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Nervige Schulterklemme
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Das Incisura-Scapulae-Syndrom wird durch einen neuronalen Engpass am N. suprascapularis ausgelöst. Einigen Autoren zufolge dürften 1–2 % aller Schulterbeschwerden Folge eines irritierten oder lädierten Schulterblattnervs sein. Anatomisch gibt es mit der suprascapulären und der spinogleoidalen Kerbe zwei besonders verletzungsanfällige Stellen.
Die Kompression kann aufgrund einer anatomischen Normvariante der Incisura scapulae oder wiederholter Mikrotraumen entstehen. Weitere mögliche Auslöser sind Verdickungen und Kalzifikationen des Lig. transversum scapulae superius, schreibt Schmerzmediziner Dr. Heinrich Binsfeld aus Drensteinfurt. Auch Schulterblattfrakturen, Hämatome und Tumoren kommen in Betracht.
Die chronischen Druckschäden verursachen zunächst tiefsitzende, aber unspezifische Schulter- und Rückenschmerzen, die sich beim Liegen auf der betroffenen Seite häufig verschlimmern. Eine maximale Führung des Arms zur kontralateralen Seite (aktiv oder passiv) verstärkt die Symptome. Häufig tritt der Schmerz bei Überkopftätigkeiten auf oder intensiviert sich unter Belastung. Später kann sich daraus ein konstanter Schmerzreiz entwickeln.
Als spezifisches diagnostisches Zeichen fällt vor allem bei länger andauernden Beschwerden eine Atrophie der Fossa infraspinata auf. Die aktive und passive Schulterbeweglichkeit bleibt meist unbeeinträchtigt. Provokationstests erleichtern den Nachweis des Engpasssyndroms, wobei einige Differenzialdiagnosen zu beachten sind (s. Kästen).
Differenzialdiagnosen
Vom Engpasssyndrom des N. supra-scapularis muss man einige andere Erkrankungen abgegrenzen:
- C5-Wurzel-Kompressionssyndrom
- Periarthritis humeroscapularis
- progressive Muskeldystrophie
- spinale Muskelatrophie mit Beteiligung des Schultergürtels
Mittels Elektromyografie des M. supraspinatus und M. infraspinatus lässt sich eine Denervierung bereits im Frühstadium erkennen – immer im Vergleich zur Gegenseite. Diagnostischer Goldstandard ist die MRT, sie erlaubt den Nachweis einer gering ausgeprägten Incisura scapulae und eventueller Raumforderungen.
Geben Elektromyografie oder -neurografie keine Hinweise auf supraskapuläre Schäden, kann bei fortbestehender Symptomatik die Applikation eines Lokalanästhetikums diagnostisch weiterhelfen. Man injiziert es fluoroskopisch oder sonografisch gesteuert in die Region des Nervs und beurteilt die Schmerzreduktion.
Patienten mit repetitiven Mikrotraumen werden bevorzugt konservativ behandelt, wobei es das Ziel ist, die Schultermuskulatur zu schonen. Auch NSAR, Training der glenohumeralen Beweglichkeit und Kräftigungsübungen eignen sich zur Therapie.
Provozierende Diagnostik
Derzeit stehen zwei Tests zur Provokation des N. suprascapularis zur Verfügung:
- supraskapularer Dehnungstest nach Lafosse: Man hält die schmerzhafte Schulter in Retraktion und führt parallel mit dem Patienten eine kontralaterale Rotation der Halswirbelsäule aus.
- Cross-Arm-Adduktionstest nach Plancher: Man führt den auf 90° reflektierten Arm der betroffenen Schulter in Hyperadduktion. Gleichzeitige Innenrotation verstärkt die Provokation.
Lösen die Manöver posterosuperiore Schmerzen aus, ist das Testergebnis im Sinne einer Nervenläsion positiv.
Arthroskopischer Eingriff entlastet den Nerv
Bei Paresen oder Atrophien ist die Dekompression des Nervs angezeigt. Operativ bietet sich die arthroskopische Dissektion des Lig. transversum mit nachfolgendender Entlastung in der Incisura scapulae an, ebenso eine Befreiung des distalen Nervenabschnitts durch Resektion des Lig. spinoglenoidale.
Die Prognose des neuronalen Engpasssymptoms ist günstig, sofern die Diagnose früh gestellt wird. Nach längerem Verlauf lässt sich die Muskulatur nicht mehr hinreichend reanimieren.
Quelle: Binsfeld H. Schmerzmed 2022; 38: 18-22; DOI: 10.1007/s00940-022-4017-9
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