Manchmal lohnt sich die Lepra-Diagnostik

Dr. Elke Ruchalla

Bei Leprapatienten wird durch die Neuropathie häufig der Nervus ulnaris geschädigt. In der Folge bildet sich die typische Krallenhand. Bei Leprapatienten wird durch die Neuropathie häufig der Nervus ulnaris geschädigt. In der Folge bildet sich die typische Krallenhand. © frank29052515 – stock.adobe.com

Die meisten Ärzte in den westlichen Industrieländern haben vermutlich nie in ihrem Berufsleben mit einem Lepra-Patienten zu tun. Trotzdem sollte man in westlichen Ländern die Erkrankung gedanklich nicht abhaken.

Ein junger Mann, ein Einwanderer aus Samoa, der seit vier Jahren in den USA lebte, stellte sich in der dermatologischen Klinik vor. Vor drei Monaten hatte er erstmals Hautveränderungen bemerkt, beschreiben Aidan Filley vom Texas A&M University System Health Science Center – College of Medicine in Bryan und seine Kollegen den Fall.

Begonnen hatten die ringförmigen Läsionen über dem rechten Knöchel. Danach breiteten sie sich dann auf andere Körperstellen aus. Die betroffenen Bereiche waren taub, außerdem gab der Patient Par­ästhesien an. Hinzu kam, dass er die Finger nicht vollständig strecken konnte. Medikamente nahm er nicht ein. Was war passiert?

Temperaturempfinden in den läsionalen Bereichen schlecht

Bei der Untersuchung fielen den Kollegen zwischen den zahlreichen Tattoos multiple anuläre, gerötete Läsionen im Gesicht, an Thorax, Rücken und Extremitäten auf. Der N. auricularis magnus und der N. ulnaris waren verdickt tastbar, und es bestanden beidseitig eine Krallenhand und eine Fußheberschwäche. Über den Läsionen war die Temperaturempfindung herabgesetzt.

Das Routinelabor zeigte keine großen Auffälligkeiten. Daraufhin untersuchte man Biopsien aus zwei Plaques histologisch, wobei u.a. eine granulomatöse periadnexielle und perivaskuläre Dermatitis mit diffusen granulomatösen Infiltraten auffielen. Um ihren aufkeimenden Verdacht zu bestätigen, schickten die Kollegen die Gewebeproben an das US-amerikanische Lepra-Referenzzentrum.

Und siehe da: Die dortigen Ärzte wiesen mittels qPCR Mycobacterium leprae nach.

Steckbrief Lepra

Einteilung

  • nach WHO in multibazillär oder paucibazillär je nachdem ob ≥ 6 oder < 6 Läsionen

  • nach Ridley-Jopling in tuberkuloid, Borderline-Lepra und lepromatös (jeweils mit Mischformen)

Übertragung

Tröpfcheninfektion durch Atemwegssekrete (am häufigsten), offene Wunden (mangelnde Hygiene), u.a. bei engem Kontakt mit einem Kranken oder Reservoirwirt (z.B. Neunbinden-Gürteltier in den USA)

Risikofaktoren

Immunschwäche (medikamentös oder krankheitsbedingt), genetische Veranlagung

Diagnostik

Hautbiopsie und ggf. PCRDifferenzialdiagnosen (Auswahl)Granuloma anulare, Arzneimittelreaktion, Psoriasis andere mykobakterielle oder Pilzinfektionen

Behandlung

  • nach WHO: Dapson, Rifampicin, Clofazimin über 6 (paucibazillär) bzw. 12 Monate (multibazillär)

  • Alternativ: Rifampicin, Moxifloxacin, Minocyclin einmal pro Monat über 12–24 Monate

Nachdem die Diagnose feststand, verordneten die Dermato­logen wegen der leprösen Reaktion zunächst 60 mg/d Prednison für fünf Tage und danach 5 mg/d plus Metho­trexat (20 mg pro Woche). Die Medikamente sollten die überschießende Immunantwort auf den Erreger abschwächen, die bei dem Patienten zu den zunehmenden Par­ästhesien und Erythemen im Bereich der Plaques führte. Die eigentliche Lepra-Therapie begann sechs Tage später mit Rifampicin 600 mg, Moxi­floxacin 400 mg und Minocyclin 100 mg, die der Mann über ein Jahr jeweils monatlich zusätzlich zu den Immunmodulatoren erhielt.

Nach zwei Monaten Therapie sind die Symptome reduziert

Wegen seiner neuropathischen Schmerzen erhielt der Kranke zudem Amitriptylin. Zwei Monate nach Therapiestart hatten sich Hautbild und Neuropathie deutlich gebessert. Zum Zeitpunkt der Publi­kation befand sich der Patient in Therapiemonat 9 und zeigte keine Hinweise auf ein Rezidiv. Inzwischen hatte man auch seine Hand via Sehnentransfer und Beschäftigungstherapie versorgt.

Die Kasuistik zeigt einmal mehr, dass man in unklaren Fällen auch an (zumindest im jeweiligen Umfeld) Kolibri-Erkrankungen denken muss, so die Forscher. Im beschriebenen Fall hatten das typische Hautbild, das Taubheitsgefühl über den Plaques und die Verdickung der Nerven auf die richtige Spur geführt. Dazu kamen die Herkunft aus Samoa, wo Lepra weithin endemisch auftritt, sowie die Tattoos als mögliche Eintrittspforte.

Quelle: Filley A et al. JAMA 2023; DOI: 10.1001/jama.2023.9915

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Bei Leprapatienten wird durch die Neuropathie häufig der Nervus ulnaris geschädigt. In der Folge bildet sich die typische Krallenhand. Bei Leprapatienten wird durch die Neuropathie häufig der Nervus ulnaris geschädigt. In der Folge bildet sich die typische Krallenhand. © frank29052515 – stock.adobe.com