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Primärinfektionen treten immer häufiger im Erwachsenenalter auf
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HSV-1 macht sich vor allem mit oropharyngealen Infektionen bemerkbar. Das Virus treibt aber zunehmend auch im Genitalbereich sein Unwesen und gewinnt als sexuell übertragbare Erkrankung an Bedeutung, schreibt Dr. Mario Hönemann vom Institut für Virologie an der Universität Leipzig. Die Seroprävalenz bei Erwachsenen liegt zwischen 75 % und 95 %. Bei Kindern und Jugendlichen ist sie in letzter Zeit deutlich gesunken. Dies führt zu einer höheren Rate an späten Erstinfektionen mit potenziell schweren Krankheitsverläufen, warnt der Virologe.
Die HSV-1-Erstinfektion verläuft in 80 % der Fälle ohne Symptome. Kinder entwickeln mitunter eine Gingivostomatitis – bei Erwachsenen kann es zu einer schweren Pharyngitis mit schmerzhaften Ulzerationen kommen. Auch Fieber, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen und eine zervikale Lymphadenopathie sind möglich.
Besonders gefürchtet ist die Herpesvirus-Infektion bei Patienten mit atopischem Ekzem, da sie sich hier als Ekzema herpeticatum rasch auf ein großes Hautareal ausbreiten kann. Eine zusätzlich bestehende Immunsuppression verstärkt die Gefahr. Und bei einer Primärinfektion während der Geburt drohen schwere systemische Infektionen des Neugeborenen. Die häufigste Form der symptomatischen Reaktivierung ist bei HSV-1 der Herpes labialis. Dieser betrifft etwa 40 % der Infizierten.
Bei HSV-Ösophagitis Immundefekt ausschließen
HSV-2 verursacht vor allem genitale und rektale Infektionen, die Seroprävalenz beträgt etwa 20 %. Das Vollbild bei Frauen ist die Vulvovaginitis herpetica unter Einbeziehung der Zervix mit Bläschen und Aphthen. Systemische Infektionszeichen können hinzukommen.
Auch an seltenere Herpes-Manifestationen muss gedacht werden. Dazu gehört die HSV-Ösophagitis, die bei Immungesunden gehäuft um das 30. Lebensjahr auftritt. Da es sich um eine AIDS-definierende Erkrankung handelt, muss ein Immundefekt immer ausgeschlossen werden. Symptome sind eine schmerzhafte Schluckstörung und Sodbrennen – in manchen Fällen auch Dysphagie, Myalgie und Gewichtsverlust. Pathognomisch ist der endoskopische Nachweis einer großflächig entzündeten Mukosa mit zahlreichen Ulzera. Meist betrifft die Entzündung das distale Drittel des Ösophagus.
Die häufigste Manifestation im unteren Intestinaltrakt ist die Proktitis. Diese wird i.d.R. durch HSV-2 ausgelöst und tritt vor allem bei (immunkompromittierten) Männern, die Sex mit Männern haben, auf.
Infektionen des Auges findet man bei etwa 5 % der Infizierten. Meist kommt es zu einer Keratokonjunktivitis mit den typischen dendritischen Veränderungen. Auch das ZNS kann betroffen sein. Eine ZNS-Infektion wird überwiegend durch HSV-1 verursacht und tritt in einem Drittel der Fälle im Rahmen einer Erstinfektion auf. Bleibende Schäden sind relativ häufig. Weitere seltene Formen sind die fulminant verlaufende Hepatitis und eine Herpespneumonie, die beide vor allem bei Immunsuppression auftreten.
Bei jeder HSV-Infektion sollte man einen Erregernachweis mittels PCR anstreben. Die serologische Diagnostik dient vor allem dazu, Erstinfektionen von Reaktivierungen abzugrenzen. Als Therapie der Wahl bei allen Herpesinfektionen gelten Aciclovir oder Valaciclovir – bei Immunsupprimierten in virostatischer Dosierung. Bei häufigen Reaktivierungen kommt ggf. eine Prophylaxe in reduzierter Dosis infrage, die aber nicht länger als sechs Monate fortgeführt werden sollte.
Quelle: Hönemann M. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 495-496; DOI: 10.1055/a-1710-0258
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