Hightech-Kniegelenk kann Unfallopfern ein Leben im Rollstuhl ersparen

Dr. Alexandra Bischoff

links: Um die Endo-Exo-Prothese anzuschließen, leitet man das Implantat durch ein Stoma nach draußen. rechts: Klinischer Befund zwei Tage nach der Implantation. links: Um die Endo-Exo-Prothese anzuschließen, leitet man das Implantat durch ein Stoma nach draußen. rechts: Klinischer Befund zwei Tage nach der Implantation. © Aljaber M et al. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61: 2-9; © Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Bonn

Die herkömmliche Prothesenversorgung nach einer traumatischen Ober- und Unterschenkelamputation gestaltet sich oft schwierig bis unmöglich. Insbesondere für diese Patienten scheinen Endo-Exo-Prothesen eine sinnvolle Alternative zu sein, um ein Leben im Rollstuhl zu vermeiden.

Die klassische, den Stumpf umfassende Schaftprothese ermöglicht oftmals bei traumatischen Ober- und Unterschenkelamputationen keine suffiziente Versorgung. Obwohl sich diese Technik kontinuierlich weiterentwickelt hat und deshalb mittlerweile auf extrem hohem Niveau liegt, stößt sie gerade bei dieser Patientengruppe weiterhin an ihre Grenzen. Ungünstige Stumpflängen und Weichteilverhältnisse limitieren ihren Einsatz ebenso wie chronische Hautirritationen und Pilzinfektionen, schreiben Mohammed Aljaber von der Klinik für Plastische, Hand- und Rekonstruktive Chirurgie der Sana Kliniken Lübeck und Kollegen.

Endo-Exo-Prothese geht durch Mark und Bein

Bis zu 72 % der Betroffenen fühlen sich durch Prothesenprobleme in ihrem Alltag eingeschränkt, bis zu 51 % klagen über Schmerzen. 18 % der Jüngeren sind wegen Schwierigkeiten am Stumpf nicht in der Lage, ihre Prothese täglich zu nutzen. Oftmals droht dann der Rollstuhl als letzer Ausweg. Doch genau hier setzen die Endo-Exo-Prothesen mit ihrer vollkommen anderen „Philosophie“ an.

Bei dieser Technik wird das Implantat fest in den Markraum des amputierten Röhrenknochens integriert und transkutan ausgeleitet, so dass es distal eine Prothese aufnehmen kann. Bei sehr kurzen Amputationsstümpfen sorgen zusätzlich quer verriegelte Endomodule im Ober- und Unterschenkelbereich für ausreichende Stabilität. Die mittlerweile klinisch etablierte Methode erlaubt damit dem Patienten auch bei schwierigen Verhältnissen im versorgten Bereich ein stabiles Stehen und Gehen. Mehr noch: Durch den direkten Knochen-Untergrund-Kontakt (Osseoperzeption) verbessert sie die taktile Wahrnehmung und somit sowohl das Gangbild als auch die Gangsicherheit (günstigere Energiebilanz!).

Seit 1999 haben die Sana Kliniken Lübeck quasi monozentrisch in Deutschland bereits mehr als 100 dieser osseointegrativen Implantate eingesetzt. Die invasive Methode hat zwar eine regelmäßige, insbesondere bakterielle Kontamination im Bereich des Stomas zur Folge, was aber erfreulicherweise weder die Weichteil- noch die Knocheninfektionsrate zu beeinflussen scheint. Dafür stiegen bei allen Betroffenen durch die wiedergewonnene Mobilität sowohl die Zufriedenheit als auch die Lebensqualität extrem an. Durch das Einwachsen des Knochens in das intramedullär platzierte Implantat erreicht diese Form mittlerweile Standzeiten von über 12 Jahren.

Bei den bisherigen Fällen handelte es sich vor allem um Verkehrs- und landwirtschaftliche Unfälle. Aber auch Senioren, die bereits jahrelange Schaftträger waren, wechseln zunehmend aufgrund nachlassender Kräfte und damit zusammenhängenden Prothesenproblemen (An- und Ablegen erfordert fremde Hilfe) zu dieser alternativen Methode.

Kein Umstieg nach arterieller Verschlusskrankheit

Ebenso profitieren Patienten mit stark vernarbten oder adipösen Stümpfen oder rezidivierenden Abs­zessen am Stumpfrand oder in der Leiste von einem Wechsel. Amputationen infolge arterieller Verschlusskrankheit und diabetischer Mikroangiopathie stellen in Lübeck die einzigen Kontraindikationen gegen dieses Verfahren dar.

Aktuell gerät die Technik zunehmend in den Blickpunkt der Bundeswehr. Diesen oftmals jungen Menschen mit z.T. Mehrfachamputationen nach einer Einsatzverletzung könnte die Endo-Exo-Technik eine bessere Rehabilitation und berufliche Wiedereingliederung ermöglichen. Aus diesem Grund wurden neue Kompetenzzentren in den Bundeswehrkrankenhäusern Berlin und Hamburg eingerichtet, die dieses Verfahren künftig anwenden und weiterentwickeln sollen.

Quelle Text und Abb.: Aljaber M et al. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61: 2-9;  © Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Bonn

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links: Um die Endo-Exo-Prothese anzuschließen, leitet man das Implantat durch ein Stoma nach draußen. rechts: Klinischer Befund zwei Tage nach der Implantation. links: Um die Endo-Exo-Prothese anzuschließen, leitet man das Implantat durch ein Stoma nach draußen. rechts: Klinischer Befund zwei Tage nach der Implantation. © Aljaber M et al. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61: 2-9; © Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Bonn
Bei einem Autounfall wurde das rechte Bein des Mannes nahezu vollständig zertrümmert. Um den Mann zu retten, musste es amputiert werden. Auch von seinem linken Unterschenkel musste sich der Mann verabschieden. Bei einem Autounfall wurde das rechte Bein des Mannes nahezu vollständig zertrümmert. Um den Mann zu retten, musste es amputiert werden. Auch von seinem linken Unterschenkel musste sich der Mann verabschieden. © Aljaber M et al. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61: 2-9; © Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Bonn
© Aljaber M et al. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61: 2-9; © Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Bonn
Röntgenbild des Mannes Röntgenbild des Mannes © Aljaber M et al. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61: 2-9; © Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Bonn
© Aljaber M et al. Wehrmedizinische Monatsschrift 2017; 61: 2-9; © Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Bonn