkannt und adäquat behandelt, kann man ihnen den „Crystaldruck“ nehmen. Allerdings sind Depressionen die häufigste Komorbidität.
Soziale Notlage zwingt zur Behandlung
Der häufigste Grund, warum Crystalpatienten in Behandlung kommen, ist die soziale Notlage. Durch Vergesslichkeit und inneres Chaos hat der Kranke z.B. keine Termine mehr wahrgenommen, Rechnungen nicht bezahlt, die Zwangsräumung steht an. Die Motivation zur Abstinenz ist bei diesen Patienten oft gering, weshalb ein Abstinenzparadigma nicht realistisch erscheint.
Schadensbegrenzung und kontrollierter Konsum lautet da eher das Ziel. Als ganz wichtig nennt die Kollegin auch, die Versorgungsfragen zu klären, denn sie beeinflussen den Therapieverlauf oft entscheidend. Ebenfalls notwendig sind tagesstrukturierende Maßnahmen, eine einfache verständliche Sprache und häufige Wiederholungen, damit das Gesagte auch „ankommt“.
Beachten: Ohne Crystal passt die Hose nicht mehr
Schlafstörungen und Drogenträume, die nach dem Absetzen der Substanz über Wochen anhalten können, müssen eruiert und das Problem „Gewichtszunahme“ gerade bei jungen Frauen, die Crystal zum Abspecken genommen haben, ernst genommen werden. „Wiegt sie nach dem Entzug 8 Kilo mehr, passt sie in keine Hose mehr rein. Darum muss man sich kümmern.“
Quelle: 15. Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin
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