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Junge Typ-2-Diabetiker nicht in den Brunnen fallen lassen
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Der rasante Anstieg der Erkrankungszahlen bei jungen Menschen, den Experten beim Auftauchen der ersten Typ-2-Diabetes-Fälle bei unter 20-Jährigen vorausgesagt hatten, ist zwar bisher ausgeblieben. Aber die Zahlen steigen, und wenn ein junger Mensch an einem Typ-2-Diabetes erkrankt, ist das extrem problematisch.
Der Typ-2-Diabetes unterscheidet sich
"Der Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen unterscheidet sich in seiner Pathophysiologie, den Komplikationen und psychosozialen Begleiterscheinungen grundlegend vom Typ 1, aber auch vom Typ-2-Diabetes des Erwachsenen", betonte Professor Dr. Kristen J. Nadeau von der University of Colorado in Denver. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen, später kehrt sich das Geschlechterverhältnis um.
Ein Screening lohnt sich zwar nicht, weil die Prävalenz zu niedrig ist, meinte die Spezialistin für pädiatrische Endokrinologie. Aber bei dicken Jugendlichen ist die Vortestwahrscheinlichkeit hoch genug, dass man einen Glukosetoleranztest erwägen sollte.
Die Erkrankung schreitet rasch voran
Die Prognose des jugendlichen Typ-2-Diabetikers ist vergleichsweise schlecht – das Risiko, vorzeitig zu versterben, liegt im Vergleich zum Typ 1 etwa doppelt so hoch. Denn die Erkrankung schreitet rasch voran, die Betazellfunktion nimmt in hohem Tempo ab. Laut Prof. Nadeau muss deshalb damit gerechnet werden, dass diese Patienten deutlich früher Folgekomplikationen an Nerven, Nieren und Herz entwickeln. Entsprechend konsequent muss die Suche nach kardiovaskulären Risikofaktoren sein.
Die Heilungsaussichten sind durchaus gut
Die Inzidenz steigt mit Beginn der Pubertät deutlich an. Die spezielle Stoffwechselsituation in dieser Lebensphase, wenn die Insulinsensitivität sinkt und sich die Insulinsekretion verdoppelt – was wiederum der Adipositas Vorschub leistet –, bietet durchaus therapeutische Chancen. "Wir haben bei den jungen Typ-2-Diabetikern zwar insgesamt limitierte Therapieoptionen, aber auch Möglichkeiten, die sich beim älteren Typ-2-Diabetiker nicht mehr bieten", so Prof. Nadeau.
Wenn es gelingt, eine nachhaltige Gewichtsabnahme herbeizuführen, lässt sich der Diabetes oft sogar wieder zum Verschwinden bringen. Bei jedem dritten adipösen Jugendlichen bleibt die Hyperglykämie ohnehin transient, ein weiteres Drittel behält allerdings eine gestörte Glukosetoleranz zurück. Ein manifester Typ-2-Diabetes etabliert sich bei den restlichen ca. 30 % der betroffenen Heranwachsenden.
Wie Prof. Nadeau ausführte, ist derzeit nur Metformin auch für Patienten unter 18 Jahren zugelassen – wenn diese Therapie nicht mehr greift, bleibt nur, off-label zu therapieren oder zu Insulin und seinen Analoga überzugehen. Dabei kommt es unter Metformin bei jungen Patienten häufig früh zum Sekundärversagen, wie aus der großen US-Studie TODAY hervorgeht.
Weitere Antidiabetika sind zwar bereits in der klinischen Prüfung, um sie auch bei Jugendlichen einsetzen zu können, beispielsweise die GLP1-Analoga, die DPP4-Inhibitoren und die SGLT2-Hemmer. Mit einer Zulassung ist aber wohl so bald nicht zu rechnen, meinte Prof. Nadeau. Denn um alle derzeit laufenden und geplanten Studien abschließen zu können, werden etwa 5000 Probanden gebraucht, also alle neu erkrankten Jugendlichen eines Jahrgangs.
Ein Ansatz: Registerstudien mit Off-Label-Use
Die US-Erfahrungen zeigen die Probleme, die sich dabei stellen. Kinder und Jugendliche mit Typ-2-Diabetes stammen häufig aus sozial schwachen Familien, in denen die Voraussetzungen für Adhärenz und Lebensstilinterventionen kaum gegeben sind.
"Wir brauchen neue Studienformen", so die Endokrinologin. Vorstellbar sind beispielsweise Registerstudien, in denen auch Off-Label-Behandlungen dokumentiert werden können. Außerdem sollten speziell bei diesen jungen Patienten auch andere Endpunkte als immer
nur der HbA1c-Wert herangezogen werden, beispielsweise die Betazellfunktion oder die Insulinsensitivität. Sie sind für die spätere Krankheitskarriere wahrscheinlich bedeutsamer als der Surrogatparameter HbA1c.
76th scientific sessions, American Diabetes Association
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