Kopfbälle schießen das Gehirn ins Aus

Dr. Elisabeth Nolde

Im Vergleich: links ein gesundes Gehirn, rechts ein an chronisch traumatischer Enzephalopathie erkranktes Gehirn. Im Vergleich: links ein gesundes Gehirn, rechts ein an chronisch traumatischer Enzephalopathie erkranktes Gehirn. © wikipedia/Boston University Center for the Study 
of Traumatic Encephalopathy

Fußballspieler imponieren auch durch Kopfballstärke – was offensichtlich Langzeitrisiken birgt. So wiesen britische Forscher bei Ex-Profis chronisch traumatische Enzephalopathien his­tologisch nach – meist verknüpft mit weiteren neurodegenerativen Erkrankungen.

Längst werden nicht nur im Boxsport mögliche Spätwirkungen zahlloser Kopfstöße analysiert, sondern auch bei Fußballspielern. Sie köpfen den Ball pro Spiel durchschnittlich sechs- bis zwölfmal, während einer 20-jährigen Karriere sind das rund 2000 Kopfbälle zuzüglich Training. Wobei laut Literatur viele Kopfaktionen nicht zur klassischen Gehirnerschütterung führten. Nichtsdestotrotz finden sich subtile neuropsychiatrische Defizite oder Veränderungen im funktionellen MRT– was als „sub-concussion“, subklinische Gehirnerschütterung, eingestuft wird.

Alle Spieler hatten Anzeichen für Alzheimer-Krankheit

Bereits etliche Literaturberichte belegten strukturelle Gehirnveränderungen und kognitive Auffälligkeiten bei Ex-Fußballspielern, die wiederholt „subkonkussiven“ Kopfstößen ausgesetzt waren. Nun liefert eine aktuelle Studie den histologischen Nachweis für neurodegenerative Prozesse. Als Ausgangspunkt dienten biografische und klinische Daten von 14 ehemaligen Fußballspielern, die im Durchschnittsalter von 64 Jahren fortschreitende kognitive Beeinträchtigungen entwickelt hatten.

Alle Sportler, darunter 13 Profis, agierten einst als geschickte Kopfballspieler und hatten eine rund 26-jährige Spielpraxis. Einwilligungen zur Post-mortem-Diagnostik gab es in sechs Fällen. Laut Vorgeschichte zogen sich fünf dieser Athleten auf dem Feld eine Gehirnerschütterung zu – bei vier Männern mit Bewusstseinsverlust.

Kriterien der CTE

Die CTE-Diagnose basiert auf kürzlich veröffentlichten Consensus-Kriterien des National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS), Bethesda. Als obligatorisch gelten demzufolge Ablagerungen von hyperphosphoryliertem Tau-Protein in Neuronen, Astrozyten und perivaskulär – vorzugsweise in kortikalen Sulci.
Alle sechs Fußballspieler, die nach dem Tod untersucht wurden, wiesen neuropathologische Zeichen der Alzheimer-Krankheit (AK) auf. Bei vier von ihnen fand sich zudem eine chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE), berichten Professor Dr. Helen Ling vom University College London, Institute for Neurology, und Kollegen. So wie im Fall eines ehemaligen Mittelstürmers, der insgesamt 36 Jahre lang aktiv kickte. Im Alter von 56 Jahren traten bei ihm psychische Veränderungen auf, er wirkte ängstlich und depressiv. Weitere Auffälligkeiten: Verlangsamung, undeutliche Sprache und Sturzneigung. Schließlich wurden Rigor und Bradykinese diagnostiziert. Als 60-Jähriger entwickelte er eine progressive nicht flüssige Aphasie. Er wirkte generell reizbar und aggressiv. Letztlich entsprach das klinische Bild einer Kombination aus frontotemporaler Demenz und Parkinsonismus. Im Alter von 65 Jahren starb der Mann. Die neuropathologischen Befunde erfüllten die Kriterien für eine CTE. Laut Forscherteam betrug die CTE-Rate in einer unselektionierten, älteren Population 12 Prozent. Somit fand sich hier ein wesentlich geringerer Anteil im Vergleich zu der Fallserie mit Ex-Profifußballspielern.

Mehrere Hirnerkrankungen gleichzeitig

Bemerkenswert war außerdem, dass bei den sechs Autopsien jeweils mehrere neurodegenerative Erkrankungen histologisch diagnostiziert wurden – klinisch sozusagen ein Mischbild vorlag. Das betraf auch einen ehemaligen Profi-Fußballspieler. Im Alter von 63 Jahren traten bei ihm progrediente Gedächtnisstörungen auf. Er fiel zudem durch aggressives, impulsives Verhalten und Anomia auf. Rund acht Jahre später diagnostizierte man bei ihm Sprechstörungen und eine fortgeschrittene Demenz. Im Alter von 72 Jahren erlag er einem Myokardinfarkt. Während seiner 25-jährigen Sportkarriere kam es nach einem Kopfzusammenstoß zum Kieferbruch (ohne Bewusstseinsverlust). Neuropathologisch bot er die Zeichen einer CTE, begleitet von neuritischen Plaques und Beta-Amyloid-Ablagerungen im Neocortex. Außerdem wiesen die Pathologen eine Hippocampus-Sklerose nach und einen mäßigen Verlust von pigmentierten Neuronen in der Substantia nigra. Diese Auffälligkeiten und die gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöhte CTE-Rate erforderten groß angelegte Untersuchungen, schreiben die Autoren.

Ling H et al. Acta Neuropathol 2017; online first

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Im Vergleich: links ein gesundes Gehirn, rechts ein an chronisch traumatischer Enzephalopathie erkranktes Gehirn. Im Vergleich: links ein gesundes Gehirn, rechts ein an chronisch traumatischer Enzephalopathie erkranktes Gehirn. © wikipedia/Boston University Center for the Study 
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