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Migrationswelle bringt hämolytische Anämien in Ihre Praxis
Als typische Zeichen einer Hämolyse gelten folgende Befunde:
- verkürzte Erythrozytenüberlebenszeit
- erhöhtes indirektes Bilirubin
- Nachweis von Urobilinogen im Urin
- Erhöhung von LDH, Serumeisen und -ferritin
- Haptoglobin und Hämopexin erniedrigt
Einem beschleunigten Abbau bzw. Zerfall von roten Blutkörperchen stehen kompensatorische Vorgänge gegenüber. Zu den Anzeichen dieser Kompensation gehören erhöhte Retikulozytenzahlen und die gesteigerte, leicht megaloblastische Erythropoese im Knochenmark. Eine Anämie tritt jedoch erst auf, wenn das Verhältnis zwischen Blutzerfall und gestörter Blutbildung so stark zugunsten der Hämolyse verschoben wird, dass eine Kompensation nicht mehr möglich ist.
Kompensationsmechanismen vedecken Hämolyse oft lang
Dr. Hermann Dietzfelbinger und Dr. Max Hubmann, hämato-onkologische Schwerpunktpraxis in Herrsching erläutern: Je nach Ursache unterteilt man hämolytische Anämien in korpuskulär und serogen bedingt. Zudem kommen toxische Ursachen, z.B. chemische und physikalische Noxen, in Betracht.
Als häufigste angeborene hämolytische Anämie gilt die Kugelzellenanämie, eine hereditäre Sphärozytose mit Defekten in der Wandstruktur der Erythrozyten. In Mitteleuropa wird die Prävalenz auf 1 : 5000 – 1 : 2500 geschätzt. Bereits im Kindesalter kann ein Gallensteinleiden auftreten.
Sphärozytose ist häufigste hämolytische Erkrankung in Europa
Charakteristisch sind außerdem Wachstumsstörungen mit „Turmschädel“, Konstitutionsanomalien mit grazilem Körperbau, Mikrophthalmie und Ulcera cruris. Labordiagnostisch finden sich typischerweise kleine Kugelzellen und eine erhöhte MCHC. Letzterer gilt als differentialdiagnostisches Kriterium gegenüber anderen hämolytischen Anämien.
Bei Patienten mit eher „leichtem“ Krankheitsbild reicht die Gabe von Folsäure aus. Als einzig wirksame Therapie bezeichnen die Experten – je nach klinischer Indikation – die Splenektomie. Der Eingriff sollte möglichst im Jugendalter erfolgen, um Entwicklungsstörungen zu vermeiden.
Splenektomie schützt vor Eisen-Ablagerung und Langzeitschäden
Auch angeborene Enzymdefekte müssen als Ursache von hämolytischen korpuskulären Anämien erwogen werden. Von enzymopenisch bedingten hämolytischen Anämien sind weltweit wahrscheinlich über 20 Millionen Menschen betroffen. Insbesondere bei zusätzlichen Stoffwechselbelastungen durch bestimmte Medikamente, Lebensmittel und Chemikalien halten die defizitären roten Blutkörperchen den physiologischen Anforderungen nicht mehr Schritt.
Klinische Folgen sind Anämie mit sogenannten Heinz-Innenkörperchen im Blutbild, Ikterus und Splenomegalie. Zwecks Prävention steht die Aufklärung der Patienten obenan: Auslösende Substanzen bzw. Lebensmittel (z.B. Favabohnen) sind zu meiden.
PNH betrifft vor allem junge Patienten
Als erworbene hämolytische Anämie ist die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) zu beachten. Klinisch präsentieren die meist jungen Betroffenen eine Trias aus hämolytischer Anämie, Thrombophilie und Zytopenie, wobei die Schweregrade stark variieren. Seit knapp zehn Jahren ist für symptomatische Patienten eine Langzeittherapie mit dem monoklonalen C5-Antikörper Eculizumab verfügbar. Diese Behandlung zielt darauf ab, die Komplement-vermittelte Zerstörung der Erythrozyten zu verhindern. Bei frühzeitiger Diagnose und adäquater Therapie haben die Patienten fast eine normale Lebenserwartung.
In Fällen unklarer Anämien sollte man im Praxisalltag generell auch an Thalassämien denken. Patienten mit der häufigsten Form, der β-Thalassämie, zeigen eine ausgeprägte hypochrome und mikrozytäre Anämie mit typischen Schießscheibenzellen im Blutbild. Die Patienten sind schwerkrank und lebenslang transfusionsbedürftig. Als Therapie der Wahl gilt die allogene Stammzelltransplantation.
Thalassämie-Patienten benötigen lebenslang Transfusionen
Sichelzellkrankheit Die häufigste und am weitesten verbreitete Hämoglobinopathie ist die Sichelzellkrankheit. Dabei stehen weniger Anämien, sondern vielmehr Gefäßverschlusskrisen im Vordergrund. So sind beispielsweise bei der homozygoten Sichelzellkrankheit ab dem Säuglingsalter Schmerzkrisen durch Gefäßverschlüsse möglich. Die allogene Stammzelltransplantation wird hier als einzig kurative Therapie angesehen. In Europa und den USA erreichen 85-90 % der Kinder mit Sichelzellkrankheit das Erwachsenenalter. Die Lebenserwartung beträgt im Schnitt 50 Jahre, so die Experten.
Auch gegen Erythrozyten-Antigene gerichtete Auto- oder Allo-Antikörper können eine Hämolyse verursachen. Derartige immunhämolytische Anämien (serogen) gehen auf die Aktivierung des Komplementsystems oder der zellulären Immunität zurück. Am häufigsten ist eine autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) durch inkomplette Wärme-Auto-Antikörper vom Typ IgG.
Hämolyse weist oft auf systhemische Erkrnakung hin
Etwa die Hälfte der Wärme-AIHA treten sekundär bei systemischem Lupus erythematodes (SLE), rheumatoider Arthritis, chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) oder medikamenteninduziert auf. Therapeutisch werden die Grunderkrankungen angegangen, außerdem Glukokortikoide eingesetzt und ggf. polyvalente Immunglobuline. Als „ultima ratio“ gilt die hochdosierte Cyclophosphamidgabe, ferner die Splenektomie.
Quelle: Hermann Dietzfelbinger und Max Hubmann, Dtsch Med Wochenschrift 2015; 140: 1302-1312; DOI: 10.1055/s-0041-103562
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