Rätselraten um Angina pectoris ohne KHK

Maria Weiß

Bei manchen Patienten springen die Teleangiektasien direkt ins Auge.
© wikimedia/Kuebi Bei manchen Patienten springen die Teleangiektasien direkt ins Auge. © wikimedia/Kuebi

Zunehmende Belas­tungsdyspnoe mit Angina pectoris führte eine 72-jährige Patientin zum Arzt. Die weiteren Untersuchungen ergaben, dass keine normale KHK dahintersteckte.

Bis auf Teleangiektasien an Wangen und Lippen und ein spindelförmiges 2/6-Systolikum bei der Herz-Auskultation ergab die körperliche Untersuchung keine auffälligen Befunde. In der transthorakalen Echokardiographie ermittelte man eine normale Ejektionsfraktion, jedoch einen erhöhten rechtsventrikulären Druck, und im transösophagealen Echo stellte sich ein persistierendes Foramen ovale mit spontanem Links-Rechts-Shunt dar.

Koronararterien waren
 angiographisch unauffällig

Eine KHK war in der Koronarangio­graphie nicht nachweisbar. Dafür sahen Eva Lücke von der Klinik für Pneumologie am Universitätsklinikum Magdeburg und ihre Kollegen eine schwere postkapilläre pulmonalvenöse Hypertonie mit Rechtsherzbelastung. Das Shuntvolumen lag bei 59 %, was allein durch das offene Foramen ovale nicht erklärt werden konnte.

Epistaxis gibt normalerweise 
den typischen Fingerzeig

Daraufhin suchten die Kollegen nach einer arteriovenösen Malformation und wurden im Bereich von Leber, Duodenum und Corpus ventriculi fündig. Dieser Befund zusammen mit den Teleangiektasien lenkte den Verdacht dann auf einen Morbus Osler.

Nasenbluten als klassisches Leitsymptom verneinte die Patientin, eine verstorbene Schwester habe aber an starker Epistaxis gelitten. Da die Patientin nur zwei von vier Curaçao-Kriterien (s. Kasten) erfüllte, wurde eine Molekulardiagnostik veranlasst, die mit Nachweis einer ACVRL1-Gen-Mutation den M. Osler bestätigte.

Da eine Katheterembolisation der großen hepatischen Gefäßmalformation nicht infrage kam, standen keine etablierten Therapiemethoden zur Verfügung. Daher entschied man sich, off label den Angiogenesehemmer Bevacizumab einzusetzen. Nach insgesamt sechs Zyklen zeigten sich eine deutliche Besserung der Rechtsherzbelastung und eine Abnahme des systemischen Links-Rechts-Shunts. Auch Wohlbefinden und Dyspnoe waren deutlich gebessert.

Als Ultima Ratio wird
 Bevacizumab eingesetzt

Bei etwa 90 % der Patienten mit Morbus Osler führt die oft schon vor dem 20. Lebensjahr auftretende schwere Epistaxis mit Anämie zur Diagnose. Rund 50 % der Patienten weisen mukokutane Teleangiektasien auf. Pathophysiologisch liegen der Erkrankung Angiodysplasien und eine fortschreitende Ausdünnung des Kapillarnetzes zugrunde, es kommt zu arteriovenösen Shunts. Lunge, Leber, Magen-Darm-Trakt, Pankreas und Gehirn sind am häufigsten von solchen Malformationen betroffen.

Die Therapie richtet sich nach Lokalisation, Ausprägung und Organbefall. So kann die Epistaxis mittels Laser behandelt werden – arteriovenöse Malformationen versucht man durch Katheterembolisation auszuschalten. Ist dies nicht möglich und kommt bei Leberbeteiligung auch keine Transplantation infrage, können Patienten auch von einer Off-Label-Therapie mit Bevacizumab profitieren.


Quelle: Lücke E et al. Internist 2016; 57: 610-615

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Bei manchen Patienten springen die Teleangiektasien direkt ins Auge.
© wikimedia/Kuebi Bei manchen Patienten springen die Teleangiektasien direkt ins Auge. © wikimedia/Kuebi