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Mit Treat-to-Target-Strategien zur Remission

Bewegungsunlust, Faulheit zu Kauen und morgendliche Anlaufschwierigkeiten sind im Kleinkindalter die klassischen Symptome bei den meisten Formen der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA). Nur die systemische JIA geht mit Fieber und manchmal auch juckendem Hautausschlag oder Lymphknotenvergrößerung einher. Schmerzen stehen bei Kindern nicht im Vordergrund, schreibt Dr. Ivan Foeldvari von der Schön Klinik Hamburg Eilbek. Diese machen sich in der Regel erst später in den Gelenken bemerkbar, wenn die Patienten dies benennen können. Jugendliche mit Arthritis klagen dann über Fersenschmerzen, Knacken im Kiefergelenk oder Schmerzen beim Kauen.
Nur frühe Remission kann Mobilität erhalten
Insgesamt unterscheidet man sieben Subtypen der JIA.
Die sieben Subtypen der juvenilen idiopathischen Arthritis
- juvenile oligoartikuläre Arthritis (oJIA): Bei dieser häufigsten Form der JIA sind weniger als fünf Gelenke im ersten halben Jahr der Erkrankung betroffen. Sie ist oft von einer anterioren weißen Uveitis begleitet (siehe Abb. 4). Bleibt es nach den ersten sechs Erkrankungsmonaten bei höchstens vier betroffenen Gelenken, spricht man von einer persistierenden oJIA, kommen weitere Gelenke hinzu, handelt es sich um eine erweiterte oJIA.
- systemische Arthritis (sJIA): Sie macht etwa 10 % der JIA aus. Typisch sind hohes Fieber und Arthritisbeschwerden, dazu mindestens eines der folgenden Symptome: flüchtiger Hautausschlag, generalisierte Lymphknotenvergrößerung, Hepato-/Splenomegalie oder Serositis.
- rheumafaktornegative Polyarthritis (pJIA): Die pJIA zeichnet sich durch Arthritis in mehr als vier Gelenken während des ersten halben Jahres der Erkrankung aus, der Rheumafaktor ist negativ. Bei etwa 5 % der Patienten mit Polyarthritis ist der Rheumafaktor positiv. Diese Form gilt als frühe Form der rheumatoiden Arthritis.
- juvenile Psoriasisarthitis (PsJIA): Sie liegt vor, wenn das Kind unter Arthritis leidet bei gleichzeitiger Schuppenflechte oder beim Vorhandensein zweier dieser Kriterien: Daktylitis, Nagelveränderungen oder Psoriasis bei Verwandtem 1. Grades.
- enthesitisassoziierte Arthritis (enthJIA): Bei dieser juvenilen Form der Spondylarthritis kommt es zusätzlich zur peripheren Arthritis zu Enthesitiden im Hüftbereich, Trochanter oder Achillessehnenansatz. Bei einigen Patienten greift die Erkrankung später auf Wirbelsäule und Iliosakralgelenk über. Typische extraartikuläre Manifestationen sind die schmerzhafte anteriore rote Uveitis und entzündliche Darmerkrankungen.
- andere Arthritis: Hierunter subsumiert man alle diejenigen Arthritiden im Kindes- und Jugendalter, die sich nicht in eine der genannten Subtypen einordnen lassen.
Es ist wichtig, die Diagnose so früh wie möglich zu stellen. Denn nur eine effektive Therapie in den ersten drei bis zwölf Monaten der Erkrankung kann eine Remission erreichen und die volle Mobilität erhalten, betont der Kinderrheumatologe. Die Krankheit ist damit nicht geheilt, sie befindet sich im Ruhezustand und muss – teilweise bis zum Lebensende – kontinuierlich therapiert werden.
Für Kinder und Jugendliche mit JIA stehen eine Reihe von Medikamenten zur Verfügung. Auf der untersten Stufe befinden sich NSAR, die bei milder oligoartikulärer JIA, aber auch bei oligoartikulärem Verlauf der enthesitisassoziierten Arthritis oder der Psoriasis-JIA eingesetzt werden.
Bei polyartikulärem Verlauf oder Nicht-Ansprechen auf NSAR kommen DMARD zum Einsatz. Methotrexat (MTX) ist beispielsweise ab zwei Jahren zugelassen, Sulfasalazin ab sechs. Inzwischen weiß man, dass die jungen Patienten auch gut auf bDMARD ansprechen. Je früher man diese einsetzt, desto größer ist die Chance auf eine inaktive Erkrankung nach zehn Jahren. Studien konnten zeigen, dass die Kombination von MTX und bDMARD besonders wirksam ist. Den Leitlinien zufolge ist die Gabe von Biologika allerdings erst nach Versagen von Methotrexat (nach mind. zwölf Wochen) oder Unverträglichkeit indiziert, betont Dr. Foeldvari.
Für einige Subtypen der JIA sind inzwischen Treat-to-Target-Strategien definiert. Die „Target“ Remission ist definiert als eine 50%ige Reduktion der Aktivität nach drei und eine inaktive Erkrankung nach sechs Monaten. Diese Idealziele müssen in der realen Behandlungswelt meist mit den Betroffenen und den Eltern individualisiert werden.
Im Fall einer poly- oder oligoartikulären JIA, die auf NSAR nicht anspricht, wird folgendes Vorgehen empfohlen: Bei fünf aktiven Gelenken steigt man mit einer Wochendosis von MTX 10–20 mg/m2 KOF, oral oder subkutan ein. Je nach Schwere der Erkrankung ist eine überbrückende systemische oder orale Glukokortikoidtherapie möglich. Bleibt nach drei Monaten ein ausreichendes Ansprechen aus, beginnt die Therapie mit einem Biologikum (z.B. Etanercept, Adalimumab, Tocilizumab oder Abatacept) oder tsDMARD (Tofacitinib). Viele der Substanzen sind ab zwei Jahren zugelassen. Führt dieses Vorgehen nach drei bis vier Monaten nicht zum Erfolg, wechselt man auf einen anderen Wirkmechanismus, d.h. ein anderes Biologikum bzw. tsDMARD.
Auch für die enthesitisassoziierte Arthritis gibt es ein aktuelles Therapieschema: Zunächst wird sowohl bei peripherer als auch bei axillärer Beteiligung ein NSAR empfohlen, gegebenenfalls mit intraartikulären Glukokortikoiden. Muss die Therapie intensiviert werden, sind bei rein peripherer Gelenkbeteiligung MTX oder Sulfasalazin angezeigt. Bei Nichtansprechen nach drei Monaten kommt ein TNF-Blocker ins Spiel. Bei axialer Beteiligung empfiehlt es sich, vom NSAR direkt auf den TNF-Blocker zu eskalieren. Bleibt der Erfolg weiterhin aus, sollte der TNF-Blocker gewechselt oder – off label – der IL-17-Antagonist Secukinumab erwogen werden.
Fehlt die Response, Wirkmechanismus wechseln
Ebenfalls mit NSAR und evtl. intraartikulären Glukokortikoiden beginnt die Therapie der Psoriasis-JIA. Bei Nichtansprechen kommen bei peripherer Gelenkbeteiligung MTX oder Sulfasalazin, in der nächsten Stufe der JAK-Inhibitor oder TNF-Blocker zum Einsatz. Ein axialer Befall erfordert bei Therapieresistenz auf NSAR gleich JAK-Inhibitor oder TNF-Blocker. Versagen diese, wird auf ein Präparat mit anderem Wirkmechanismus (anderes Biologikum, JAK-Inhibitor) gewechselt. Ultima Ratio in allen Fällen ist der Off-Label-Einsatz von IL-17-Antagonisten.
Unter einem Biologikum kommen etwa 60 bis 70 % der Patienten mit polyartikulärer JIA mit dem ersten Präparat zu einem guten Ansprechen. Bei 30 bis 40 % ist dafür ein Wechsel der Therapie erforderlich. Generell gehören zu jeder Behandlung Krankengymnastik und Ergotherapie, damit die Kinder ihre volle Beweglichkeit und Ausdauer im Alltag und beim Sport wiedererlangen.
Keine klaren Empfehlungen gibt es bisher für das Absetzen oder Reduzieren der DMARD. Prof. Foeldvari gibt diese je nach Schwere der Erkrankung bis zu 24 Monate nach Erreichen der Remission weiter. Nach zwölf Monaten Inaktivität versucht er, die Applikationsintervalle zu verlängern, nach 24 Monaten sie ganz abzusetzen.
Quelle: Foeldvari I. Hamburger Ärzteblatt 2022; 76: 12-16 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg.
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