Hepatische Enzephalopathie bei Leberzirrhose vermeiden

Dr. Andrea Wülker, Foto: thinkstock

Desorientiertheit, eingeschränkte Motorik, Koma – was hilft Patienten mit Leberzirrhose bei der hepatischen Enzephalopathie?

Eine wichtige Rolle in der Entstehung der hepatischen Enzephalopathie (HE) scheint Ammoniak zu spielen, ein Abbauprodukt stickstoffhaltiger Verbindungen (durch Bakterien im Dickdarm). Schätzungen zufolge leiden 30 bis 45 % der Zirrhotiker unter Episoden mit klinisch manifester HE, schreiben Dr. Felix Brunner von der Gastroenterologischen Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin im Inselspital Bern und Kollegen im „Schweizerischen Medizin-Forum“. Die HE beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität, sondern geht auch mit erhöhter Mortalität einher.

Bei erhöhtem Ammoniakwert und Händezittern an HE denken

Entwickelt ein Zirrhose-Patient kognitive oder motorische Störungen oder Bewusstseinsveränderungen, sollte man immer eine HE in Betracht ziehen. Typisches klinisches Zeichen ist der Flapping Tremor, ein grobschlägiges Händezittern, das sich bemerkbar macht, wenn der Patient mit ausgestreckten Armen die Hände nach dorsal flektiert. Auch ein erhöhter Ammoniakwert im Blut kann für die Diagnosestellung hilfreich sein.


Die Wahl der therapeutischen Maßnahmen bei hepatischer Enzephalopathie richtet sich nach dem Schweregrad der neurologischen Beeinträchtigung. Patienten, die nur eine leichte Gedächtnisschwäche, Schlafstörungen und Flapping Tremor zeigen, können ambulant medikamentös behandelt werden. Patienten mit Desorientiertheit, Verwirrung und Bewusstseinstrübung müssen dagegen stationär eingewiesen werden. Bei fortgeschrittener Bewusstseinstrübung, Agitation oder starker Verwirrung bedarf es eventuell sogar intensivmedizinischer Betreuung.

Eine Proteinrestriktion bringt keinen Vorteil

Da HE-Episoden oft von einem Trigger ausgelöst oder verstärkt werden, empfiehlt es sich, aktiv nach solchen Faktoren – wie gastrointestinale Blutung, Infekt, Elektrolytstörung oder Obstipation – zu suchen und ggf. entsprechend zu therapieren. Eiweißarme Ernährung zur Behandlung der HE indessen bringt nach aktuellen Erkenntnissen nichts, informierte Dr. Brunner.


Als Mittel der ersten Wahl bei HE wird seit vielen Jahren das nicht absorbierbare Disaccharid Lactulose eingesetzt. Lactulose erreicht unverändert den Dickdarm und wird dort durch Bakterien verstoffwechselt, was den pH-Wert senkt und die Darmflora zugunsten von Spezies verschiebt, die Kohlehydrate abbauen. Dadurch fällt weniger schädliches Ammoniak an. Hinzu kommt eine beschleunigte Kolonpassage aufgrund des erhöhten osmotischen Gradienten.

Weniger gastrointestinale Nebenwirkungen mit Rifaximin

Lactulose wird so dosiert, dass der Patient täglich zwei bis drei weiche Stühle pro Tag hat. Als Einstieg gibt man 10 bis 20 g Lactulose zwei- bis viermal täglich. Die Dosis sollte man aber regelmäßig anpassen, sprich nicht zu viel geben, sonst drohen Durchfall, Blähungen und Bauchkrämpfe – und eventuell sogar Dehydratation und Elektrolytstörungen!


Eine interessante Therapieoption bietet das kaum resorbierbare Antibiotikum Rifaximin, das in vitro gegen grampositive und gramnegative Aerobier und Anaerobier bakterizid wirkt. Rifaximin verringert die bakterielle Darmflora, was die Ammoniakproduktion drosselt. Metaanalysen zeigen, dass Rifaximin in der Behandlung der HE ebenso gut wirkt wie Lactulose, aber weniger Nebenwirkungen verursacht.

Lactulose und Probiotika als Primärprophylaxe

In einer aktuellen Untersuchung erwies sich die Kombinationstherapie aus Lactulose und Rifaximin im Vergleich zur Lactulose-Monotherapie als überlegen (Ansprechen der HE 76 vs. 51 %, Mortalität 24 vs. 49 %). Zudem sank die Hospitalisationszeit signifikant.


Zur (Sekundär-)Prophylaxe von HE-Episoden eignet sich Lactulose ebenfalls. Auch das Probiotikum VSL#3, das mehrere Bakterienstämme enthält, konnte in einer offenen, randomisierten Studie das Auftreten einer HE halbieren – scheint in der Sekundärprophylaxe ähnlich effizient zu sein wie Lactulose, so die Autoren. Ob andere Probiotika mit anderen Bakterienstämmen eine vergleichbare Wirkung aufweisen, ist bisher unklar.


Quelle: Felix Brunner et al., Schweiz Med Forum 2014; 14: 523-525

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