Frische Flora für den Darm

Friederike Klein

Viele Menschen mit Darmproblemen nutzen Probiotika. Bezahlen müssen sie diese im Normalfall aus eigener Tasche. Viele Menschen mit Darmproblemen nutzen Probiotika. Bezahlen müssen sie diese im Normalfall aus eigener Tasche. © Artur – stock.adobe.com; hamara – stock.adobe.com

Ob als Lebensmittel, Nahrungsergänzung oder Medikament: Probiotika stehen in vielfältigen Zubereitungen zur Verfügung. Ihre Domäne ist das Reizdarmsyndrom, es gibt aber auch andere Einsatzbereiche.

In Deutschland gibt es laut Prof. Dr. Heiner Krammer, Gast­roenterologe und Ernährungsmediziner vom Deutschen End- und Dickdarmzentrum in Mannheim, mehr als 200 probiotische Produkte. Doch lediglich für den Remissionserhalt bei Colitis ulcerosa ist es ein erstattungsfähiges Produkt verfügbar: Bei Mesalazinunverträglichkeit ist E. coli Nissle 1917 (Mutaflor®) in dieser Indikation als Medikament zugelassen. In einer Studie blieb mit diesem Probiotikum zweimal täglich eine Remission ebenso gut erhalten wie mit Mesalazin. Laut Prof. Krammer kann man den Einsatz auch erwägen, wenn ein Patient mit leichter Colitis ulcerosa in Remission kein Mesalazin nehmen will. Ohne Unverträglichkeit muss er das Probiotikum aber aus eigener Tasche bezahlen.

Probiotika zur Pouchitisprophylaxe

Der Kollege bezeichnete zudem die Kombination beider Medikamente als sinnvoll – erstattungsfähig ist das Probiotikum dann jedoch ebenfalls nicht. Bei Colitis ulcerosa kommt zur Primärprophylaxe der Pouchitis außerdem das – ebenso nicht erstattungsfähige – Nahrungsergänzungsmittel VSL#3 (Innovall CU®) mit acht Bakterienstämmen infrage. Prof. Krammer verwendet dieses Probiotikum in dieser Indikation nicht vorrangig.

Bei chronischer Obstipation empfiehlt die entsprechende deutsche S2k-Leitlinie Probiotika nur zurückhaltend: „Probiotika, Präbiotika und Synbiotika können bei funktioneller chronischer Obstipation versucht werden.“ Eine Metaanalyse belegte eine Verbesserung von Stuhlfrequenz, Stuhlkonsistenz und Transitzeit durch Probiotika. Es ist aber unklar, welche Stämme am besten wirken. Auf der anderen Seite gibt es außer einem gesunden Lebensstil nach der Leitlinie kaum andere Therapieoptionen. Prof. Krammer empfahl, die Präparate zu wählen, für die es Wirksamkeitsbelege aus Studien in dieser Indikation gibt: Mutaflor®, Lactobacillus plantarum (Innovall RDS®) oder die probiotisch angereicherten Lebensmittel Yakult® oder Activia®. Diese Produkte sollten aber nur als Add-on zu Flohsamenschalen und/oder stimulierenden osmotischen Laxanzien eingesetzt werden und nur dann, wenn der Betroffene explizit danach fragt.

Bei der symptomatischen, unkomplizierten Divertikelkrankheit (SUD) lehnt die aktuelle S3-Leitlinie Probiotika zum Remissionserhalt wegen der sehr heterogenen Studienlage ab („können nicht empfohlen werden“). Auch hier bietet die Leitlinie allerdings wenig Optionen außer einem gesunden Lebensstil und Flohsamenschalen. In einer Umfrage in allgemeinmedizinischen Praxen in Deutschland nannte knapp ein Drittel Probiotika als zweithäufigste Maßnahme nach der Lebensstil- und Ernährungsanpassung. Prof. Krammer wies auf stammspezifische Effekte hin. In einer prospektiven Studie zeigte sich beim Remissionserhalt ein vergleichbarer Effekt von Lactobacillus casei (INNOVAL SUD®) und Mesalazin (1,6 g) im Vergleich zu Placebo. Den günstigsten Effekt hatte die Kombination von beidem.

Einen wichtigen Platz haben die Mikroorganismen in der Behandlung des Reizdarmsyndroms (RDS). Drei Viertel aller hausärztlich Tätigen zeigten sich in einer Studie mit ihnen in dieser Indikation zufrieden. Dabei sind Probiotika immer nur ein Teil eines multimodalen Therapieansatzes. Die S3-Leitlinie empfiehlt sie zusätzlich zu anderen Therapien bei allen Reizdarmleitsymptomen (Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung), wobei sich die Wahl des Stammes nach den Symptomen richten soll. Wirksamkeitsbelege aus randomisierten kontrollierten Studien gibt es für Innovall RDS®, Kijimea®, Symbioflor 2®, Alflorex® sowie für die probiotisch angereicherten Joghurt-Produkte Yakult® und Activia®. Für den Referenten spielen Probiotika schon deshalb eine Rolle in der Behandlung des RDS, weil sie den Placeboeffekt verstärken. Joghurt mit lebenden Kulturen können wahrscheinlich ebenso helfen, glaubt er – auch wenn immer wieder diskutiert wird, ob die Laktobazillen im „normalen“ Joghurt den Magensaft- und Gallenangriff überstehen.

Das Thema nur aufgreifen, wenn der Patient es anspricht

Allgemein sollte sich der Einsatz der Präparate nach Studienlage, Leitlinien, Verfügbarkeit, Geldbeutel und den Vorstellungen der Betroffenen richten. Prof. Krammer empfahl, das Thema nur dann aufzugreifen, wenn Patienten es ansprechen, und es niemandem vorzuschlagen, der es nicht wünscht. Außerdem muss man beim Probiotikaeinsatz immer die grundlegenden Therapieempfehlungen in der betreffenden Indikation berücksichtigen. Empfohlen wird eine vierwöchige Einnahme, wird sie als positiv empfunden, kann man sie fortsetzen. Tritt kein positiver Effekt ein, wechselt der Gastroenterologe persönlich nicht auf ein anderes Präparat. Wichtig sei, eine realistische Erwartungshaltung zu erzeugen, betonte er.

Ein „Darmflorastatus“ empfiehlt sich nicht. Bringt ein Patient diesen Status mit, kann man ihn aber durchaus im Sinne einer Verstärkung des Placeboeffekts nutzen, findet er. Von Stuhltransfers hält Prof. Kammer nichts: Über kurz oder lang setze sich das autochthone Darm­mikrobiom immer wieder durch.

Quelle: 49. Deutscher Koloproktologen-Kongress

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Viele Menschen mit Darmproblemen nutzen Probiotika. Bezahlen müssen sie diese im Normalfall aus eigener Tasche. Viele Menschen mit Darmproblemen nutzen Probiotika. Bezahlen müssen sie diese im Normalfall aus eigener Tasche. © Artur – stock.adobe.com; hamara – stock.adobe.com