Nicht nur bei Golfern

Dr. Anja Braunwarth

Golfer entwickeln vor allem beim Putten Dystonien. Eine veränderte Grifftechnik kann ihnen u.a. helfen. Golfer entwickeln vor allem beim Putten Dystonien. Eine veränderte Grifftechnik kann ihnen u.a. helfen. © iStock/PhotoTalk

Ist es die Überlastung oder stecken Traumata dahinter? Warum manche Sportler Dystonien entwickeln, ist nach wie vor unklar. Fest steht: Trotz Therapie erreichen viele nicht mehr ihr ursprüngliches Wettkampfniveau. 

Hinter einer Dystonie steckt eine abnormale sensomotorische Integration auf kortikaler Ebene durch eine Beeinträchtigung der zeitlichen und räumlichen Diskrimination, erklärte Prof. Dr. Iris Reuter von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Gießen. Außerdem mangelt es an einer Umgebungsinhibition und aktive Areale sind vergrößert. Zu Beginn einer Bewegung normalerweise nicht aktivierte Muskeln werden bei der Dystonie nicht gehemmt, es kommt zum „dystonic overflow“. Mikrostrukturell sieht man eine gestörte zerebro-thalamo-kortikale Konnektivität. 

Was den Startschuss zu diesen Veränderungen gibt, lässt sich nicht sicher sagen, infrage kommen u.a. Überlastung und Traumata. Dystonien können Athleten vieler verschiedener Disziplinen betreffen, Prof. Reuter nannte die Sportarten:

  • Golf
  • Tennis
  • Tischtennis
  • Cricket
  • Langstreckenlauf
  • Sprinten
  • Schießen
  • Radfahren (Bahn) 

Männer leiden häufiger unter der Bewegungsstörung als Frauen, meist setzen die Symptome zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr ein. Ein hoher Trainingsumfang, viele Trainingsjahre, monotone Bewegungsabläufe und eine extreme Spezialisierung erhöhen das Risiko. Sehr ehrgeizige Sportler erkranken eher, Angst wirkt verstärkend. 

Die Golf-Dystonie, auch als Yips bekannt, manifestiert sich bei 32–47 % der wettkampforientierten Sportler, und das vor allem beim Putten. Sie führt dazu, dass ihr Handicap steigt und sie z.B. bei leichter Beeinträchtigung etwa vier Schläge mehr benötigen. Beim Einlochen macht sich die Dystonie in drei Varianten bemerkbar:

  • Die Bewegung friert ein, die Muskeln ko-kontrahieren kurz.
  • Nach Beginn der Bewegung setzt eine Pronations-/Supinationsbewegung des Unterarms ein (Tremor).
  • Nach Beginn der Bewegung beob­achtet man eine kurze, schnelle Dorsalextension der Hand, selten sind es mehrere.

Bei Tennisspielern äußert sich die Störung durch eine gehemmte Schlagbewegung mit Ko-Kontraktion der Muskeln am Unterarm, oft verbunden mit Schmerzen. Meist passiert dies beim Aufschlagen oder dem Rückhandspiel. Als Differenzialdiagnose muss man an das Engpasssyndrom des N. interosseus posterior (Supinatorsyndrom) denken. Hierbei verstärkt die Supination die Schmerzen, die Hand kann nach radial abweichen. Häufig haben Patienten mit diesem Syndrom leichte Paresen in den langen Fingerstreckern, ein klarer Unterschied zur Dystonie, die nicht mit Nervenschädigungen einhergeht. 

Radfahrer, vor allem diejenigen auf dem Rennrad, können Dystonien im Zervikalbereich mit Seitdrehung des Kopfes und Einbeziehung der Schulter entwickeln. Oft kommt es gleichzeitig zu Myoklonie und Tremor. Bahnradfahrer erleiden die Bewegungsstörung eher am Fuß, erkärte Prof. Reuter. Es kommt zur Dorsalextension, vor allem beim Bergauffahren oder rascher Beschleunigung, das Pedalieren wird unrhythmisch. 

Sprinter können ein kurzes Freezing mit Ko-Kontraktion der Muskeln in zwei Bewegungsphasen erleben: wenn sie das hintere Bein strecken oder nach problemlosem Abdruck beim Nachvornebringen. Ihr Schritt wird zu kurz, im schlimmsten Fall knicken sie kurz im Kniegelenk weg. 

Auch bei Langstreckenläufern gibt es zwei Varianten von Dystonien:  eine Innenrotation des Beines mit Fußsupination oder ein Überstrecken des Knies mit Plantarflexion des Fußes. Bahnläufer erwischt es für gewöhnlich bei hoher Geschwindigkeit und zu 80 % immer am gleichen Bein. 

Straßenläufer, insbesondere leistungsorientierte Breitensportler mit sitzendem Laufstil, ereilt die Störung häufiger während des Abdrucks vom Boden. Läufer können fast immer durch Rückwärtslaufen das Geschehen durchbrechen. 

Klagt ein Sportler über entsprechende Beschwerden, sind orthopädische und neurologische Untersuchungen zum Ausschluss struktureller Schäden nötig. Gerade bei Jüngeren müssen auch metabolische und genetische Ursachen ausgeschlossen werden, sagte Prof. Reuter. Zur weiteren Abklärung gehört die Analyse des Bewegungsablaufs, am besten in Videoaufnahmen, um die immer gleichen, nicht beeinflussbaren Bewegungspathologien zu erfassen. Zu Anfang der Erkrankung oder bei leichter Ausprägung lassen sie sich aber nicht zuverlässig auslösen. 

Wichtig ist, zwischen primärer Störung und einer Kompensation zu unterscheiden. Eine Flexion der Hand deutet z.B. auf eine primäre Störung hin, während ein adduzierter Arm, ein Klammergriff von Zeigefinger und Daumen oder eine Faustbildung für eine Kompensation sprechen. 

Was die Behandlung einer Dystonie angeht, empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit von Physio-, Ergo- und Sporttherapeuten sowie den Trainern und gerne auch Psychologen. Meist steht das Verändern von Bewegungsmustern im Vordergrund. Golfspieler variieren am bes­ten ihre Grifftechnik und schlagen einhändig. Eventuell hilft ein Wechsel des Balls. Für sie und auch für Tennisspieler ist es zudem bedeutsam, genug Abstand zwischen den Händen zu halten, sonst wird die Bewegung wie die einer Hand verarbeitet. Die Konzentration sollte sich aufs Ziel richten, nicht auf die Ausführung. Eine vermehrte Introspektion gilt es zu vermeiden, sie verschlimmert höchstens das Problem. Da Dystonien auf die andere Seite überspringen können, bietet das Umlernen auf die andere Extremität keinen praktikablen Ausweg. 

Läufern und Radfahrern nützt es oft, Tempo oder Kilometerumfang zu reduzieren. Einlagen und Kompressionsstrümpfe können afferenten Input liefern. 

Nicht selten droht das Ende der Karriere

Medikamentös kommen bei fokalen Dystonien Injektionen von Botulinumtoxin infrage, oral Anticholinergika und Tetrabenazin. Bei segmentaler bzw. multifokaler Dystonie kommen in der oralen Pharmakotherapie neben den beiden bereits genannten Medikamenten Levodopa, Baclofen, Benzodiazepine und Dopadepletoren in Betracht. Botulinumtoxin A eignet sich in diesem Kontext wiederum nur zur Therapie fokaler Symptome. Als invasive Maßnahmen sind die tiefe Hirnstimulation und ggfs. eine OP (Thalamotomie, Pallidotomie) zu diskutieren.

Häufig erreichen Betroffene trotz bestmöglicher Therapie nicht mehr die Wettkampfleistung wie vor dem Auftreten der Dystonie. Für viele bedeutet sie das Karriereende. Umso wichtiger ist die Prävention 
(s. Kasten). Wenn doch wieder eingestiegen werden kann, dann möglichst „unter Niveau“, sagte Prof, Reuter. Eine maximale Ausbelastung sollte erst erfolgen, wenn die Dystonie im Training kontrolliert ist.

Prävention ist das A und O

Folgende Maßnahmen tragen dazu bei, einer Sportlerdystonie vorzubeugen: 

  • Training vielseitig gestalten
  • Techniktraining
  • Trainingsumfang/-tempo erst steigern, wenn die technischen und athletischen Voraussetzungen gegeben sind
  • zu hohen Erwartungsdruck vermeiden
  • lernen, mit Versagensängsten umzugehen
  • Verletzungen komplett auskurieren

Quelle: Deutscher Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen 2022 

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Golfer entwickeln vor allem beim Putten Dystonien. Eine veränderte Grifftechnik kann ihnen u.a. helfen. Golfer entwickeln vor allem beim Putten Dystonien. Eine veränderte Grifftechnik kann ihnen u.a. helfen. © iStock/PhotoTalk