Pokémon-Go für COPD-Patienten: Apps könnten zu mehr Aktivität ermuntern

Manuela Arand

Apps könnten in Zukunft die Therapie von COPD-Patienten begleiten und ihnen zu mehr Bewegung verhelfen. Apps könnten in Zukunft die Therapie von COPD-Patienten begleiten und ihnen zu mehr Bewegung verhelfen. © iStock.com/BraunS

Für COPD-Kranke wird jede moderate bis schwere Exazerbation zur Zäsur: Sie hinterlässt die schon zuvor inaktiven Patienten noch bewegungsärmer. Eine Reha hilft zwar, aber nicht auf Dauer.

Kollegen aus Belgien und Spanien untersuchten, wie sich moderate und schwere Exazerbationen auf das Aktivitätsmuster von 141 COPD-Patienten mit mäßig eingeschränkter Lungenfunktion (FEV1 59 % vom Soll) auswirken.¹ Als moderat galt eine Exazerbation, die Antibiotika oder orale Kortikosteroide erforderte, schwere Ex­azerbationen machten die stationäre Behandlung nötig.

Das Ergebnis spricht Bände: Nach einer schweren oder zwei moderaten Exazerbationen nahm die tägliche Schrittzahl der Kranken binnen eines Jahres um 700–750 ab. Das unterstreicht die Notwendigkeit, Patienten nach Exazerbation eine Rehamaßnahme zukommen zu lassen, betonte Professor Dr. Klaus Kenn, Universität Marburg. Allerdings seien die Vorwürfe, dass die Effekte der Rehamaßnahmen schnell verpuffen, sobald der Patient wieder heimkehrt, berechtigt.

Angst vor Atemnot macht atemlos

COPD-Patienten vermeiden körperliche Aktivität aus Angst, keine Luft zu bekommen. Dabei induziert bereits die Furcht vor der Dyspnoe Atemnot, wie deutsche Forscher in funktionellen MRT-Untersuchungen nachweisen konnten. Bei COPD-Patienten werden dieselben Hirnareale aktiv wie bei Gesunden, wenn sie tatsächlich kurzatmig werden, auch das Ausmaß der Aktivierung ist vergleichbar. Die Antizipation von Atemnot, ausgelöst durch einen zuvor programmierten visuellen Stimulus, führt bei den Kranken jedoch zu einer wesentlich stärkeren Aktivierung in Hippocampus und Amygdala. Für Prof. Kenn lassen sich daraus wichtige Schlüsse für den Alltag ziehen. COPD-Kranken verschlägt es leicht den Atem, wenn sie etwas schnell erledigen oder rasch von hier nach dort gelangen sollen. Er fordert daher, mit den Patienten über ihre Angst vor der Atemnot zu sprechen und zu versuchen, ihnen Wege zu zeigen, wie sie diese Angst abbauen können, ohne deshalb die Aktivität an sich zu vermeiden.

Intensivbetreuung im Alltag nicht zu leisten

Italienische Kollegen versuchten, die Rehawirkung zu erhalten, indem sie Patienten nach einer achtwöchigen stationären Maßnahme drei Jahre lang ein supervidiertes Training absolvieren ließen (dreimal/Woche für zwei Stunden) und zudem alle zwei Wochen anriefen.² Dies hatte zwar den Effekt, dass der BODE-Index relativ stabil und besser als bei der Kontrollgruppe blieb – Gleiches galt im Hinblick auf den Sechsminutengehtest. Aber wer kann im Alltag den Aufwand leisten?, hinterfragte Prof. Kenn. Ob eine App in der Lage ist, smartphoneaffine Patienten bei der Stange zu halten, prüfte eine belgische Arbeitsgruppe.³ Sie versah die Interventionsgruppe außerdem mit Schrittzählern, Anleitungen fürs Heimtraining und wetteradaptierten Aktivitätsvorschlägen – „ein Riesenaufwand“.

Ampeln als Aktivitätsbremse

Fußgängerampeln sind für die meisten COPD-Patienten ein kaum zu überwindendes Hindernis. Um sie während der Grünphase zu überqueren, ist nämlich eine Gehgeschwindigkeit von 1,2 m pro Sekunde nötig. Und die schaffen nur 10 % der Erkrankten, wie eine Untersuchung an knapp 1000 Patienten ergab. Diese waren nicht einmal extrem kurzatmig, die mittlere FEV1 lag bei knapp 50 % vom Soll. Ampeln sind eine Aktivitätsbremse im Alltag, betonte Prof. Kenn. „90 % unserer Patienten wissen schon vorher, dass sie nicht bei Grün auf der anderen Seite ankommen werden.“ Eine Anfrage beim Bundesverkehrsministerium sei mit dem Tipp beantwortet worden, das Überqueren an Ampeln solle doch einfach trainiert werden.

Im Schnitt 13,5 Meter mehr gelaufen

Tatsächlich erhöhte die Intervention die Wahrscheinlichkeit für 1000 Schritte mehr pro Tag um das 4,4-Fache – aber im Schnitt legten die Patienten täglich gerade mal 13,5 m mehr zurück als die Kontrollen. Dabei fiel auf, dass vor allem jene profitiert hatten, die vorher schon relativ fit und aktiv gewesen waren. „Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir in der Trainingstherapie sehen: Da profitieren die am meisten, die besonders krank sind“, sagte Prof. Kenn. Trotzdem glaubt er an die Zukunft von Apps für diese Patienten: „Pokémon-Go für COPD-Kranke könnte vielleicht helfen.“ Solche Apps gibt es zwar noch nicht, aber sie sind in Arbeit.

Quellen:
15. Pneumologie-Update-Seminar
¹ Demeyer H et al. Eur Respir J 2018; 51: pii: 1702110
² Güell MR et al. Am J Respir Crit Care Med 2017; 195: 622-629
³ Demeyer H et al. Thorax 2017; 72: 415-423

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Apps könnten in Zukunft die Therapie von COPD-Patienten begleiten und ihnen zu mehr Bewegung verhelfen. Apps könnten in Zukunft die Therapie von COPD-Patienten begleiten und ihnen zu mehr Bewegung verhelfen. © iStock.com/BraunS