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Geht nicht, gibt’s nicht

Eine Umfrage in Deutschland und Österreich ergab im letzten Jahr, dass 67 % der teilnehmenden Chirurginnen und Chirurgen vor Ort zwar ein mPOM-Programm haben, die entsprechende qualifizierte Fachpflegekraft hatten aber nur 12 %.2 „Und die ist der Gamechanger“, sagte Prof. Dr. Tim Vilz, Viszeralchirurg und Proktologe von der Universitätsklinik Bonn. Besser implementiert waren die „Fast-Track“-Elemente minimalinvasive Chirurgie, frühe Mobilisierung und Diätaufbau. Als Gründe für eine fehlende Umsetzung von POM-Maßnahmen werden vor allem die älteren und multimorbiden Patienten, die interdisziplinären und interprofessionellen Silos und die sektorielle Versorgung mit Aufteilung in den stationären und ambulanten Sektor, die eine Zusammenarbeit erschweren, genannt. Dem versucht die S3-Leitlinie im Falle kolorektaler onkologischer Operationen möglichst evidenzbasiert etwas entgegenzusetzen. Themen, die in anderen Leitlinien bearbeitet wurden (wie z.B. die Antikoagulation oder der OP-Zugang), blieben dabei außen vor. Von insgesamt 77 Empfehlungen sind etwa 70 % evidenzbasiert, betonte Vilz.
Die Prüfung der Evidenz kann allerdings ernüchtern. Die Prähabilitation senkt nach einer Metaanalyse der bisherigen Publikationen nicht wie erhofft Mortalität und Komplikationsrate bei großen kolorektalen Eingriffen. Beobachtet wurde eine bessere postoperative Belastbarkeit im 6-Minuten-Gehtest und möglicherweise werden zumindest in Risikogruppen Komplikationen vermindert. Daher empfiehlt die Leitlinie als Standard nur die körperliche Aktivität, eine ausgewogene Ernährung und den Nikotin- und Alkoholverzicht vor einer Tumoroperation, darüber hinaus jedoch keine intensivierte ressourcenaufwendige Prähabilitation. Eine grundsätzliche Empfehlung zur präoperativen Darmvorbereitung gibt es mangels Evidenz ebenfalls nicht.
mPOM umgesetzt
„Eigentlich enthalten perioperative ERAS- und Fast-Track-Konzept Dinge, die ich schon lange einführen wollte“, sagte Prof. Dr. Hannes Neeff, Leiter der Kolorektalen Chirurgie am Universitätsklinikum Freiburg (Tabelle). Er empfiehlt bei der Umsetzung, nicht einzelne Maßnahmen bis aufs Messer mit den Beteiligten durchzudiskutieren – das Gesamtpaket muss stimmen. Eine Adhärenz von mehr als 75 % der Items führt auch schon zum gewünschten Erfolg. Unverzichtbar ist auch seiner Ansicht nach allerdings die Pflegefachkraft. Bei der Einführung und Umsetzung von mPOM in der Klinik kann die Gesellschaft für perioperative Medizin beratend unterstützten. Videokonferenzen mit dem Anbieter des mPOM-Programms helfen im Verlauf. Zwölf Monate dauert es, bis ein mPOM-Programm läuft, ist Prof. Neeffs Erfahrung. Ein Audit zeigt, welche Parameter bereits gut umgesetzt wurden und wo weiterer Optimierungsbedarf besteht. In Freiburg ist beispielsweise die adäquate Infusion noch ein Problem. „Der Beutel, der noch anhängt, läuft eben weiter durch, bis er leer ist“, berichtete er. Sein Fazit ist insgesamt sehr positiv: Das eingesetzte Fast-Track-Konzept hat einen ungeahnt positiven Effekt auf das gesamte Team gehabt, von Ambulanz über die Station bis zu Anästhesie und minimalinvasiver Chirurgie, sagte er. Und den Patienten kann man das heute gar nicht mehr vorenthalten, ist er überzeugt.
Wenn eine Darmvorbereitung durchgeführt wird, sollte sie im Hinblick auf die Reduktion von Wundinfektionen und Anastomoseninsuffizienzen mit Abführmitteln und einer oralen Antibiose und nicht nur mit Abführmitteln alleine erfolgen, betonte Prof. Vilz.
Intraoperativ wird eine Anastomosenprüfung nur im Rektum empfohlen, eine Perfusionsprüfung der Anastomose aber sowohl nach Kolon- als auch nach Rektumresektion. Drainagen sollen bei elektiven Resektionen nicht gelegt werden, transurethrale Dauerkatheter in den ersten 24 Stunden entfernt werden, um das Infektionsrisiko niedrig zu halten.
Bei offenen viszeralchirurgischen, onkologischen Eingriffen sollte intra- und postoperativ eine kontinuierliche Periduralanalgesie erfolgen. Nach einer Metaanalyse geht bei minimalchirurgischen kolorektalchirurgischen Eingriffen der Transversus-abdominalis(TAP)-Block mit weniger Nebenwirkungen bei vergleichbarere Effektivität wie die Periduralanästhesie einher, sagte Prof. Vilz. Daher wird der TAP-Block bei diesen Eingriffen und bei tiefen anterioren Rektumresektionen als Alternative empfohlen.
mPOM-Elemente (Auswahl Prof. Neeff) | ||
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präoperativ | intraoperativ | postoperativ |
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Bei einem postoperativen Ileus sollten Laxanzien und Kaugummi eingesetzt werden. Nach der OP drei- bis viermal täglich Kaugummi kauen, ist nach Prof. Vilz‘ Erfahrung sehr effektiv. Eine Kann-Empfehlung gibt es auch für nicht-steroidale Antirheumatika, Akupunktur und Kaffee sowie als Ultima Ratio Neostigmin.
Die bislang nur wenig etablierte mPOM-Fachkraft konnte in Studien die postoperative Krankenhausverweildauer um zwei Tage verkürzen. Damit ist diese Fachkraft ein Schlüssel für die Verkürzung der Verweildauer durch mPOM-Programme um im Mittel 2,59 Tage. „Sagen Sie also nicht, dass die Fachkraft zu teuer ist“, sagte Prof. Vilz. mPOM-Konzepte ingesamt haben in Studien außerdem signifikant die Komplikationsrate und die Zeit bis zum ersten Stuhlgang reduzieren können.
Quelle: Kongressbericht 49. Deutscher Koloproktologen-Kongress
1. S3-Leitlinie „Perioperatives Management bei gastrointestinalen Tumoren (POMGAT“, AWMF-Register-Nr.: 088-010OL, www.awmf.org
2. Willis MA et al. Int J Colorectal Dis 2023; 38: 80; DOI: 10.1007/s00384-023-04379-9
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