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Cartoon Gesundheitspolitik
Preisexplosion bei Carmustin beunruhigt die Fachgesellschaften

Bereits 2015 hatte die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO) auf das Problem steigender Preise bei Carmustin (Bis-Chlorethyl-Nitroso-Urea, kurz BCNU) aufmerksam gemacht.
Der Arzneistoff wird nach Angaben der DGHO seit mehr als 40 Jahren in der Behandlung von bösartigen Tumoren eingesetzt und ist inzwischen fester und unersetzbarer Bestandteil bei der Vorbereitung von Patienten zur Blutstammzelltransplantation. Zur Anwendung kommt Carmustin jährlich bei ungefähr 500 Kindern und Erwachsenen mit aggressivem Lymphknotenkrebs.
Es gibt nur noch einen Hersteller weltweit
Begonnen hat der enorme Preisanstieg 2013, als der frühere Patentinhaber Bristol-Myers Squibb die Lizenz für Carmustin an Emcure Pharmaceuticals, einer der führenden indischen Pharmahersteller und inzwischen einziger Hersteller von BCNU, abgab. Es folgten zudem Lieferantenwechsel.
Nach Angaben von Professor Dr. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO, kosteten 100 mg des Wirkstoffs Carmustin 2012 etwa 35 Euro, heute sind es 1400 Euro. „In einem der Standardregime für die Stammzelltransplantation erhält der Patient etwa 600 mg pro Tag (berechnet nach Körperoberfläche), das sind dann 8400 Euro in einer einzigen Infusion eines nicht-patentgeschützten Präparates“, so der Hämatologe und internistische Onkologe von der Berliner Charité.
BCNU verdeutlicht für ihn mehrere Probleme:
- Kein Schutz im Krankenhaus vor sehr kurzfristigen, massiven Preissteigerungen, denn im stationären Bereich gibt es kein Memorandum und keine Fristen
- Keine Planungs- und Liefersicherheit bei „alten“ unverzichtbaren Arzneimitteln
- Abhängigkeit von einem einzigen Hersteller weltweit
Die DGHO ist wegen der hohen Kosten alarmiert: „Tumorkliniken und die betroffenen Krebspatienten sind dieser monopolistischen Preisgestaltung hilflos ausgeliefert.“ Sie bedeute für die Kliniken eine dramatische finanzielle Mehrbelastung, die im aktuellen Vergütungssystem nicht ausgeglichen werde. Autologe Blutstammzelltransplantationen mit Carmustin können somit nicht mehr kostendeckend durchgeführt werden. Jede einzelne Transplantation führe zu einem Verlust von mehreren Tausend Euro für die transplantierende Klinik.
Professor Dr. Nicolaus Kröger, Sprecher der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark-und Blutstammzelltransplantation, unterstützt die Kritik: „Für Medikamente dieser Art muss eine dynamische Refinanzierung ins Vergütungssystem implementiert werden.“
Die Arbeitsgemeinschaft Zelltherapie der Deutschen Lymphom-Allianz und die Patientenorganisation Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe fordern von der Politik auch „Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung mit unverzichtbaren Krebsmedikamenten auf nationaler und auf europäischer Ebene“.
Professor Dr. Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, verweist darauf, dass insbesondere die Monopolisierung in der Herstellung von Arzneimitteln mit abgelaufenem Patentschutz zu einer hohen Abhängigkeit führt: „Hier müssen wir gemeinsam mit der Politik dafür sorgen, dass eine Balance zwischen einem auskömmlichen Mindestpreis und dem Schutz vor unkalkulierbaren Preisexplosionen gefunden wird.“ Einerseits müsse es sich lohnen, Medikamente sicher und in hoher Qualität herzustellen, andererseits dürften nach Patentablauf Herstellungsmonopole nicht zulasten solidarischer Gesundheitssysteme und zulasten von Krebspatienten missbraucht werden.
Prof. Hallek hofft auf eine Lösung im Rahmen des beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte stattfindenden „Jour fixe zu Liefer- und Versorgungsengpässen“. Wissenschaftliche Fachgesellschaften sitzen hier mit am Tisch.
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