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Kein Freifahrtschein durch positive Studiendaten

Darf man bei Patienten mit akutem Schlaganfall, die unter einer Therapie mit Antikoagulanzien stehen, eine intravenöse Thrombolyse durchführen? Markumarisierte Patienten mit einer INR < 1,7 können wahrscheinlich sicher lysiert werden. Dafür spricht zumindest die Erfahrung, meinte Prof. Dr. Martin Köhrmann von der Neurologischen Universitätsklinik Essen. Wie aber geht man mit Patienten um, die auf ein NOAK eingestellt sind?
Antworten versuchten im letzten Jahr die Autoren einer retrospektiven Analyse der gepoolten Daten von 33.207 Patienten zu geben. Alle Studienteilnehmer hatten aufgrund eines ischämischen Schlaganfalls eine Thrombolyse und teilweise auch eine Thrombektomie erhalten. Von 832 Patienten war bekannt, dass sie in den vorangegangenen 48 Stunden (wahrscheinlich) ein NOAK eingenommen hatten – in 252 Fällen Dabigatran, das mit Idarucizumab antagonisiert wurde. Bei 225 Patienten bestimmte man vor der Lyse den NOAK-Spiegel und 355 bekamen die Lyse ohne Antidot oder Spiegelmessung.
Die Rate symptomatischer intrakranieller Blutungen in den ersten 36 Stunden nach der Lyse lag in der NOAK-Gruppe bei 2,5 % und in der Kontrollgruppe bei 4,1 %. Die NOAK-Therapie schien also kein Exzessrisiko zu bergen. Doch sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen, warnte Prof. Köhrmann. Zum einen befanden sich in der Kontrollgruppe 689 Patienten, die unter Vitamin-K-Antagonisten standen; von ihnen erlitten 5 % eine symptomatische intrakranielle Blutung. Zum anderen ergaben die NOAK-Spiegelmessungen Werte von im Durchschnitt 21 ng/ml. Bei vielen bestand also gar keine nennenswerte Antikoagulation, betonte der Kollege. Dazu kamen signifikante Unterschiede zwischen den Studiengruppen in fast allen Baseline-Parametern.
Keinesfalls lässt die Studie den Rückschluss zu, man dürfe bei mit NOAK vorbehandelten Schlaganfallpatienten einfach drauflos lysieren, warnte Prof. Dr. Joachim Röther von der Asklepios Klinik Altona. Liegt die letzte NOAK-Einnahme mehr als 24 Stunden zurück, könne man sich durchaus überlegen, ob man die Thrombolyse startet. Wenn aber bekannt ist, dass ein Patient innerhalb der letzten 24 Stunden sein NOAK eingenommen hat, käme die Lyse nicht in Betracht.
„Man lysiert nur solange wild drauflos, bis es die erste intrakranielle Blutung gibt und man vor Gericht steht“, ergänzte Prof. Köhrmann. Entscheide man sich trotz bestehender absoluter Kontraindikation für die Lyse, müsse man die Gründe dafür sorgfältig dokumentieren. Eine solche Situation könnte bei manchen schwer betroffenen Schlaganfallpatienten gegeben sein, die interventionell nicht behandelbar sind, meinte der Kollege. In der Begründung könne man sich auf die neuesten Ergebnisse beziehen, die ein „vertretbares Risiko“ vermuten lassen.
Quelle: 16. Neurologie-Update-Seminar
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