Refeeding-Syndrom: Tod durch lebenswichtige Nährstoffe

Dr. Alexandra Bischoff

Der Patient muss wieder langsam an das Essen gewöhnt werden. Der Patient muss wieder langsam an das Essen gewöhnt werden. © iStock.com/ntmw

Untergewichtige müssen an Gewicht zulegen. Angesichts drohender Folgeschäden am besten so schnell wie möglich. Doch was, wenn der Körper auf Sparflamme läuft? Plötzliche Energiemengen belasten den Stoffwechsel ebenso stark wie der Mangel zuvor.

Es kann jeden treffen, der ein längeres Energie- und Glukosedefizit fährt. Fasten, Hungern und Mangelernährung verlangen dem Körper alles ab. Der passt sich an und schaltet in den Hungerstoffwechsel. Es folgen Glykogenolyse, Glukoneogenese, Proteinkatabolie und Lipolyse. Nehmen Personen dann abrupt wieder größere Kalorienmengen zu sich, droht ein Refeeding-Syndrom.

Insulin bewirkt einen raschen Einstrom von Kalium, Magnesium und Phosphat in die Zellen. Extrazellulär sinken die Spiegel dieser Elektrolyte. Mit dem Syndrom einher gehen Hypophosphatämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie und ein Thiaminmangel, schreiben Professor Dr. Rainer Wirth, Klinik für Altersmedizin und Frührehabilitation im Marienhospital Herne, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, und Kollegen.

Klinisches Erscheinungsbild

Das Phänomen bietet eine Fülle unterschiedlicher Symptome. Wohl nur einer der Gründe, weshalb es viele Kollegen nur selten erkennen. Klinisch erinnert es häufig an ein Delir. Typischerweise verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Betroffenen innerhalb weniger Tage nach Beginn der Ernährungstherapie. Infolge der Elektrolytentgleisung kommt es zur Natrium- und Wasserretention, die wiederum zu Ödemen und Herzinsuffizienz führen kann.

Spiegel von Mineralstoffen und Thiamin täglich messen

Krämpfe, Muskelschwäche und kardiale Arrhythmien zählen zu den weiteren Symptomen. Neben der diffusen Symptomatik sehen die Autoren die maskierte Elektrolytverarmung des Körpers für die häufigen Fehldiagnosen verantwortlich. Die Serumspiegel geben den Körperbestand der vorwiegend intrazellulären Elektrolyte kaum wieder.

Diese Patienten sind besonders gefährdet

  • Body-Mass-Index < 16 kg/m2
  • Anorexia nervosa
  • chronischer Alkoholismus
  • Malnutrition
  • Hunger(streik)
  • prolongiertes Fasten (keine oder geringe Nahrungsaufnahme > 10 Tage)
  • Diarrhö und Erbrechen
  • starke Gewichtsabnahme (> 15 % in 3–6 Monaten)
  • Gewichtsabnahme bei schweren Erkrankungen
  • onkologische Patienten
  • postoperative Patienten
  • Malabsorptionssyndrome

Prophylaxe

Um die potenziell lebensbedrohliche Krankheit zu vermeiden, raten Prof. Wirth und Kollegen,
  • die Energiezufuhr langsam aufzubauen und
  • die entgleisten Nährstoffe engmaschig zu messen.
Ärzte sollten täglich Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphat sowie Thiamin im Vollblut bestimmen. Einen Mangel gilt es auszugleichen, wobei eine effiziente Substitution von Kalium nur mit Magnesium möglich ist (Cave: Hyperaldosteronismus!). Thiamin sollten sie hoch dosiert vor Therapiebeginn und während der ersten zehn Tage verabreichen. Neben regelmäßigen Kontrollen der Vitalparameter müssen die Kollegen auf Elektrokardiographie und Pulsoxymetrie achten sowie Blutgas­analysen durchführen. Nahrung sollten sie ihren Patienten langsam zuführen. Die Experten raten, mit maximal der Hälfte des errechneten Energiebedarfs zu starten. Extreme Risikokonstellationen (z.B. BMI < 14 kg/m2; letzte Nahrung vor > 15 Tagen) verlangen sogar nur 5 kcal/kgKG pro Tag. Die Zufuhr kann dann langsam über 4–7 Tage erhöht werden, bis der Bedarf gedeckt ist.

Therapie

Bei einem drohenden oder manifesten Refeeding-Syndrom sollten Ärzte die Elektrolytentgleisungen parenteral ausgleichen. Dr. Wirth­ und seine Kollegen empfehlen neben einer routinemäßigen Thi­amingabe die Mineralstoffe ab den folgenden Serumspiegeln auszu­gleichen:
  • Phosphat < 0,8 mmol/l
  • Kalium < 3,5 mmol/l
  • Magnesium < 0,5 mmol/l bzw. bei klinischer Symptomatik
Um größere Mineralstoffverluste über die Nieren zu vermeiden, kann Magnesium kontinuierlich über mindes­tens zwölf Stunden geben werden. Vorsicht gilt bei Patienten mit einer Nierenerkrankung oder einer eingeschränkten Nierenfunktion. Um eine lebensbedrohliche Hyperphosphatämie zu vermeiden, sollten Kollegen Phosphat vorsichtig substituieren.

Quelle: Wirth R et al. Internist 2018; 59: 326-333

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