Physikalische Verfahren und neue Implantate stehen in den Startlöchern

diatec journal Dr. Andreas Thomas, Prof. Dr. Lutz Heinemann

Noch misst sie nicht genau genug, doch
langfristig hat die K'Watch das Potenzial
zur weniger invasiven Alternative. Noch misst sie nicht genau genug, doch langfristig hat die K'Watch das Potenzial zur weniger invasiven Alternative. © PKvitality

Der Wunsch von Menschen mit Diabetes, ihren Glukosespiegel kontinuierlich im Blick behalten zu können, hat sich längst erfüllt. Doch trotz der stürmischen Entwicklung, die in den vergangenen Jahrzehnten auf dem Gebiet der Glukosemessung stattgefunden hat, gibt es noch weiteres Entwicklungspotenzial.

Nicht-invasive Glukosemessung

Wer nicht nur das Fingerstechen bei der Blutzuckermessung, sondern auch den Piks beim Setzen eines Sensors scheut, setzt Hoffnung auf die nicht-invasive Glukosemessung, die bisher nicht im Alltag von Menschen mit Dia­betes angekommen ist. Werkskali­brierte Glukosesensoren kommen dem Wunsch zwar bereits nahe, weil auf die bei der Blutglukosemessung notwendige Selbstverletzung weitestgehend verzichtet werden kann. Doch auch wenn eine Insertion der Sensoren in das Unterhautfettgewebe nur alle 7–14 Tage stattfindet, sind sie zumindest noch minimalinvasiv

Eine nicht-invasive Glukosemessung hingegen beruht in der Regel auf einer physikalischen Methode, also z. B. der Messung der Absorption, der Streuung oder der Fluoreszenz von Licht oder auch der Messung von Effekten, die nach Anregung von Molekülen und deren nachfolgender Abregung auftreten (z. B. fotoakustische Spektroskopie). Der große Vorteil solcher Methoden besteht darin, dass sie einerseits nicht-invasiv sind und andererseits keinerlei Verbrauchsmaterial benötigen. Die Messung ist beliebig oft durchführbar, ob nun punktuell oder kontinuierlich gemessen wird. 

Aber es haben sich bisher keine marktreifen Produkte durchsetzen können. Entsprechend war auch beim ATTD nur ein Beitrag von Muhammad Qureshi et al. (Abstract LB019) zu diesem Thema zu finden. Dabei handelte es sich um das tragbare System der britischen Firma Afon Technology. Die Messung beruht auf der Analyse von Resonanzverschiebungen in einem Mikrowellenspektrum aufgrund eines anregenden Signals. 

Zur Evaluierung der Messgenauigkeit trugen fünf Probanden (drei ohne, zwei mit Typ-2-Diabetes) das Gerät unter nicht-kontrollierten, nicht-klinischen Bedingungen über jeweils acht Stunden am Handgelenk. Das Experiment wurde an vier Tagen wiederholt. Die Probanden nahmen während des Tests (nach vier Stunden) eine Standardmahlzeit zu sich. Ermittelt wurde die mittlere absolute relative Differenz (MARD) gegenüber dem Referenzgerät FreeStyle Libre, einem „konventionellen“ CGM-System. Bei den Probanden ohne Diabetes betrug die MARD über vier Tage 12,2 %, allerdings unter Verwendung einer retrospektiven Kalibrierung. Im Prinzip zeigte sich, dass eine nicht-invasive Messung mit diesem Gerät möglich ist, ein Einsatz unter klinischen Bedingungen im Alltag damit aber noch nicht gegeben ist.

Neue implantierbare Glukosesensoren

Ein implantierbarer Glukosesensor, der auf der physikalischen Methode der Fluoreszenz beruht, ist mit dem Eversense der Firma Senseonics bereits seit mehreren Jahren verfügbar. Derzeit wird die CE-Kennzeichnung des Eversense E3 erwartet, bei welchem das Blutzuckermessgerät Ascensia Contour für die Kalibrierungen angekoppelt wurde (Francine Kaufman; Industriesymposium Ascensia; 29.04.22). Das vereinfacht diesen Prozess. Auch soll künftig eine Verbindung zu Insulinpumpen möglich sein, sodass der Eversense Bestandteil einer sensorgestützten Pumpentherapie (SuP) und bei AID-Systemen werden kann. Darüber hinaus soll es mit dem Eversense „Rome“ künftig auch einen werkskalibrierten Sensor geben, bei dem sich die Zahl der Kalibrierungen minimieren lässt. Zudem soll er ein Jahr im Gewebe verbleiben können (beim aktuellen Modell sind es maximal 180 Tage).

Julia Mader stellte ein weiteres implantierbares System vor, welches von der amerikanischen Firma Profusa entwickelt wird (Abstract EP155). Hierbei wird ein kleines (5,0 x 0,75 x 0,65 mm) glukoseempfindliches Hydrogel dauerhaft subkutan implantiert und misst kontinuierlich den Glukosespiegel. Das Hydrogel enthält fluoreszierende Moleküle, die ein zur Glukosekonzentration proportionales NIR-Lichtsignal (nahes Infrarot) erzeugen, wenn sie optisch angeregt werden. Diese Stimulation erfolgt über LED von einem über dem Hydrogel auf der Haut platzierten Gerät aus, welches auch drahtlos mit einem Tablet kommuniziert. 

Zur klinischen Bewertung des Sensors wurden 16 insulinpflichtige Probanden während fünf jeweils achtstündiger Klinikaufenthalte über einen Zeitraum von drei Monaten untersucht. Sieben der Probanden waren weiblich, das durchschnittliche Alter lag bei 43 (20–72) Jahren, der BMI lag im Schnitt bei 26 (19,7–40,3) kg/m². Die Probanden nahmen während ihrer Klinikaufenthalte eine kohlenhydratreiche Mahlzeit zu sich und führten venöse Blutglukosemessungen durch (Referenzgerät: Super GL).

Die Leistung des Sensors wurde anhand der FDA-Kriterien für ein inter­operables CGM (iCGM) bewertet. Aus den 2.156 gepaarten Glukosewerten ergab sich eine durchschnittliche mittlere absolute relative Differenz (MARD) von 13,4 % über eine Monitoringperiode von 6 bis 91 Tagen. Das langzeitlich implantierte System weist damit ein gewisses Zukunftspotenzial auf, wobei weitere Untersuchungen auch zur Langzeitstabilität und -sicherheit notwendig sind.

Weitere Glukosesensoren

Bei den aktuell verfügbaren, minimal-invasiven CGM-Systemen hat sich die enzymatische, elektrochemische Glukosemessung bewährt. Dazu gibt es aktuell zahlreiche Entwicklungen von kleineren und mittleren Firmen und Instituten. Die Ergebnisse mit dem Cascade CGM der Firma WaveForm Technologies (Wilsonville, USA) präsentierte Mihailo Rebec (Abstract OP024). Dabei ging es u.a. um die schnelle Einsatzbereitschaft eines gerade gesetzten Sensors und der zuverlässigen Messung am ersten Tag. Dazu wird die Elektrodenspannung moduliert.

Getestet wurde diese „Aufwärmphase“ an einem nicht-diabetischen Tiermodell (Yukatan-Minischweine) und bei Menschen, jeweils mit mehreren Sensoren. Nach ca. drei Stunden wurde der Glukosespiegel durch Infusion von mit 20 % Traubenzucker angereicherter Kochsalzlösung erhöht. Über die gesamte Experimentierzeit von vier Stunden hinweg wurden alle zehn Minuten Blutglukoseproben entnommen. Es zeigte sich, dass die MARD gegenüber Glukosesensoren ohne Spannungsmodulation deutlich verbessert wurde (11,7 % vs. 19,5 %; p < 0,05). Die Ergebnisse des Tiermodells bestätigten sich auch bei menschlichen Probanden. Insgesamt zeigt sich, dass bei der Entwicklung von Glukosesensoren bekannter Bauart eine Vielzahl von Problemen zu lösen ist, um die Messperformance bestehender Systeme (z.B. von Dexcom, Abbott oder Medtronic) zu erreichen. 

Ansatz mit Mikronadelpads

Im Gegensatz zu den auch als Nadelsensoren bekannten kommerziellen CGM-Systemen setzt die französische Firma PKvitality auf ein Mikronadelpad. Diese sehr kurzen, in einem Pflasterpad integrierten Mikronadeln dringen praktisch schmerzfrei nur Zehntelmillimeter in die Haut ein. Sie nehmen dort interstitielle Flüssigkeit aus dem Unterhautfettgewebe auf und führen diese dem Pflaster zu. In diesem wiederum befindet sich Glukoseoxidase, mit deren Hilfe die Glukose umgewandelt wird. Dieses hypoallergene Klebepflaster (K‘apsul) wird auf der Unterseite einer Uhr und der Haut fixiert und lässt sich sieben Tage lang tragen. Das als K‘Watch bezeichnete CGM wurde mit Blutglukosemessgeräten und kommerziellen CGM-Systemen verglichen (Timothy Bailey et al., Abstract R007). Die Abweichungen dazu liegen bei 18 % und bedürfen damit weiterer Optimierung. Die K‘Watch hat aber das Potenzial, eine weniger invasive und gut verträgliche Alternative zu Blutglukosemessungen und minimal-invasiven CGM zu sein. 

Kongressbericht: ATTD 2022

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Noch misst sie nicht genau genug, doch
langfristig hat die K'Watch das Potenzial
zur weniger invasiven Alternative. Noch misst sie nicht genau genug, doch langfristig hat die K'Watch das Potenzial zur weniger invasiven Alternative. © PKvitality