Nicht nur draußen, sondern auch drinnen maßgefertigte Schuhe tragen

Dr. Judith Lorenz

Barfußgehen ist bei Ulkus-Risiko nicht zu 
empfehlen. Daher sollte dann auch in Innenräumen maßgefertigtes Schuhwerk getragen werden. Barfußgehen ist bei Ulkus-Risiko nicht zu empfehlen. Daher sollte dann auch in Innenräumen maßgefertigtes Schuhwerk getragen werden. © New Africa

Ein zentrales Ziel bei der Betreuung von Menschen mit Diabetes ist die Prävention von Fußulzera. Hier­bei können unter anderem maßgefertigte Schuhe helfen, die besonders gefährdete Fußregionen entlasten. Allerdings tragen viele Betroffene diese Schuhe nicht in Innenräumen. Speziell für diesen Zweck angefertigte Hausschuhe machen es ihnen leichter, auch drinnen druckentlastendes Schuhwerk zu tragen. 

Etwa 30 % der Menschen mit Diabetes entwickeln im Krankheitsverlauf mindestens einmal ein diabetisches Fußulkus, berichtet Dr. Renske Keukenkamp von der Universität Amsterdam. Das Rezidivrisiko ist dabei hoch: Nach der Abheilung muss innerhalb eines Jahres in 40 % und innerhalb von drei Jahren in 60 % der Fälle mit einem erneuten Ulkus gerechnet werden. 

Zur Vorbeugung gegen Fußulzera empfehlen die internationalen Leitlinien bei mäßigem bis hohem Ulkusrisiko individuell angepasstes Schuhwerk (siehe Kasten). Um die Füße wirkungsvoll entlasten zu können, müssen die Schuhe allerdings auch regelmäßig getragen werden, sagt die Forscherin. Allerdings tragen viele Risikopersonen dennoch auch Konfektionsschuhe oder laufen barfuß bzw. in Socken – ein optimaler Schutz der empfindlichen Füße ist somit nicht gewährleistet. Dies trifft insbesondere auf die Wahl des Schuhwerks in Innenräumen zu, wo immerhin rund 60 % der Schritte des gesamten Tages gegangen werden. 

Sind maßgefertigte Hausschuhe eine gute Motivation?

Nun prüften die Wissenschaft­ler*innen im Rahmen einer prospektiven Interventionsstudie, an der sich drei multidisziplinäre Fußambulanzen beteiligten, ob die Betroffenen durch maßgefertigte Hausschuhe besser dazu zu motivieren sind, auch in Innenräumen optimales Schuhwerk zu tragen. An der Untersuchung nahmen 31 Menschen mit einem Typ-1- oder Typ-2-Diabetes (42 % Frauen, Durchschnittsalter 69 Jahre) und mäßigem oder hohem Fußulkus-Risiko teil. Ein vorbestehendes Ulkus, ein Charcot-Fuß, eine vorangegangene Amputation oberhalb des Tarsometatarsalgelenks sowie mangelnde Gehfähigkeit stellten Ausschlusskriterien dar. Alle verfügten bereits über maßgefertigte Straßenschuhe und erhielten nun zusätzlich maßgefertigte, knöchelhohe, biomechanisch entlastende, leichte Indoor-Schuhe, die mittels Klett- und Reißverschluss zu schließen waren. 

Vor sowie einen und zwölf Monate nach der Hausschuhversorgung prüften die Forschenden mithilfe eines am Knöchel getragenen Schrittzählers sowie Temperatursensoren in den Schuhen, wie konsequent die Straßen- und die Hausschuhe getragen wurden. Als „geringe Trageadhärenz“ werteten sie es, wenn < 80 % der Schritte mit den maßgefertigten Schuhen gegangen wurden. Zusätzlich objektivierten sie mithilfe von Drucksensoren die beim Gehen in den Schuhen auftretenden plantaren Spitzendrücke. Nach drei Monaten befragten sie die Studienteilnehmenden zur Benutzerfreundlichkeit der Indoor-Schuhe sowie zu ihrer Zufriedenheit mit der Schuhversorgung.

Schutz für empfindliche Füße

In ihren evidenzbasierten Leitlinien empfiehlt die International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) ein risikoadaptiertes Vorgehen. Es sieht für alle Menschen mit Diabetes die Anleitung zur Selbstinspektion der Füße und Aufklärung über erste Anzeichen eines Ulkus vor. Bei geringem Ulkusrisiko sollte ein jährliches Screening auf PAVK und den Verlust des Berührungs- und Schmerzempfindens stattfinden. Bei Personen mit höherem Risiko sollten auch weitere Risikofaktoren regelmäßig abgeklärt werden. Liegt ein mäßiges oder hohes Risiko und/oder eine PAVK vor, werden u.a. das Monitoring der Hauttemperatur an den Füßen und das Tragen therapeutischer Spezialschuhe empfohlen, die den plantaren Druck reduzieren.

Literatur:
IWGDF 2019 update. Diabetes Metab Res Rev 2020 Mar; 36 Suppl 1: e3269; doi: 10.1002/dmrr.3269

Vor Studienbeginn gingen 23 der 31 Personen < 80 % ihrer Schritte in Innenräumen mit ihren maßgefertigten Schuhen. Dieser Anteil nahm in dieser Gruppe signifikant zu: Von initial 65 % auf 77 % nach einem und auf 87 % nach 12 Monaten. Dies lag im Wesentlichen daran, dass die Spezialschuhe vermehrt auch drinnen getragen wurden: Der Wert kletterte von initial 48 % auf 71 % bzw. 77 %.

Außerhalb der eigenen Wohnung hatten die Teilnehmenden bereits ganz überwiegend ihre Spezialschuhe getragen (94 %). Dieser Wert verbesserte sich im Studienverlauf marginal auf 98 % bzw. 99 %. Teilnehmende mit initial bereits hoher Indoor-Tragefrequenz behielten dieses Trageverhalten auch während der Interventionsphase bei. Die Auswertung der plantaren Druckmessungen zeigte in den Hausschuhen ähnlich hohe Spitzendrücke wie in den Straßenschuhen

Die Empfehlung bei hohem Risiko: individuelle Hausschuhe 

Ein Jahr nach Studienbeginn hielt die überwiegende Mehrzahl der Befragten die maßgefertigten Hausschuhe für nützlich, 79 % zeigten sich mit den Schuhen zufrieden, 68 % sahen ihre Erwartungen als erfüllt an. Allerdings empfanden nur 43 % das Design als ansprechend. Acht Personen (26 %) entwickelten während der Studienphase ein Rezidivulkus. Angesichts dieser Studienergebnisse empfehlen die Forschenden, Menschen mit hohem Risiko für ein dia­betisches Fußulkus nicht nur mit maßgefertigten Straßenschuhen, sondern zusätzlich auch mit individuell angepassten Indoor-Schuhen auszustatten. Wie effektiv diese Strategie Rezidivulzera vorbeugt, müssen nun weitere Studien zeigen, meinen sie.

Literatur:
Keukenkamp R et al. BMJ Open Diabetes Res Care 2022; 10 (1): e002593; doi: 10.1136/bmjdrc-2021-002593 

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Barfußgehen ist bei Ulkus-Risiko nicht zu 
empfehlen. Daher sollte dann auch in Innenräumen maßgefertigtes Schuhwerk getragen werden. Barfußgehen ist bei Ulkus-Risiko nicht zu empfehlen. Daher sollte dann auch in Innenräumen maßgefertigtes Schuhwerk getragen werden. © New Africa