Defibrillator lässt Todkranke nicht sterben

Dr. Sabine Debertshäuser, Foto: doccheck/Gregory Marcus, MD, MAS, FACC

Ein im sterbend liegender Patient muss noch mehrfach schmerzhafte Defi-Schocks erdulden. Wie lassen sich solche Szenarien vermeiden?

Patienten mit implantierbarem Kardioverter-Defibrillator (ICD) können in ihren letzten Lebenstagen schmerzhafte Schocktherapien erfahren, die nicht zur sinnvollen Lebensverlängerung beitragen. Grund, über eine Deaktivierung nachzudenken. Doch über dieses heikle Thema wird viel zu wenig gesprochen, monieren Dr. John A. Dodson und seine Kollegen von der Abteilung für Kardiologie und Geriatrie der Yale Universität in New Haven.

Unheilbare Krankheit meist Grund zum Deaktivieren des Defibrillator

In ihrer Studie deckten die Wissenschaftler gravierende Informationsdefizite als Entscheidungs-Hindernis auf. Sie hatten 95 Patienten im mittleren Alter von 71 Jahren befragt. Die Männer und Frauen trugen ihren Defibrillator durchschnittlich vier Jahre am Herzen, 28 von ihnen hatten bereits einen Schock erlebt.

Die Teilnehmer sollten zunächst Angaben dazu machen, wie sie mögliche Vorteile, aber auch Schäden durch ihren Defibrillator einschätzten, danach erhielten sie ein standardisiertes Script mit aktuellen Erkenntnissen zum Thema ICD. Und anschließend beantworteten alle Teilnehmer Fragen zur ICD-Deaktivierung anhand von fünf hypothetischen Szenarien (s. Kasten).

Hypothetische Szenarien zum Defi-Stopp

• permanente Bettlägerigkeit
• dauerhafte Gedächtnisprobleme
• Belastung für Familienmitglieder
• prolongierte mechanische Beatmung ( > 1 Monat)

• fortgeschrittene unheilbare
 Erkrankung


Knapp ein Drittel der getesteten Probanden hatte zunächst keine Ahnung davon, was ihr Defibrillator leistet, 60 Teilnehmer hatten zuvor nichts von Nachteilen gehört, schreiben die Wissenschaftler.  Die benannten Vorteile bestanden mehrheitlich in der Aussicht, länger und besser zu leben, manche Patienten glaubten allerdings auch, der ICD würde bei Vorhofflimmern helfen oder Schlaganfälle verhindern bzw. die Herzfunktion bessern.


Die Mehrheit der Patienten (71 %) wünschte im Anschluss an die informative Lektüre die Deaktivierung des Defibrillators in mindestens einem der genannten Szenarien. Die Antwort-Quoten reichten von 61 % der Befragten, die angaben, den Defibrillator im Angesicht einer unheilbaren Krankheit deaktivieren lassen zu wollen, bis hin zu 24 % der Patienten, die eine Stilllegung im Fall dauerhafter Bettlägerigkeit wünschten.

Vor- und Nachteile des Defibrillators oft unbekannt

Die Ergebnisse dieser Erhebung stehen im Gegensatz zu vorherigen Untersuchungen, nach denen Defi-Patienten mehrheitlich keine Deaktivierung wünschen, schreiben Dr. Dodson und seine Kollegen. Dies mag neben dem Alter der Stichprobe auch am Studienprotokoll liegen.


Die Vor- und Nachteile des implantierten Defibrillators waren einer beträchtlichen Zahl der Teilnehmer erst nach dem Lesen des informativen Scripts klar geworden. Schlussendlich unterstreiche die breite Palette der dargebotenen Szenarien die Bedeutung des Dialogs bei der Gratwanderung zwischen Gesundheitserhalt und Toleranz für schmerzhafte Schockentladungen. Eine Erklärung, der die Kollegen Dr. Dan D. Matlock und Dr. Larry A. Allen von der University of Colorado zustimmen.


Hier sei eine erfolgreiche Vermittlung von Entscheidungshilfe gelungen. Manchen Patienten sei nicht bewusst gewesen, dass sich implantierte Defibrillatoren abschalten lassen. Betroffene müssen über diese Möglichkeit rechtzeitig aufgeklärt werden, solange sie „gesund“ und emotional stabil genug sind, um derartige Entscheidungen zu fällen, betonen die Kommentatoren. Ein solches Gespräch könnte nach den aktualisierten Empfehlungen der American Heart Association – z.B. bei forgeschrittener Herzinsuffizienz – Bestandteil des jährlichen Check-up sein.


Quelle: John A. Dodson et al., JAMA 2013; online First; Dan D. Matlock et al., a.a.O.


Qualvoller Tod mit 33 Schocks

„Ein Patient wurde mit funktionstüchtigem ICD in häusliche palliative Pflege verlegt. Die Ehefrau berichtete, dass ihr Mann in ihren Armen verstorben sei, während das Gerät 33 Schocks abgab und sich so erhitzte, dass die Haut verbrannte ...“ – solche erschütternden Fallgeschichten kursieren im Internet. Und selbst in Kliniken kommt es vor, dass Sterbende Defibrillator-Therapien erhalten, die laut Vermerk des Pflegepersonals „den würdigen und ruhigen Tod des Patienten stören“.

1J. Carlsson et al., Deutsches Ärzteblatt 2012; 109: 535-541



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