
Das Verbundprojekt ist ein Gewinn für alle Beteiligten
Im Interview:
Prof. Dr. Hermann Müller
Direktor des Zentrums
für Kinder- und Jugendmedizin,
Elisabeth-Kinderkrankenhaus,
Oldenburg
Was sind die entscheidenden Vorteile der Betreuung krebskranker Kinder über den „Verbund PädOnko Weser-Ems“?
Prof. Müller: Wir haben mit diesem Modellprojekt die Belastungen der Kinder und ihrer Eltern durch die Krebsbehandlung erheblich mindern können und wir haben zugleich die Versorgung der Kinder optimiert. Das ist geschehen, ohne dass wir zusätzlich Kosten verursacht haben. Im Gegenteil: Die ambulante Versorgung der Kinder ist sogar kostengünstiger geworden.
Hinzu kommt, dass wir durch die enge Zusammenarbeit mit den beteiligten Ärzten und Pflegekräften und die regelmäßige Fortbildung, die zum Verbundprojekt gehört, die kinderonkologische Expertise in der gesamten Region gestärkt haben. Durch die enge Kooperation der Selbsthilfegruppen können darüber hinaus Ressourcen gebündelt werden. Diese können wir nutzen, um die Betreuung weiter zu optimieren.
Zum Beispiel arbeiten wir derzeit daran, das Spielzimmer für die Kinder in der Oldenburger Klinik umzugestalten und von einer entsprechend versierten Erzieherin betreuen zu lassen. Dieses Projekt wird gemeinsam durch die Selbsthilfegruppen finanziert. Wir planen außerdem, die psycho-onkologische Betreuung der Familien weiter auszubauen.
Was soll ein solches Spielzimmer bewirken?
Prof. Müller: Die Betreuung in einem speziellen Spielzimmer soll nicht nur den Aufenthalt für die Kinder angenehmer gestalten, sondern ihnen zugleich Angst vor notwendigen Eingriffen nehmen. Wir sind zum Beispiel oft zu Kurzzeitnarkosen bei den Kindern gezwungen, weil Eingriffe angstbesetzt sind und die Kinder ansonsten nicht ruhig liegen bleiben würden. Das kann bei einer Strahlentherapie so weit gehen, dass das betreffende Kind sechs Wochen lang täglich narkotisiert werden muss. Durch die professionelle Betreuung im Spielzimmer hoffen wir, die Kinder so gut vorbereiten zu können, dass sie statt Ängsten Vertrauen entwickeln und wir die Behandlung auch ohne Narkose durchführen können.
Wie ist das Modellprojekt auf den verschiedenen Ebenen akzeptiert worden?
Prof. Müller: Wir sind fast schon ein wenig überrascht gewesen, wie offen das Konzept aufgenommen wurde. Sowohl die Ärzte in den Kliniken als auch die niedergelassenen Kollegen sind sehr motiviert in der Zusammenarbeit. Denn wir behandeln die Kinder kooperativ zusammen, was für alle Beteiligten eine Win-Win- Situation darstellt. Sehr groß ist die Akzeptanz vor allem bei den Familien der erkrankten Kinder. Diese erklären nicht nur ganz offen, sondern auch in anonymisierten Befragungen, die Betreuung über das Verbundprojekt als erhebliche Entlastung zu erleben.
Die Krankenschwestern, die die Familien im wöchentlichen Wechsel besuchen, werden sehr willkommen aufgenommen. Sie sind den Familien bereits aus der stationären Behandlung bekannt und die Betreuung vor Ort wird keineswegs als Eindringen in die Intimssphäre empfunden, wie man vielleicht meinen könnte. Es steht vielmehr im Vordergrund, dass eine Vertrauensperson da ist, mit der anstehende Probleme besprochen werden können. Zugleich wird immer wieder von den Familien betont, dass diese Form der Betreuung Zeit spart und die Belastungen durch die Erkrankung und deren Behandlung doch deutlich mindert.
Was sind Voraussetzungen für ein solches Verbundprojekt?
Prof. Müller: Es müssen zunächst entsprechende Strukturen und auch Qualitätskriterien erarbeitet werden. Denn man muss sicherstellen, dass die erkrankten Kinder in allen Kliniken nach dem gleichen Standard entsprechend den Richtlinien der Fachgesellschaften behandelt werden. Erforderlich ist ein gutes EDVProgramm zum Austausch der Befunde und selbstverständlich auch ein intensives Fortbildungsprogramm, das einerseits die ärztliche Fortbildung betrifft, aber auch die Fortbildung der beteiligten Pflegekräfte. Der Aufbau eines solchen Verbundsystems ist sehr aufwendig, aber aus meiner Sicht für alle Beteiligten langfristig lohnend.
Hat das Verbundprojekt Modellcharakter über die Kinderonkologie hinaus und welche Visionen haben sie für die Zukunft?
Prof. Müller: Ich bin überzeugt davon, dass das Verbundprojekt als Modell dafür stehen kann, wie in großräumigen eher dünn besiedelten Regionen eine optimale Verzahnung der ambulanten und der stationären Versorgung von Patienten zu realisieren ist und das so, dass alle Beteiligten und in erster Linie die betroffenen Patienten davon profitieren.
Besonders bedeutsam sind solche Versorgungsstrukturen nach meiner Meinung bei der Behandlung von Erkrankungen, bei denen es, wie in der Kinderonkologie, erhebliche Fortschritte in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum gegeben hat und bei denen sichergestellt werden muss, das diese Fortschritte sehr rasch allen Betroffenen zugute kommen. Aus meiner Sicht ist das Modell, das wir hier etablieren konnten, ein gutes Beispiel dafür, wie sich Spitzenmedizin wohnortnah für die Patienten etablieren lässt und das mit Kostenvorteilen.
Aber es gibt immer noch erhebliche Möglichkeiten, die Betreuung krebskranker Kinder zu verbessern. Bedarf sehe ich bei der psycho-onkologischen Betreuung der Familien, bei der Nachsorge und ganz besonders bei der palliativen Behandlung der betroffenen Kinder. Das ist mit unserer derzeitigen Personaldecke nicht zu leisten und wir überlegen, wie wir durch die Zusammenarbeit mit anderen Netzwerken in diesem Bereich noch bessere Strukturen aufbauen können. Wir wollen darüber hinaus besondere Angebote für Kinder mit Hirntumoren etablieren, weil wir in Oldenburg als Studienzentrale für das Kraniopharyngeom entsprechende Kompetenz besitzen.
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