Kompressionstherapie – Strumpf ist Trumpf

Dr. Dorothea Ranft

Bei Krampfadern gilt: Je kräftiger das Bein, desto kräftiger muss der Strumpf sein. Bei Krampfadern gilt: Je kräftiger das Bein, desto kräftiger muss der Strumpf sein. © iStock/benjaminec

Kompressionsstrumpf strikt nach Diagnose verordnen – die Zeiten sind vorbei. Heute orientiert man sich vor allem an den individuellen Eigenschaften und Symptomen des Patienten, einschließlich der Compliance.

Die Kompressionstherapie hat inzwischen eine Vielzahl von Indikationen – sie reichen vom Ulcus cruris bis zum habituellen Ödem. Neben den bekannten mechanischen Effekten bremst die Kompression auch die Entzündung in der Venenwand, so Professor Dr. Stefanie­ Reich-­Schupke­ vom Venenzentrum der Kliniken der Ruhr-Universität Bochum.

In der Behandlung unterscheidet man zwischen zwei Phasen: Die Entstauung erfolgt mit flexiblen Materalien wie gepolsterten Kurzzugverbänden oder adaptiven Bandagen. Strümpfe werden erst angepasst, wenn das Bein die angestrebte Form erreicht hat (Erhaltungsphase). Drei Kenngrößen sind für die Verordnung relevant (s. Kasten). Weiterhin stehen zwei Strickarten zur Auswahl: Rundstrickstrümpfe haben in jeder Reihe die gleiche Maschenzahl, ggf. vom Oberschenkel bis zum Fuß. Aufgrund der höheren Elastizität fühlen sie sich angenehmer an, führen aber durch „Verrutschen“ häufiger zu Einschnürungen (Lage prüfen). Individuell gefertigte Flachstrickstrümpfe mit unterschiedlichen Maschenzahlen und geringer Elastizität können auch bei ausgeprägten Ödemen und massiven Stufenbildungen zum Einsatz kommen, erklärte Professor Dr. Markus­ Stücker­, Leitender Arzt des Venenzentrums der Universitätsklinik Bochum.

Die Dreifaltigkeit der Kompression

Diese drei Kenngrößen braucht man für die Verordnung von Kompressionsstrümpfen: 1. Ruhedruck: Anhand des Ruhedrucks auf das Gewebe werden die vier Kompressionsklassen (KKL 1–4) bestimmt.
2. Arbeitsdruck: Er entsteht, wenn sich der Muskel z.B. beim Laufen gegen den Strumpf dehnt. Je fester das Material, desto höher der Arbeitsdruck.
3. Stiffness: Differenz zwischen Ruhe- und Arbeitsdruck

Meist reicht ein Kniestrumpf aus, zumal am Oberschenkel oft nur noch ein geringer Druck (ca. 4–7 mmHg) erzielt wird. So manche Rockträgerin bevorzugt jedoch wegen der Optik längere Varianten. Bestehen Fuß- und Nagelpilz oder Fehlstellungen im Zehengrundgelenk (z.B. Hallux), bietet potenziell ein Strumpf mit offener Spitze Vorteile – vorausgesetzt das Bündchen drückt nicht auf das lädierte Gelenk. In etwa 90 % der Fälle genügt die Kompressionsklasse (KKL) 2, betonte Prof. Stücker. Eine niedrigere Klasse kann z.B. bei Problemen mit dem Anziehen sinnvoll sein. Fortgeschrittene Stadien oder kräftige Beine erfordern eventuell KKL 3. Postthrombotisches Syndrom: Für ein postthrombotisches Syndrom genügt meist ein Kniestrumpf, versicherte Prof. Reich-Schupke. Das Material muss wegen des Schadens in den tiefen Venen eher kräftig sein, bei mangelnder Anziehfähigkeit darf man aber auch auf Klasse 1 zurückgreifen. Je stärker die Beschwerden, desto häufiger sollte der Patient den Strumpf tragen, v.a. unter orthostatischer Belastung. Varikose: Bei Krampfadern richtet sich die Kompression nach der Ausprägung. Im Stadium ohne Hautschäden (CEAP-Klassifikation, C 1–3, s. Tabelle) genügen Rundstrickstrümpfe KKL 1–2, erklärte Prof. Stücker. Je stärker das Bein, umso kräftiger muss jedoch der Strumpf sein. Eine Varikose mit ekzematösen Hautveränderungen (C 4) erfordert – neben der möglichst starken Kompression – eine externe Therapie mit Steroiden und Rückfettung. Bestehen bereits fortgeschrittene Schäden wie die Atrophie blanche, rät Prof. Reich-Schupke auf den Kontakt zwischen Material und Bein zu achten und bei Bedarf Pelotten einarbeiten zu lassen.
Venöse Insuffizienz klassifizieren
Mittels der CEAP(Clinical condition, Etiology, Anatomic location, Pathophysiology)-Klassifikation, lässt sich der Schweregrad der chronisch venösen Insuffizienz (CVI) ermitteln.
StadiumVeränderungen
C 0keine sichtbaren Zeichen
C 1Besenreiser, Teleangiektasien oder retikuläre Venen
C 2Varikose ohne klinische Zeichen einer CVI
C 3Varikose mit Ödem
C 4aVarikose mit Pigmentierung oder Ekzem
C 4bVarikose mit Dermatoliposklerose oder Atrophie blanche
C 5Varikose mit abgeheiltem Ulkus
C 6Varikose mit floridem Ulkus
Ulzera: Schon ein niedriger Anpressdruck (KKL 1) in Kombination mit einer hohen Stiffness reichen aus, um einen Ulkus abheilen zu lassen (von C 6 auf C 5). Ist dies vollbracht, gilt es, die Rezidiv­rate zu reduzieren. Hierfür setzen die Experten auf eine Kombination von hohem Ruhe- (> 30 mmHg), Arbeitsdruck und Materialfestigkeit mit einem knielangen, doppellagigen Ulkusstrumpf.Falls ältere Patienten Probleme beim Anziehen haben, können auch niedrigere Druckwerte in Kombi mit hoher Stiffness helfen, versicherte Prof. Stücker. Periphere arterielle Verschlusskrankheit: Bei beginnender peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) ist eine Kompressionstherapie mit geringem Druck (KKL 1) und hoher Material­festigkeit möglich. Vorausgesetzt, der Patient hat keine Sensibilitätsstörungen und die arterielle Perfusion wird regelmäßig kontrolliert. Eine Kontraindikation besteht, wenn Ruheschmerzen oder andere klinische Zeichen der fortgeschrittenen pAVK bzw. kritischen Ischämie vorliegen. Zusätzlich gelten ein ABI* < 0,6 bzw. Knöchelarteriendruck < 60 mmHg als Ausschlussgrund. Neuropathie: Liegt eine Neuropathie vor, kommt es darauf an, Druckspitzen und Scheuerstellen zu vermeiden. Patienten müssen deshalb Füße und Beine regelmäßig inspizieren. Das höchste Risiko geht von Schnürfurchen aus, so Prof. Reich-Schupke. Flachstrick und Materialien mit geringer Elastizität können für Abhilfe sorgen. Adipositas: Eine Besonderheit stellt die funktionelle chronisch venöse Insuffizienz bei Adipositas dar: Betroffene haben weder Varizen noch eine Insuffizienz im tiefen Venensystem. Trotzdem entwickeln sie Ödeme und Hautschäden bis zum Ulkus cruris. Als Ursache wird ein mechanisches Hindernis, z.B. durch die Fettschürze und den damit gestörten Lymphtransport postuliert. Therapeutisch raten die Referenten zu maßgefertigten, flach gestrickten Stümpfen (KKL 1–3) mit hoher Materialfestigkeit. Diese sollten mindestens wadenlang sein, bei Bedarf auch als Strumpfhose oder als geteilte Versorgung (Hose plus Strumpf) verordnet werden. Und an Bewegung und Gewichtsreduktion führt kein Weg vorbei.

* Ankle Brachial Index

Quelle: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie 2017

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Bei Krampfadern gilt: Je kräftiger das Bein, desto kräftiger muss der Strumpf sein. Bei Krampfadern gilt: Je kräftiger das Bein, desto kräftiger muss der Strumpf sein. © iStock/benjaminec