Kompressionstherapie wird neu aufgerollt

Dr. Alexandra Bischoff

Richtig wickeln will gelernt sein. Neben einer unterpolsternden Kompression kommt eine adhäsive Binde zum Einsatz. Richtig wickeln will gelernt sein. Neben einer unterpolsternden Kompression kommt eine adhäsive Binde zum Einsatz. © thinkstock

Ein frischer Wind hat die etablierte Kompressionstherapie entstaubt. Neue Materialien und Anwendungen bieten mittlerweile nahezu jedem Patienten eine individuelle Lösung.

In der Kompressionstherapie herrschte lange Zeit ein regelrechter Entwicklungsstillstand. Dabei bildet sie als Basismaßnahme einen wichtigen Bestandteil der phlebologischen und lymphologischen Therapie. In den letzten Jahren brachten nicht nur Neuerungen im Bereich der Anwendungen und Materialien Bewegung ins Wickeln. Auch (Kontra-)Indikationen wurden zunehmend hinterfragt und neu definiert.

Das venöse Ödem und das Ulcus cruris venosum sprechen gut auf eine Kompressionstherapie an. Lediglich über die Art (Strumpf oder Bandage) und den notwendigen Anpressdruck herrscht bis dato eine uneinheitliche Meinung. Studienergebnisse belegen, dass medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) mit einem Ruheanpressdruck von schon 10–15 mmHg venöse Beschwerden und Ödeme verringern.

Neue Materialien

  • Fertigbindensysteme wie Kurzzug-, Mittelzug-, Langzug- und Polsterbinden (ggf. mit kohäsiven Eigenschaften)
  • (Re)adaptive Kompressionsbandagen mit Klettverschlüssen bei Ulcus cruris: signifikant bessere Ergebnisse als mit Mehrkomponentensystem und festem Schema, nach kurzer Schulung passt der Patient ihn individuell an, wirtschaftliche Vorteile (keine Personalkosten, lange Tragedauer)

Progressiver Druckverlauf bei mobilen Patienten besser

Wer beruflich viel steht, profitiert hinsichtlich seiner Schmerzen und Ödeme von MKS mit einem Anpressdruck von 11–21 mmHg. In anderen Untersuchungen wiederum wirkte sich die Kompressionsbandagierung mit Werten von 20–30 mmHg positiv auf die venöse Funktion aus.

Für die Abheilung und Rezidivprophylaxe venöser Ulzerationen eignen sich ebenso geringere Anpressdrücke mittels fester Materialien, die während Bewegungen hohe Arbeitsdruckwerte erzeugen. Zwar profitieren in der Rezidivprophylaxe die Patienten von hohen Anpressdrücken, aber auch ein reduzierter Ruhedruck (Kompressionsklasse, KKL I, 18–21 mmHg) bringt mehr als gar keine Kompressionstherapie.

Neuere Daten zeigen bei mobilen Patienten mit Chronisch venöser Insuffizienz (CVI) einen signifikanten Vorteil in der venösen Abpumpleistung für einen progressiven gegenüber dem von den Leitlinien propagierten degressiven Druckgradienten. Auch in puncto Anziehen und Tragekomfort haben die progressiven Kompressionsstrümpfe die Nase deutlich vorn. Um die überwiegend älteren Patienten bei Wickellaune zu halten, sollte man sie stets ausführlich anleiten und ihnen zusätzlich An- und Ausziehhilfen verordnen.

Mittels Wadenumfang den Ruheanpressdruck berechnen

Der Beinumfang spielt bei der Auswahl der Materialien und des idealen Ruheanpressdrucks eine wichtige Rolle. Dieser lässt sich in der Praxis mit folgender Formel bestimmen: Ruheanpressdruck (mmHg) = Wadenumfang (cm) + Wadenumfang (cm)/2

Die aktuellen Leitlinien zum phlebologischen Kompressionsverband und zum MKS sehen die fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) als Kontraindikation für eine Kompressionstherapie. Bisher galt in der Literatur als Grenze für den Einsatz dieser Maßnahme ein Knöchel-Arm-Index (Ankle brachial index, ABI) von 0,8. Um im Praxisalltag als ungeübter Anwender auf der sicheren Seite zu sein, empfehlen Privatdozentin Dr. Stefanie Reich-Schupke vom Venenzentrum der Dermatologischen und Gefäßchirurgischen Kliniken, Kliniken der Ruhr-Universität Bochum, und Kollegen die absoluten Arteriendruckwerte anstatt den ABI als geeignete Grenze.

Nach der Entstauung auf Klasse-I-Strümpfe wechseln

Eine Reihe von neuen Materialien (s. Kasten) kommen für die Kompressionsbehandlung bei Patienten mit einer CVI oder pAVK infrage – engmaschige Kontrolle vorausgesetzt. Laut aktuellen Untersuchungen verschlechtert sich bei einem reduzierten Anpressdruck von 20–40 mmHg mit kurzzügigen Materialien und Unterpolsterung die arterielle Durchblutung keineswegs, wenn der systolische Knöchelarteriendruck über 60 mmHg oder der Druck der Großzehenarterie über 30 mmHg und der ABI > 0,6 liegen. Nach der Entstauung wechselt man auf MKS Klasse I mit hoher Materialfestigkeit und geringer Elastizität (ggf. Flachstrick).

Als absolute Kontraindikationen für die Kompressionstherapie gelten nach wie vor sowohl eine kritische Ischämie mit Nekrose und/oder Gangrän als auch eine pAVK mit einem ABI < 0,5 (absoluter systolischer Knöcheldruck < 60 mmHg).

Quelle: Reich-Schupke S et al. Deutsch Med Wochenschr 2017; 142: 679-686

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Richtig wickeln will gelernt sein. Neben einer unterpolsternden Kompression kommt eine adhäsive Binde zum Einsatz. Richtig wickeln will gelernt sein. Neben einer unterpolsternden Kompression kommt eine adhäsive Binde zum Einsatz. © thinkstock