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It‘s a kind of MAGIC: Vereinfachtes geriatrisches Assessment

In der hausärztlichen Praxis geht es darum, den allmählichen Verlust von Alltagskompetenz und Selbstständigkeit bei Senioren rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls gegenzusteuern. Die Leitliniengruppe Hessen hat daher nun in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) entsprechende Empfehlungen zum geriatrischen Assessment in der Praxis veröffentlicht. Das braucht natürlich nicht jeder über 70 Jahre. Es gilt also zunächst, „robuste“ von gebrechlicheren Senioren zu unterscheiden. Dafür eignen sich zwei einfache Fragen:
- Fühlen Sie sich voller Energie? (ja/nein)
- Haben Sie Schwierigkeiten, eine Strecke von 400 Metern zu gehen? (keine, wenig, ziemlich, geht nicht)
Neun typische Probleme werden abgearbeitet
Diese Fragen kann man den älteren Patienten ausgedruckt mit ins Wartezimmer geben, beispielsweise im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung oder nach einem Krankenhausaufenthalt. Bieten die Antworten Anlass zur Sorge, sollte sich das machbare geriatrische (Manageable Geriatric) Assessment anschließen. Diese Kurzform des hausärztlichen STEP-Assessments umfasst neun Bereiche und konzentriert sich auf typische Alltagsprobleme, die vielfach gar nicht zum Arztbesuch führen.
Leistungsfähigkeit im Alltag: Die Betroffenen kreuzen an, ob und in welchem Umfang sie damit in den letzten zwei Wochen Schwierigkeiten hatten. Liegen zumindest einige Einschränkungen vor, sollten Sie abklären, was schwerer fällt und welcher Art die Probleme sind. Erkundigen Sie sich außerdem, ob es bereits Hilfe gibt und wie motiviert der Betroffene ist, die Lage wieder zu verbessern, z.B. durch Training. Je nach Anamnese und körperlichem Befund folgen evtl. weiterführende diagnostische und therapeutische Interventionen.
Sehen: Können Ihre Schützlinge – auch mit Brille – gut die Zeitung lesen und Menschen auf der anderen Straßenseite erkennen? Falls nicht, sollte ein Ophthalmologe abklären, ob behandelbare Ursachen wie Fehlsichtigkeit oder Katarakt vorliegen.
Hören: Zur Abschätzung reicht die Frage, ob es schwer fällt, Gespräche zu verstehen, um über mögliche Maßnahmen zu entscheiden.
Stürze: Sie gelten gleichzeitig als Indikator, Ursache und Folge allgemein nachlassender Funktionen im Alter. Fiel Ihr Patient in den letzten sechs Monaten mindestens zweimal hin, müssen Sie sich über die Umstände informieren und weitere Tests, z.B. von Gang und Gleichgewicht, durchführen. Außerdem raten die Autoren dazu, kardiovaskulären und neurologischen Status zu prüfen, gründlich die Medikamente – auch OTC! – zu erfassen und eine augenärztliche Untersuchung zu veranlassen. Generell tragen Krafttraining und die Beseitigung von Stolperfallen dazu bei, das Risiko zu senken. Bei bestehender Inkontinenz (nächster Punkt) können Sie einen Toilettenstuhl verordnen, um die Gefahr in der Nacht zu verringern.
Inkontinenz: Geht beim Husten, Lachen, Niesen oder Bücken Urin ab oder schaffen es Ihre Rentner nicht immer rechtzeitig zur Toilette, sollten Sie eine genauere Diagnostik einleiten. Und werden Sie nicht müde zu betonen, dass der Harnverlust kein Grund sein darf, die Trinkmenge zu reduzieren!
Depressivität: Dafür sieht MAGIC zwei Fragen vor: Haben Sie sich in den letzten vier Wochen oft niedergeschlagen, deprimiert oder hoffnungslos gefühlt? Hatten Sie im letzten Monat weniger Interesse oder Freude an Unternehmungen? Bei „Ja“ heißt es: weiter abklären und ggf. behandeln.
Soziales Umfeld: Steht dem Patienten im Notfall jemand zur Verfügung und gibt es einen Menschen, dem er vertraut und auf den er sich verlässt? Notieren Sie vorhandene Ansprechpartner und kümmern Sie sich um eine schriftliche Entbindung von der Schweigepflicht. Existiert niemand, informieren Sie ihren Patienten über gesetzliche Betreuungsoptionen oder lokale Initiativen. Denken Sie an die Möglichkeit des Hausnotrufsystems.
Impfstatus: Senioren sind infektanfällig und sprechen schlecht auf Vakzinen an. Für über 60-Jährige empfiehlt die STIKO alle zehn Jahre die Auffrischung gegen Tetanus und Diphtherie, einmalig gegen Pneumokokken und jährlich die Immunisierung gegen Influenza. Einmal im Erwachsenenalter sollte die Impfung gegen Pertussis stattgefunden haben. Klären Sie auch über Hygienemaßnahmen im Alltag auf, z.B. gründliches Händewaschen oder regelmäßiges Lüften.
Kognitive Leistung: Nutzen Sie dafür den Uhrentest. Zeichnet der Patient die Zeit korrekt, kann man mit hoher Sicherheit sagen, dass keine mäßige oder schwere Demenz vorliegt. Ein pathologisches Ergebnis heißt aber nicht automatisch, dass die Diagnose steht, sondern muss weitere Diagnostik nach sich ziehen.
In Ergänzung zu MAGIC rät die Leitlinie dazu, nach chronischen Schmerzen, Mobilität/Beweglichkeit, ungewolltem Gewichtsverlust, Medikationsstatus und Schwindel zu fragen. MAGIC wird durch eine gut geschulte Arzthelferin durchgeführt, die Ergebnisse besprechen Sie dann persönlich mit dem Patienten.
Quelle: S1-Leitlinie „Geriatrisches Assessment in der Hausarztpraxis“, www.awmf.org, AMWF-Register-Nr. 053-015
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