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Der Hörsturz ist ein Eilfall, aber kein Notfall.
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Bei einem Hörsturz kommt es innerhalb von Sekunden oder wenigen Minuten zu einem in der Regel einseitigen Hörverlust. Ist er gering ausgeprägt, kann der Patient eventuell noch Telefonieren, in schweren Fällen liegt eine völlige Gehörlosigkeit vor. Bei ca. 80 % der Betroffenen bestehen ipsilateral ein Tinnitus und ein Druckgefühl im Ohr, 30 % leiden zugleich unter Schwindel. Außerdem kann es zu gesteigerter Geräuschempfindlichkeit, Doppelthören, verzerrtem Hören und einem pelzigen Gefühl um die Ohrmuschel kommen.
Der Hörsturz entspricht einer sensorineuralen Schwerhörigkeit, bei der Luft- und Knochenleitung gleichermaßen betroffen sind. Je nachdem, welcher Frequenzbereich gestört ist, handelt es sich um einen Hochton-, Mittelton-, Tiefton oder pantonalen Hörsturz, erklären die HNO-Ärzte Professor Dr. Tobias Kleinjung und Professor Dr. Alex Huber vom UniversitätsSpital Zürich.
Immer zuerst andere Krankheiten ausschließen
Was pathophysiologisch hinter dem Phänomen steckt, ist noch immer nicht eindeutig geklärt. Wahrscheinlich spielen mehrere Faktoren – vaskuläre, rheologische, inflammatorische, metabolische, autoimmune und genetische – eine Rolle, die individuell unterschiedlich ausgeprägt sind. Jüngere Ergebnisse lassen eine zelluläre Stressreaktion in der Cochlea vermuten, die zur Freisetzung von Sauerstoff- und Stickstoffradikalen führt, was die Haarzellen schädigt.
Der Hörsturz ist eine Ausschlussdiagnose, betonten die Schweizer Kollegen. D.h., mittels Anamnese und Basisuntersuchungen sollte zunächst nach Ohrpfropf, Otitis media, Lärm- bzw. Knalltrauma, Herpes zoster oticus, Barotrauma durch Tauchen oder Fliegen, psychogener Schwerhörigkeit u.a. geforscht werden. Otoskopie, Stimmgabeltest nach Weber und Rinne, Nystagmusprüfung mit der Frenzelbrille und ein Kopfimpulstest sind in allgemeinärztlichen und internistischen Praxen problemlos durchführbar.
Ohrmikroskopie und Reintonaudiogramm sollten spätestens zwei bis drei Tage nach dem Hörsturzereignis vom HNO-Arzt durchgeführt werden. Erst dann kann die Hörstörung eingeordnet und ihr Ausmaß quantifiziert werden. Weitere Maßnahmen wie Laboranalytik oder eine bildgebende Diagnostik (Schädel-MRT) erfolgen keinesfalls routinemäßig. Sie sind nur bei bestimmten Fragestellungen sinnvoll.
Basisdiagnostik bei V.a. Hörsturz
- Anamnese
- Otoskopie/Ohrmikroskopie
- Stimmgabelprüfung nach Weber und Rinne
- Orientierende Vestibularisprüfung (Nystgamus?) mittels Frenzelbrille
- Kopfimpulstest
- Reintonaudiogramm mit Luft- ud Knochenleitung
Bei geringem Hörverlust Spontanremission möglich
Der Hörsturz ist kein Notfall, sondern ein Eilfall mit einem therapeutischen Zeitfenster von 72 Stunden, betonen die Schweizer Kollegen. Diese Einstufung hängt mit der hohen Spontanremissionrate von 32–65 % zusammen. Vor allem ein geringgradiger Hörverlust bildet sich häufig spontan zurück. Deshalb kann in solchen Fällen nach Absprache mit dem Patienten zunächst abgewartet werden. Für die Therapie besteht kaum Evidenz, zum Einsatz kommen entzündungshemmende und durchblutungsfördernde Medikamente. In Mitteleuropa ist die bevorzugte Option die systemische Gabe von hoch dosierten Steroiden. Entweder werden über drei bis fünf Tage 250 mg Prednisolon i.v. mit folgender Dosisreduktion oder über drei Tage 40 mg Dexamethason oral verabreicht. An Tag vier bis sechs Tag senkt man die Dexamethasonmenge auf 10 mg.Intratympanale Injektion als Alternative
Alternativ können Steroide auch intratympanal mit örtlicher Betäubung appliziert werden, z.B. 6,6 mg Dexamethason, dreimal innerhalb einer Woche. Diese Behandlung kommt nach Auffassung von Prof. Kleinjung und Prof. Huber vor allem dann in Betracht, wenn Kontraindikationen für eine systemische Steroidtherapie vorliegen oder die systemische Behandlung zu keiner Hörerholung geführt hat.Kleinjung T et al. Swiss Medical Forum 2016; 16: 1038-1045
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