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Mit RNA-Interferenz und CRISPR/Cas die amyotrophe Lateralsklerose ausbremsen

Erst werden die Muskeln immer schwächer, es folgen schwere Behinderung und schließlich der Tod. Das ist der typische Verlauf der amyotrophen Lateralsklerose (ALS). Die Schädigung des ersten Motoneurons macht sich mit Spastiken und Hyperreflexie bemerkbar, die des zweiten mit Faszikulationen, Muskelschwäche und -atrophie, schreibt das Autorenteam um PD Dr. Agustina Lascano von den Universitätskliniken in Genf.
Meistens sind die distalen Muskeln und Extensoren schwerer und früher betroffen als proximale Muskeln und Flexoren. Die motorische Dysfunktion steht zwar im Vordergrund, die Hälfte der Betroffenen entwickelt aber im Verlauf auch kognitive Beeinträchtigungen. Bei 13 % kommt es zur frontotemporalen Demenz. Die Diagnose ALS wird auf Grundlage der neurologischen Störungen des ersten und zweiten Motoneurons nach Ausschluss anderer möglicher Ursachen gestellt. Die meisten Fälle treten sporadisch auf, etwa 10 % sind erblich bedingt.
Der ALS liegen ein veränderter Glutamatstoffwechsel, mitochondriale Dysfunktion, Neuroinflammation und Anomalien der Zytoskelettproteine zugrunde. Das klinische Bild ist sehr heterogen, was es schwierig macht, die Wirksamkeit der verschiedenen Therapieansätze zu beurteilen.
Mit Riluzol und Edaravon sind von der FDA zwei Wirkstoffe zugelassen, die auf unspezifische pathophysiologische Faktoren abzielen. Riluzol blockiert die Freisetzung von Glutamat aus den Motoneuronen und verlangsamt das Fortschreiten der Muskelschwäche. Edaravon ist ein Radikalfänger, der den oxidativen Stress und das Absterben der Motoneuronen hemmen soll. Beide Substanzen können das Fortschreiten der Erkrankung aber kaum aufhalten.
Oligonukleotide legen Proteinsynthese lahm
Deutlich Erfolg versprechender sind genetische Biotherapien. Am fortschrittlichsten ist die Behandlung mit Antisense-Oligonukleotiden (ASO). Die kurzen, synthetisch hergestellten Nukleinsäuren verknüpfen spezifische RNA-Sequenzen, um die Synthese anormaler Proteine zu unterbrechen. Das intrathekal verabreichte ASO Tofersen setzt am SODI1-Gen an. Das Autorenteam berichtet von ermutigenden Ergebnissen in Bezug auf motorische Funktion, Atmung und Lebensqualität. Zurzeit wird versucht, Betroffene mit SODI1-Mutationen bereits im präsymptomatischen Stadium zu behandeln. Zwei weitere Methoden, die RNA-Interferenz und die Genschere CRISPR/Cas, durchlaufen derzeit präklinische Studien.
Ein weiterer Ansatzpunkt bei ALS ist die Neuroinflammation. Vielversprechende Resultate in präklinischen Studien wurden mit dem oralen Tyrosinkinasehemmer Masitinib erzielt. In einer randomisierten klinischen Studie zeigte sich eine Verbesserung der Symptome, eine Verlängerung der Überlebenszeit und eine Verringerung des Sterberisikos um 47 % gegenüber Placebo. Auch Fasudil wird aufgrund seiner neuroprotektiven Wirkungen im Tiermodell in Studien getestet.
Eine Stammzelltherapie könnte ein weiterer möglicher Weg bei ALS sein. Dabei werden zwei Strategien verfolgt: Die Transplantation nicht-neuronaler Stammzellen soll gesunde Motoneuronen durch parakrine Mechanismen schützen oder neuronale Stammzellen sollen verlorene oder absterbende Motoneuronen ersetzen. Bisherige Studien zeigten nur vorübergehende Erfolge.
Letztlich könnte ein Kombinationsansatz mit AMX0035, bestehend aus Tauroursodeoxycholsäure und Natriumphenylbutyrat, Nervenzellen vor Zellstress schützen. In einer Phase-2/3-Studie konnte mit AMX0035 die Überlebenszeit bei ALS verbessert werden. Inzwischen hat die FDA das Therapeutikum als dritte Option bei ALS zugelassen.
Weitere Therapien sind zurzeit in der Entwicklung. Angesichts der Heterogenität des klinischen Bildes der Erkrankung wäre es nach Einschätzung des Autorenteams sinnvoll, neue Strategien für die Analyse und Durchführung klinischer Studien zu erproben.
Quelle: Lascano AM et al. Swiss Med Forum 2024: doi: 10.4414/smf.2024.1174071777
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