Die etwas andere Gras-Allergie

Dr. Dorothea Ranft

Durch die geplante Legalisierung von Cannabis wird vermutlich auch die Zahl der Cannabisallergien ansteigen. Durch die geplante Legalisierung von Cannabis wird vermutlich auch die Zahl der Cannabisallergien ansteigen. © Elroi – stock.adobe.com

Der Konsum von Cannabis wird wohl demnächst legalisiert werden. Zu erwarten ist eine steigende Zahl an Nutzern und damit auch eine Zunahme nicht erwünschter Reaktionen. Eine wahrscheinlich unterschätzte Folge des Cannabisgebrauchs ist die Allergie. Mit ihr werden Ärzte immer häufiger konfrontiert.

Bei der Cannabisallergie (CA) handelt es sich üblicherweise um eine Soforttypreaktion. Diese wird am häufigsten durch (Passiv-)Rauchen ausgelöst, schreiben Dr. Alessandro Toscano von der Universität Antwerpen und Kollegen. Aber auch Nahrungsmittel wie Hasch-Brownies, Hanfsaat, Öle und Marihuana-Tee können entsprechende Beschwerden verursachen. Diese manifestieren sich meist innerhalb von 30 Minuten. Rhinokonjunktivitis und Asthma treten dabei relativ häufig auf, außerdem kann es zu generalisiertem Juckreiz, Urtikaria und Angioödemen kommen. Kardiovaskuläre und gastrointestinale Beschwerden sind möglich, aber selten.

Bis zu 20 % der CA-Patienten entwickeln eine Anaphylaxie. Der einzige berichtete Todesfall ereignete sich nach einer parenteralen Applikation, was an sich eher ungewöhnlich ist, schreiben die Experten. Die diagnostische Schwierigkeit besteht vor allem darin, die Allergiesymptome von den üblichen Nebenwirkungen abzugrenzen, weil sie sich teilweise ähneln (s. Tabelle). Natürlich kann auch eine Allergie gegen Cannabispollen bestehen, z.B. wenn Menschen in der Nähe von Feldern wohnen. In Einzelfällen wurden bei Erntearbeitern oder Anwendern von Hanföl auch kutane Spättypreaktionen in Form einer Dermatitis berichtet. 

Typische Wirkungen von Cannabis

Organ

Nebeneffekte (Auswahl)

Allergie (Auswahl)

Augen

klar und gerötet, dilatierte Bindehautgefäße, kein Juckreiz

trübe, gerötete Konjunktiva, Juckreiz

Nase

Kongestion ohne Juck-oder Niesreiz

Kongestion mit Juck- und Niesreiz

Mund/Rachen

kein Juckreiz, diffuse Gingivahyperplasie, Xerostomie, Leukodermie, Candida, Karies, Heiserkeit

Juckreiz an Gaumen/ Rachen; Gaumen und Uvula können anschwellen und glasig erscheinen

Herz

Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz

Hypotonie und Bradykardie (Anaphylaxie)

Lunge

Husten und Giemen

Husten und Giemen

Gastrointestinaltrakt

Hyperemesis

Bauchkrämpfe (Anaphylaxie)

nach Toscano et al.

Am Anfang der Diagnostik steht die sorgfältige Expositionsanamnese­. Erscheint ein Kontakt möglich, muss die Sensibilisierung nachgewiesen werden. Traditionell dient dazu ein Prick-to-Prick-Test mit Knospen, Blättern und anderem Rohmaterial, sofern es sich legal beschaffen lässt. Auch ein Hauttest mit selbst hergestellten Cannabis­extrakten kommt in Betracht, eventuell angereichert mit dem Allergen Can s 3. Alternativ kann das hanfspezifische IgE gemessen werden. Auch zelluläre Stimulationsverfahren wie der basophile Aktivierungstest (BAT) eignen sich zum Nachweis.

Bisher kaum standardisierte Testsubstanzen erhältlich

Wenn sämtliche Analysen negativ ausfallen, kann man eine Cannabisallergie mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Bei positiven Testergebnissen sollte eine Sensibilisierung gegen die einzelnen Allergenkomponenten (z.B. Profilin) geprüft werden, um falsch positive Kreuzreaktionen auszuschließen. Geeignete industriell hergestellte Testsubstanzen gibt es derzeit aber nur begrenzt. Provokationsverfahren werden wegen der damit verbundenen Risiken bisher nicht routinemäßig eingesetzt. Eine allergische Kontaktdermatitis lässt sich eventuell mit einem Epikutantest sichern. 

Die einzig wirksame kausale Therapie besteht in der vollständigen Allergenkarenz. Falls diese nicht möglich ist – sei es aufgrund der beruflichen Exposition (Polizisten, Forensiker, Produktion) oder weil der Kontakt passiver Natur ist –, bleibt nur die symptomatische Behandlung. Patienten, die bereits eine anaphylaktische Reaktion hatten, sollten für den Notfall einen Adrenalin-Autoinjektor bei sich tragen. Besteht eine Cannabis-Nahrungsmittelallergie, sind auch kreuzreaktive Kostbestandteile zu meiden (siehe Kasten). 

Relevante Kreuzreaktionen

Vor allem in Europa reagieren manche Menschen, die sich gegen Cannabis sativa sensibilisiert haben, auch auf Tomaten, Nüsse und diverse Früchte. Dieses Phänomen wird auf eine Homologie zwischen wichtigen Hanfallergenen wie dem Lipidtransferprotein Can s 3 und solchen von bestimmten Nahrungsmittel zurückgeführt. Entsprechende Kreuzreaktionen mit Wein und Bier (Gerste, Trauben) wurden inzwischen ebenfalls beschrieben.

Einige Patienten profitieren von der Therapie mit dem Anti-IgE-Antikörper Omalizumab, wie das Beispiel einer Polizistin zeigt. Sie hatte mehrfach nach beruflicher Exposition eine Anaphylaxie entwickelt, konnte aber weitere Kontakte berufsbedingt nicht ausschließen. Nach vierwöchiger Behandlung tolerierte sie selbst größere Mengen Cannabis ohne anaphylaktische Reaktion. Bei einem anderen Patienten mit hanfpollenassoziierter Rhinitis und asthmatischer Reaktion wurde erfolgreich eine allergenspezifische Immuntherapie durchgeführt. 

Angesichts der geplanten Legalisierung und der wahrscheinlich zunehmenden Verbreitung raten Dr. Toscano und Kollegen, den Cannabiskonsum in Anamnesegesprächen routinemäßig zumindest einmal abzufragen. Man sollte Cannabis diesbezüglich ähnlich gewichten wie Tabak bzw. den Rauchstatus – aber auch ähnlich unaufgeregt und sachlich damit umgehen, betonen sie. Analog zu Patienten mit einer Nikotinabhängigkeit sollte auch diesen Menschen eine wertungsfreie, sorgfältige Aufklärung und Beratung zuteilwerden.

Quelle: Toscano A et al. Ann Allergy Asthma Immunol 2023; 130: 288-295; DOI: 10.1016/j.anai.2022.10016

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Durch die geplante Legalisierung von Cannabis wird vermutlich auch die Zahl der Cannabisallergien ansteigen. Durch die geplante Legalisierung von Cannabis wird vermutlich auch die Zahl der Cannabisallergien ansteigen. © Elroi – stock.adobe.com