Immunsuppression steht im Fokus der Therapie

Dr. Angelika Bischoff

Orale Aphthen finden sich bei fast allen Patientinnen und Patienten mit Morbus Behçet. Grund dafür ist vor allem die überschießende Aktivierung neutrophiler Granulozyten. Orale Aphthen finden sich bei fast allen Patientinnen und Patienten mit Morbus Behçet. Grund dafür ist vor allem die überschießende Aktivierung neutrophiler Granulozyten. © Science Photo Library/Clinical Photography, Central Manchester University Hospitals NHS Foundation Trust, UK

Der Morbus Behçet geht mit einer hohen Mortalität einher. Werden die ersten Jahre der Erkrankung gut überstanden, erreichen jedoch mehr als 60 % der Betroffenen eine klinische Remission. Je nach Manifestation kommen dafür verschiedene Wirkstoffe zum Einsatz.

Der Morbus Behçet ist den autoinflammatorischen Vaskulitiden zuzurechnen. Er betrifft meist Erwachsene zwischen 20 und 40 Jahren. Spezifische Autoantikörper wurden für den Morbus Behçet bisher noch nicht identifiziert. Es gibt jedoch einige genetische Veränderungen, die die Suszeptibilität für diese Erkrankung steigern. So ist das Risiko von Personen mit dem HLA-Antigen B51 etwa siebenfach erhöht. Auch Umweltfaktoren wie Schadstoffe oder Streptokokken- bzw. Herpes-simplex-Infektionen können dazu beitragen. 

Vor allem auf die überschießende Aktivierung von Neutrophilen zurückzuführen sind mukokutane ulzerierende Läsionen. Fast alle Betroffenen weisen intraorale Aphthen auf, die meist schmerzhaft sind, häufig wiederkehren und im Intervall narbenfrei abheilen. Etwa 70 % der Patientinnen und Patienten entwickeln Aphthen an Skrotum, Vulva oder Vagina. Diese wiederum hinterlassen nach dem Abheilen häufig Narben. 

Behçet-Kriterien ab 4 Punkten erfüllt
Manifestation/SymptomPunkte
enorale Aphthose2
genitale Aphthen2
Augenmanifestation2
Hautmanifestation1
ZNS-Manifestation1
Gefäßmanifestation1
positives Pathergiephänomen1

Vaskulär zeigen sich meist Thrombophlebitiden

Die für den Morbus Behçet typische leukozytoklastische Vaskulitis spielt sich in Arterien und Venen unterschiedlicher Größe ab. Klinisch im Vordergrund stehen die Neigung zu thromboembolischen Gefäßverschlüssen sowie die Entwicklung arterieller Aneurysmen. Bei etwa einem Viertel der Betroffenen sind vaskuläre Manifestationen zu beobachten, meist Thrombophlebitiden der unteren Extremität. Auch Vaskulitiden der großen Gefäße können vorkommen. Als häufigste Todesursache beim Morbus Behçet gilt die pulmonale Vaskulitis mit Aneurysmabildung. 

Zudem drohen weitere systemische Manifestationen wie Uveitis, Entzündung großer peripherer Gelenke oder Schleimhautulzerationen im Darm. Ein Fünftel der Menschen mit Morbus Behçet weist eine zentralnervöse Beteiligung auf in Form von parenchymatösen Veränderungen und thromboembolischen Prozessen.

Der Morbus Behçet wird primär klinisch diagnostiziert. Mit hoher Sensitivität und Spezifität liegt die Erkrankung vor, wenn eine Person in den ICBD*-Klassifikationskriterien 4 Punkte erreicht (s. Tabelle oben). Labor, Bildgebung und Histologie braucht man primär, um Differenzialdiagnosen auszuschließen. Im Labor sind vor allem Entzündungswerte und Marker von Organfunktionen relevant, um nach Zeichen einer Organbeteiligung zu suchen. 

Therapie nach aktuellen EULAR-Empfehlungen (2018)
ManifestationTherapie
orale/genitale Aphthen, akneiforme Läsionentopische Glukokortikoide
Rezidivprävention von Haut- und SchleimhautmanifestationenColchicin
Rezidivprävention in ausgewählten FällenAzathioprin, Thalidomid, Interferon-α, TNF-α-Inhibitoren, Apremilast
Uveitis posteriorAzathioprin, Cyclosporin A, Interferon-α, TNF-α-Inhibitoren plus eventuell systemische Glukokortikoide
Uveitis mit drohendem Visusverlust systemische und intravitreale Glukokortikoide plus Interferon-α oder TNF-α-Inhibitoren
isolierte Uveitis anteriorsystemische Immunsuppression (vor allem bei jungen männlichen Patienten)
akute Thrombophlebitissystemische Glukokortikoide plus Azathioprin oder Cyclophosphamid oder Cyclosporin A
therapierefraktäre VenenthrombosenTNF-α-Inhibitoren, eventuell plus Antikoagulation
pulmonalarterielle Aneurysmensystemische hoch dosierte Glukokortikoide plus Cyclophosphamid, bei Therapieresistenz TNF-α-Blocker und operative/endovaskuläre Reparatur
Vaskulitis der Aorta und periphere Aneurysmensystemische Glukokortikoide plus Cyclophosphamid plus interventionelle Korrektur
gastrointestinale Manifestationensystemische Glukokortikoide plus Mesalazin oder Azathioprin, bei Therapierefraktärität TNF-α-Blocker plus Thalidomid
GelenkmanifestationenColchicin, eventuell plus Glukokortikoide intraartikulär, Azathioprin, Interferon-α oder TNF-α-Blocker
parenchymatöse ZNS-Beteiligungsystemische hoch dosierte Glukokortikoide plus Azathioprin oder TNF-α-Blocker
zerebrale Venenthrombosesystemische hoch dosierte Glukokortikoide plus kurzzeitige Antikoagulation

Die Therapie hängt von der Art der Manifestation ab. Orientieren kann man sich an den EULAR**-Empfehlungen (s. Tabelle unten). Seitdem ist die Entwicklung aber weitergegangen. So haben TNF-α-Blocker an Bedeutung gewonnen. Bei schwerer Uveitis posterior und bei refraktärem Verlauf gastrointestinaler Manifestationen gelten sie heute als First-Line-Therapie. Einen positiven Effekt haben TNF-Blocker auch bei retinaler Vaskulitis gezeigt.  

Apremilast ist zugelassen für die Therapie refraktärer Aphthen und hat sich zudem bei Arthritis als effektiv erwiesen, sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit anderen Substanzen. Erste vielversprechende Daten gibt es für Ustekinumab und Secukinumab

Antikoagulation nur für kurze Zeit erwägen

Der Einsatz von Antikoagulanzien zur Prävention thromboembolischer Ereignisse wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Denn sowohl Vitamin-K-Antagonisten als auch NOAK haben keinen klaren Effekt erkennen lassen, sodass die immunsuppressive Therapie bei thromboembolischen Manifestationen im Vordergrund steht. Wenn man eine Antikoagulation erwägt, sollte diese nur für kurze Zeit angesetzt werden. Und man sollte vorher abklären, ob Aneurysmen vorliegen.

* International Criteria for Behçet’s Disease

** European Alliance of Associations for Rheumatology

Zehrfeld N, Ernst D. internistische praxis 2024; 68: 217-228

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Orale Aphthen finden sich bei fast allen Patientinnen und Patienten mit Morbus Behçet. Grund dafür ist vor allem die überschießende Aktivierung neutrophiler Granulozyten. Orale Aphthen finden sich bei fast allen Patientinnen und Patienten mit Morbus Behçet. Grund dafür ist vor allem die überschießende Aktivierung neutrophiler Granulozyten. © Science Photo Library/Clinical Photography, Central Manchester University Hospitals NHS Foundation Trust, UK