Schnitzler, Clarkson und Skleromyxödem erkennen

Dr. Sonja Kempinski

B-Lymphozyt im Elektronenmikroskop (kolorierte Aufnahme). Die Zellen sind etwa 6 μm klein. B-Lymphozyt im Elektronenmikroskop (kolorierte Aufnahme). Die Zellen sind etwa 6 μm klein. © Science Photo Library/National Institute of Allergy and Infectious Diseases, NATIONAL INSTITUTES OF HEALTH

Monoklonale Gammopathien kommen bei verschiedenen Erkrankungen vor. Auf einige Entitäten mit klinischer Signifikanz können aufgrund der Multiorganbeschwerden auch Rheumatologen treffen. Gut, wenn man Skleromyxödem, Schnitzler-Syndrom oder Clark­son-Erkrankung dann auch erkennt.

Der Name monoklonale Gammopathie beinhaltet bereits zwei wichtige Fakten. Erstens handelt es sich um eine monoklonale Vermehrung von entarteten Plasmazellen- oder B-Lymphozyten. Zweitens ergeben die von diesen Zellen gebildeten monoklonalen Immunglobuline (M-Proteine) ein spezifisches Muster in der Serum­elektrophorese: In der Regel zeigt sich bei der Auswertung ein schmaler hoher Peak im Gamma-Bereich (Immunglobuline), der die Peaks der anderen Proteinfraktionen – abgesehen von Albumin – überragt. Bei IgM-Paraproteinämie ist auch ein Peak im b-Abschnitt möglich.

Viele Experten unterscheiden bei monoklonalen Gammopathien zwei große Gruppen, schreiben Angelina Marinkovic von der University of British Columbia, Vancouver, und Kollegen. Hämatologische Mali­­gnome wie das Plasmozytom oder das B-Zell-Lymphom bilden eine Gruppe, die neben den typischen Beschwerden meist hohe Konzentrationen der M-Proteine auszeichnet. Die andere Gruppe umfasst die monoklonalen Gammopathien unklarer Signifikanz (MGUS), die bei etwa 3 % der Bevölkerung im Alter über 50 Jahren auftreten. Bei den MGUS sind die M-Protein-Konzentrationen eher niedrig und die Betroffenen asymptomatisch.

Allerdings gibt es auch nicht-maligne monoklonale Gammopathien. Bei diesen liegen die Konzentrationen der Immunglobuline niedrig, es kommt aber gleichzeitig zu sys­temischen Symptomen und Organmanifestationen. Zusammengefasst wird die Gruppe aus mittlerweile 32 Entitäten als MGCS (monoclonal gammopathies of clinical significance). Einige davon präsentieren sich als inflammatorische systemische Multiorganerkrankungen, weswegen Betroffene z.T. von anderen Spezialisten an die Rheumatologie überwiesen werden. Die größte Relevanz in diesen Fällen haben Skleromyxödem, Schnitzler-Syndrom und Clarkson-Erkrankung.

Papeln und Verdickungen

Das Skleromyxödem ist eine chronische progressive Systemerkrankung mit weniger als 200 bekannten Fällen. Pathologisch kennzeichnen extensive kutane Muzinablagerungen die Erkrankung. Die wächsernen, festen Papeln haben einen Durchmesser von 2–3 mm und sind oft von sklerosierter Haut umgeben. Mit der Zeit verbinden sich die Papeln und verdicken Glabella, Nase und Ohrläppchen. Im Verlauf breiten sich Papeln und Verdickungen über Nacken, Stamm, Unterarme und Hände immer weiter aus, oft sind sogar die Oberschenkel betroffen. Im fortgeschrittenen Stadium drohen Sklerodaktylie und Mikrostoma. 

Auch außerhalb der Haut macht sich das Skleromyxödem bemerkbar. Jeder zweite Betroffene entwickelt eine Dysphagie, jeder dritte ZNS-Manifestationen wie Schwindel, Gedächtnis- und Gangstörungen. Daneben sind Arthralgien und Arthritiden, Myopathien und Rhabdomyolysen möglich. Zu den häufigen kardio­respiratorischen Komplikationen gehören Rhythmusstörungen, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, aber auch ob­struktive und restriktive Lungen­erkrankungen. 

Für die Diagnose sind folgende Kriterien erforderlich: 

  • generalisierte papulöse oder sklerodermale Eruptionen

  • histologischer Nachweis der Trias von Mucin, Fibrose und Fibroblastenproliferation

  • monoklonale Immunglobuline (meist IgGl)

  • normale Schilddrüsenfunktion

Die First-Line-Therapie besteht in der Gabe von intravenösen Immunglobulinen (IVIg). Sie bessert bei vielen Patienten sowohl kutane als auch extrakutane Manifestationen. Die Applikation muss regelmäßig und dauerhaft erfolgen, bei Absetzen droht ein Rückfall. Mit unterschiedlichem Ansprechen wurden auch andere Therapieansätze probiert, z.B. Thalidomid, Lenalidomid oder eine autologe Stammzelltransplantation. Trotz Behandlung verläuft die Erkrankung meist progressiv. Die Patienten sterben typischerweise an den kardialen oder ZNS-Komplikationen. 

Brennendes Exanthem

Vom Schnitzler-Syndrom sind weltweit 300 Fälle beschrieben, man geht aber von einer höheren Dunkelziffer aus. Die autoinflammatorische Erkrankung tritt in Schüben auf und führt zu Fieber, Knochen- und Gelenkschmerzen, Fatigue und einem Exanthem, das eher brennt als juckt. Auf zellulärer Ebene kommt es zu einer chronischen Aktivierung von Interleukin-1b und einer systemischen Entzündung. Ob die monoklonale Gammopathie Ursache oder Folge des Schnitzler-Syndroms darstellt, bleibt unklar.

Zu fast 90 % werden monoklonale IgM-Immunglobuline gebildet, die Konzentration reicht von Spuren bis zu einer deutlichen Erhöhung. Entscheidend für die Diagnose ist neben Para­proteinämie und Exanthem das Vorliegen von mindestens zwei der folgenden Kriterien:

  • Fieber

  • Gelenk- oder Knochenschmerzen

  • vergrößerte Lymphknoten, Leber oder Milz

  • erhöhte BSG

  • Neutrophilie

  • abnorme Befunde der Knochen in der Bildgebung 

Die tägliche IL-1b-Blockade mit Anakinra führt bei 80 % der Betroffenen zur kompletten Remission. Bei den übrigen Patienten kommt es zur partiellen Besserung, meist bleiben die Gelenkschmerzen bestehen. Die Prognose wird vom Fortschreiten zu einer hämatologischen Erkrankung entschieden: 15 bis 20 % der Patienten entwickeln ein Lymphom.

Schwere generalisierte Ödeme

Das idiopathische Kapillar-Leck-Syndrom (Clarkson’s Syndrom) beruht auf einer kapillären Hyperpermeabilität, die zu schnellen und ausgeprägten Volumenverschiebungen zwischen Gefäßen und Interstitium führt. Typisch ist eine Trias aus Hypotonie, Hämokonzentration und paradoxer Hyp­albuminämie, klinisch kommt es zu schwersten generalisierten Ödemen. Bei bis zu 97 % der Patienten findet sich eine monoklonale Gammopathie, meist als IgG-Typ. Welche Rolle diese spielt, ist unklar. Durch die Flüssigkeitsverschiebung im akuten Schub kann die Serumelektrophorese allerdings uneindeutig ausfallen und sollte später wiederholt werden. 

Die Erkrankung verläuft in Episoden mit unterschiedlich langen Intervallen. Die meist sechs- bis zwölfstündige Prodromalphase macht sich u.a. durch Schwäche, starken Durst, Schwindel, Übelkeit und schnelle Gewichtszunahme bemerkbar. Strengste Bettruhe und Flüssigkeitsrestriktion können zu diesem Zeitpunkt helfen, eine Exazerbation zu verhindern. Schreitet die Attacke weiter fort zum hypovolämischen Schock, wird supportiv behandelt (am besten auf der Intensivstation). IVIg und Methylxanthine können das Outcome verbessern. Auch in der Erholungsphase, in der sich die Vitalzeichen wieder normalisieren, sollte der Patient überwacht werden, da es u.a. zu einer massiven Flüssigkeitsrückführung ins System kommt.

Als Dauertherapie konnten IVIg (monatlich 0,4–2 mg/kgKG), Methyl­xanthine und Beta-2-Agonisten die Episoden reduzieren und die Fünf-Jahres-Überlebensrate auf 80 % erhöhen – ohne Therapie lag diese nur bei 20 %. Derzeit gelten IVIg als Mittel der Wahl zur Sekundärprophylaxe. Die Mortalitätsrate ist in der ersten Episode der Erkrankung am höchsten. Die Patienten sterben meist in der Erholungsphase an einem Lungenödem.

Quelle: Marinkovic A et al. The Lancet Rheumatology 2022; DOI: 10.1016/S2665-9913(21)00348-9

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B-Lymphozyt im Elektronenmikroskop (kolorierte Aufnahme). Die Zellen sind etwa 6 μm klein. B-Lymphozyt im Elektronenmikroskop (kolorierte Aufnahme). Die Zellen sind etwa 6 μm klein. © Science Photo Library/National Institute of Allergy and Infectious Diseases, NATIONAL INSTITUTES OF HEALTH