Frakturierte Wirbelkörper zementieren: Vertebro- und Kyphoplastie erwägen, wenn die konservative Therapie scheitert

Akut einsetzende Rückenschmerzen, die über vier bis sechs Wochen anhalten, sind das Hauptsymptom bei frischen Wirbelbrüchen. Anders als bei Femur- oder Radiusfrakturen erinnern sich die Betroffenen mit einer osteoporotisch bedingten Wirbelkompressionsfraktur häufig nicht an ein Trauma, erläutert Professor Dr. Jörg Jerosch von der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss. Bereits in der klinischen Untersuchung weist der lokale Druckschmerz über einem isolierten Dornfortsatz auf die Läsion hin. Die Kernspintomographie, ggf. auch die Knochenszinti oder Röntgenserien sichern die Diagnose.
Zwei bis drei Wochen erst mal konservativ behandeln
Therapieziele sind die Schmerzreduktion und die Prophylaxe einer progressiven, die Lebensqualität mindernden Kyphose. In der Regel wird zunächst konservativ mit Analgesie und Bettruhe sowie Korsett oder Mieder behandelt. Bestehen trotz dieser Maßnahmen nach zwei bis drei Wochen immer noch erhebliche Beschwerden, stehen stabilisierende Eingriffe zur Diskussion. Für die meisten Patienten kommt allerdings ein größerer chirurgischer Eingriff nicht mehr infrage. Außerdem lassen sich die Implantate in osteoporotisch geschädigten Knochen sehr schlecht fixieren.
Minimalinvasive Augmentationsverfahren bieten hier eine etablierte Alternative und zeigen vor allem bei einer frühen Intervention nach zwei bis drei Wochen vergeblicher konservativer Behandlung sehr gute Ergebnisse. Die Schmerzen werden deutlich gelindert, das funktionelle Ergebnis und die Lebensqualität sind langfristig besser als unter Medikamenten und Miedern.
Wann minimalinvasive Eingriffe infrage kommen und wann nicht | ||
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Indikationen | relative Kontraindikationen | absolute Kontraindikationen |
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Die perkutane Vertebroplastik (PVP) erfolgt in Lokalanästhesie unter Bildwandlerkontrolle. Die Chirurgen injizieren dabei über eine transpedikulär eingebrachte Punktionskanüle sterilen, flüssigen Knochenzement. Anschließend kann der Patient sofort wieder mobilisiert werden, erklärt Prof. Jerosch.
Die neuere perkutane Kyphoplastik (PKP) arbeitet nach demselben Prinzip. Hier richtet der Operateur allerdings zunächst den eingebrochenen Wirbelkörper mit einem Ballonkatheter auf und füllt dann erst die entstandene Höhle mit Knochenzement. Da- durch lassen sich Wirbelkörperdeformität und Kyphose bereits vor der Injektion schon etwas korrigieren. Auch hier ist keine postoperative Bettruhe erforderlich.
Aufwand der Kyphoplastie nicht zu rechtfertigen
Ob sich das aufwendigere Vorgehen bei der Kyphoplastik allerdings klinisch rentiert, wird kontrovers diskutiert. Langfristig scheinen die beiden Verfahren bei Schmerzreduktion und funktioneller Verbesserung gleichwertige Ergebnisse zu liefern. Vorteile ergeben sich für die Vertebroplastik bei der kurzfristigen Schmerzreduktion und für die Kyphoplastik beim funktionellen Outcome in den ersten drei Monaten. Aufgrund fehlender deutlicher Gesamtvorteile lässt sich der vermehrte Aufwand bei der Kyphoplastik derzeit auch aus ökonomischen Gründen nicht rechtfertigen, stellt Prof. Jerosch fest.
Häufigste Komplikation der minimalinvasiven Eingriffe: die Zementextravasation, vor allem in die Endplatte oder die Bandscheibe. In der Regel bleibt das aber ohne klinische Folgen. Neurologische Komplikationen treten mit einer Inzidenz von weniger als 1 % ein, bei unmittelbarer Dekompression hinterlassen sie bei den meisten Patienten keine dauerhaften Einschränkungen. Darüber hinaus gibt es Berichte über Zementembolien mit vereinzelt sogar tödlichem Ausgang, symptomatisch und hämodynamisch relevante Störungen der Pulmonalarterienzirkulation sowie Rechtsherzbeeinträchtigungen.
Jeder Fünfte erleidet weitere Frakturen
Rund 20 % der Betroffenen erleiden innerhalb eines Jahres neue Frakturen. Ein erhöhtes Risiko besteht bei multiplen Brüchen, erheblichen kyphotischen Deformitäten, geringem BMI und nach intraoperativer Zementextravasation in die Bandscheibe. Auch ein Zementversagen kann dazu beitragen.
Quelle: Jerosch J. Internistische Praxis 2016; 57: 277-281; © Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
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