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Hyperexzitabilitäts-Syndrom des peripheren Nervensystems – lästig, aber harmlos

An der Gutartigkeit des Myalgie-Faszikulations- Krampus-Syndroms besteht kein Zweifel, betonen Professor Dr. Jens D. Rollnik und Dr. Jan Däuper von der Medizinischen Hochschule Hannover. Kommt es jedoch immer wieder zu Muskelschmerzen, unerklärlichen Kontraktionen und Zuckungen in den Extremitäten, befürchten die Betroffenen nicht selten eine amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Vor allem, wenn es sich um Ärzte handelt.
Gerade sie assoziieren die Faszikulationen schnell mit den Symptomen der Motoneuronenerkrankung. Zwar hat sich in einer prospektiven Studie gezeigt, dass nur in 5 % der Fälle tatsächlich eine ALS vorliegt, diese Krankheit muss man aber dennoch immer als Differenzialdiagnose im Hinterkopf behalten.
Drei Symptome müssen zusammenkommen
Der Verdacht auf das Hyperexzitabilitätssyndrom der peripheren Nerven besteht, wenn die folgenden drei Symptome zusammentreffen:
- belastungsinduzierte Myalgien, die sich bevorzugt an den Oberschenkeln und Waden manifestieren
- Krampi, also sichtbare, palpable und schmerzhafte Muskelkontraktionen, die spontan oder durch willentliche Bewegung auftreten
- Faszikulationen, d.h. spontane, unwillkürliche Entladungen in einer Gruppe von Muskelfasern.
Letztere lassen sich gehäuft auch bei Gesunden beobachten. Mittels Sonographie wurden sie z.B. bei 43 % der gesunden Studienteilnehmer im M. abductor hallucis nachgewiesen. In einer anderen Untersuchung fand man sie per Oberflächen-EMG-Ableitung sogar bei 77 % der Probanden. Provoziert werden können die gutartigen Zuckungen durch Koffein- und Nikotingenuss, Stress sowie durch körperliche Anstrengung – allesamt Faktoren, die bei Ärzten nicht so selten vorkommen.
Ein weiterer Aspekt, der Betroffene mit Faszikulationen ggf. beruhigt: Es ist unklar, ob eine benigne Motoneuronenkrankheit überhaupt in eine ALS übergeht. In den wenigen beobachteten Fällen wurden die Vorboten der degenerativen Erkrankung, sprich die generalisierten Zuckungen, womöglich als Zeichen eines Myalgie-Faszikulations-Krampus-Syndroms fehlgedeutet, so die Autoren.
Dessen typischen Verlauf schildern sie am Beispiel eines Kollegen: Der 50-Jährige leidet schon seit 25 Jahren v.a. nachts an Faszikulationen. Schlafentzug, Stress, Alkohol, Kaffee und Rauchen verstärken die Beschwerden. In seltenen Fällen bemerkt er zudem schmerzhafte Verkrampfungen im rechten Bizeps, u.a. nach längeren Telefonaten. In der Familie sind keine neurologischen Erkrankungen bekannt, allerdings hat auch die 79-jährige Mutter des Patienten Faszikulationen bemerkt. Eine ALS befürchtet der Kollege nach dem langen Verlauf nicht mehr.
Zur Behandlung von Faszikulationen verweisen die Neurologen auf Carbamazepin oder Gabapentin. Letzteres führte in einer Studie mit 3 x 300–600 mg/d zu guten Erfolgen. Der 50-jährige Kollege nahm Carbamazepin, musste es wegen Schwindel, Übelkeit und Hyponatriämie jedoch wieder absetzen. Krampi lassen sich mit hoch dosiertem Magnesium lindern. Chininsulfat sollte aufgrund der Gefahr für Arrhythmien und Thrombozytopenien äußerst zurückhaltend eingesetzt werden.
Quelle: Rollnik JD, Däuper J. Fortschr Neurol Psychiatr 2020; 88: 459-463; DOI: 10.1055/a-1019-7646
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