Ein Symptom zum Erbrechen: Patienten mit Emesis ohne Durchfall schnell übergeben!

Dr. Sascha Bock

Die Faustregel zur Rehydrierung nach der Übelkeit: alle zwei Minuten zwei Schluck trinken. Die Faustregel zur Rehydrierung nach der Übelkeit: alle zwei Minuten zwei Schluck trinken. © fotolia/Andrey Popov

„Erbrechen ist mit das unspezifischste Symptom überhaupt“, weiß der Allgemein- und Notarzt Dr. Wolfgang Tonn. Initial helfen zwei Fragen, die Dringlichkeit einzuschätzen. Doch selbst wenn schnell die harmlose Diagnose Gastro­enteritis steht, werden im Verlauf oft Fehler gemacht.

Tritt der Mageninhalt auf unphysiologischem Weg wieder in Erscheinung, steckt in 95 % der Fälle eine ungefährliche Ursache dahinter. Es gibt aber auch Patienten mit Erbrechen, bei denen die zugrundeliegende Erkrankung binnen weniger Stunden zum Tod führen kann, warnte Dr. Wolfgang­ Tonn, Allgemeinmediziner und Notarzt aus Heidelberg. Genau diese potenziell lebensbedrohlichen Auslöser gilt es herauszufiltern. Der Kollege startet deshalb mit zwei Fragen:

1. Sieht das Erbrochene wie Kaffeesatz aus?

Der „Kaffeesatz“ hat sich als anschauliche Beschreibung des Hämatins anamnestisch bewährt. Blutbeimengungen verlangen immer nach einer umgehenden Klinikeinweisung mit dem Rettungswagen, erinnerte Dr. Tonn. Deuten die Vitalparameter auf einen Schock (RR < 90 mmHg, Puls > 120/min), dann sogar mit Notarztbegleitung. Die meisten Patienten sind aber kreislaufstabil. Ab einem Blutdruck von 100–120 mmHG und einer Herzfrequenz zwischen 90 und 100/min empfiehlt sich eine Infusion.

2. Haben Sie Durchfall?

Lautet die Antwort ja, muss nachgehakt werden. Denn viele Laien bezeichnen einmaligen dünnen Stuhlgang bereits als Diarrhö. Um dieses „Prädikat“ zu erhalten, sind jedoch mindestens drei dünnflüssige Darmentleerungen erforderlich. Eine isolierte Emesis erschwert die Diagnostik ungemein. Vom Myo­kard- und Mesenterialinfarkt über die Pyelonephritis bis hin zu Erysipel oder Migräne kann quasi alles vorliegen. Um nichts zu übersehen, appellierte Dr. Tonn: „Geben Sie bei jedem Erbrechen ohne Durchfall Ihr Bestes in Anamnese und Untersuchung!“

Durchfall fehlt? Dann geht‘s ans Eingemachte!

Folgendes Vorgehen empfiehlt sich bei isoliertem Erbrechen:
  • genaue Anamnese auch bzgl. eines atypischen Herzinfarktes
  • kurze, aber umfangreiche Untersuchung inkl. Meningismus, Haut, Lunge, Abdomen und Beine
  • Urinstix, RR und Temperatur messen
  • bei jungen, ansonsten gesunden Patienten mit Gastroenteritis im Umfeld und lebhaften Darmgeräuschen eventuell abwarten
  • alles andere einweisen!

Über das begleitende Symptom Diarrhö freut sich der Referent „total“. Schließlich signalisiert es ohne weitere Warnzeichen wahrscheinlich eine harmlose Gastroenteritis. Betroffene Patienten müssen selten eingewiesen werden. Für einen stationären Aufenthalt sprechen:
  • Teerstuhl, blutiger Durchfall (z.B. bei EHEC, C. difficile oder unterer gastrointestinaler Blutung)
  • dauerhafte Bauchschmerzen (Koliken im Mittelbauch sind ok)
  • Pflegenotfall Exsikkose (u.U. genügt eine subkutane Infusion zu Hause oder im Pflegeheim)
In der Therapie der Gastroenteritis sieht Dr. Tonn Verbesserungsbedarf. Trinken sei das A und O! Wer viel Flüssigkeit zu sich nimmt, ist in zwei bis drei Tagen wieder fit. Sträubt sich der Magen, kommen mit Metoclopramid (MCP) und Dimenhydrinat zwei Antiemetika infrage. Die seltenen extrapyramidalen Nebenwirkungen unter MCP stehen dabei der vermehrten Müdigkeit – und der damit verbundenen eingeschränkten Nahrungsaufnahme – unter dem Antihistaminikum gegenüber. Dr. Tonn bevorzugt MCP. Die Tablette sollte aber nur mit wenig Wasser geschluckt werden, um kein erneutes Erbrechen zu provozieren. Nach 20–30 Minuten darf der Patient einen vorsichtigen Trinkversuch starten. Als Faustregel gilt anfangs: alle zwei Minuten zwei Schluck Flüssigkeit.

Akupressur ist gar nicht so übel

Akupressur wirkt bei Übelkeit gleich gut wie die Einnahme von Antiemetika, erklärte Dr. Tonn und berief sich dabei auf ein Cochrane-Review mit 59 randomisierten Studien. Zwar lag der Fokus der Arbeit auf postoperativem Erbrechen, ein Therapieversuch lohnt trotzdem – zumal der Druckpunkt sehr leicht zu finden ist. Der Nei-Kuan-Punkt oder P-6-Punkt liegt am Unterarm drei Querfinger unter der Handgelenksfalte zwischen den beiden mittleren Beugesehnen. Dort muss man kräftig drücken, bis die Übelkeit verschwindet. Die Stimulation eignet sich auch bei Schwangerschaftserbrechen und Reiseübelkeit.

„Ohne Loperamid wird man schneller gesund“

Speziell gegen die Diarrhö unternimmt der Kollege i.d.R. nichts. Für harmlose Fälle ohne Fieber und ohne blutigen Stuhl gebe es zwar Loperamid, doch „ohne wird man eigentlich schneller gesund“, so seine Erfahrung. Racecadotril als weiteres Antidiarrhoikum hält Dr. Tonn u.a. wegen des Wirkmechanismus für sinnvoller, das arznei-telegramm sieht bislang jedoch keinen Vorteil im Vergleich zu Loperamid. Zur Rehydrierung eignet sich die WHO-Trinklösung am besten, das Zusammenmischen erweist sich im Alltag allerdings als sehr aufwendig. Bei Kindern kann es sich lohnen, auf verdünnten Apfelsaft auszuweichen: Ein Gemisch aus viel Leitungswasser und wenig Saft führt laut einer Studie sogar signifikant seltener zu Therapieversagen als Elektrolytfertigmischungen. Einer klassischen „Durchfalldiät“ mit Bananen, Reis, Apfelmus und Toast steht grundsätzlich nichts im Weg, wissenschaftliche Evidenz aber fehlt. Zucker und Salz unterstützen die Resorption von Flüssigkeit, entsprechend bieten sich gesüßter Tee und Salzstangen an. Ergänzend können Probiotika eingenommen werden. Eine Cochrane-Analyse ergab, dass sich dadurch die Erkrankungsdauer bei akutem Durchfall im Schnitt um einen Tag verkürzt. Am effektivsten scheinen Zubereitungen von Lactobacillus rhamnosus und Saccharomyces boulardii. Auf Milchprodukte sollten Erwachsene mit Gastroenteritis verzichten. Da eine heftige Diar­rhö den Darmzotten zusetzt, „sind wir alle für ein paar Tage laktoseintolerant“, sagte der Kollege. 

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