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Schwindel – sechs Tests für die Praxis

Ungefähr jeder Dritte klagt im Laufe seines Lebens über Dreh- oder Schwankschwindel. Die Ursache kann in Innenohr, Hirnstamm, Kleinhirn, aber auch in der Psyche liegen.
Leidet ein Patient z.B. unter Drehschwindel, werden internistische Ursachen meist überschätzt, erklärt das Autorenteam um Professor Dr. Dr. Michael Strupp von der Neurologischen Universitätsklinik Großhadern, München.
Isolierter Drehschwindel entsteht durch eine Funktionsstörung der Bogengänge; als wichtiges Beispiel nennen die Autoren den benignen peripheren paroxysmalen Lageschwindel (BPPV).
Schwankschwindel hingegen spricht für eine orthostatische Dysregulation oder eine unerwünschte Medikamentenwirkung (Antihypertensiva, Antikonvolsiva etc.).
Ein funktioneller Schwindel bessert sich typischerweise durch Ablenkung.
Kopfimpulstest prüft vestibulookulären Reflex
Gerade in Notfallsituationen muss man häufig zwischen einer akuten einseitigen Vestibulopathie (früher Neuritis vestibularis) und einem Hirnstamm- oder Kleinhirninfarkt differenzieren.
Dies gelingt mit hoher Sicherheit anhand von fünf klinischen Zeichen, den sogenannten „Big Fife“ (s. Interview). Genaueren Aufschluss über den Zustand des vestibulären Systems liefern sechs klinische Untersuchungsverfahren:
1. Kopfimpulstest
Der Kopfimplustest ermöglicht den Nachweis einer Störung des vestibulookulären Reflexes (VOR). Während der Patient ein Ziel fixiert, hält der Arzt seinen Kopf mit beiden Händen und bewegt ihn ruckartig nach rechts und links. Patienten mit einseitigem Labyrinthausfall bewegen die Augen zur betroffenen Seite hin. Es folgt eine Rückstellbewegung der Augen (Refixations-sakkade).
2. VOR-Lese-Test
Mit dem VOR-Lese-Test, einem komplementären Verfahren zum Kopfimpulstest, lässt sich die dynamische Sehschärfe ermitteln. Bei beidseits pathologischem vestibulookulärem Reflex fällt die Sehschärfe während der Kopfdrehungen um mehr als 0,2 Punkte ab.
3. Spontannystagmus-Kontrolle
Zur Spontannystagmus-Kontrolle gibt es neben der Frenzelbrille eine randlose M-Brille (+ 20 dpt), die mit einem elastischen Bügel auf der Nase sitzt. Beide Brillen erlauben auch die Differenzierung zwischen zentralem Fixationsnystagmus und peripherem vestibulärem Spontannystagmus. Letzterer lässt sich durch Fixation unterdrücken – so z.B. bei der akuten einseitigen Vestibulopathie.
4. Lagerungsmanöver
Das Lagerungsmanöver: Mit seiner Hilfe kann man zwischen benignem peripherem paroxysmalem Lageschwindel und zentralem Lagenystagmus differenzieren. Bei einem BPPV schlägt der Nystagmus in der Ebene des betroffenen Bogengangs. Beim zentralen Lagenystagmus findet sich dagegen meist ein Downbeat-Nystagmus – und zwar unabhängig von der Kopfposition.
5. Vertikalentest mit Eimer
Dieses Verfahren erfasst Abweichungen der subjektiven visuellen Vertikalen (SVV). Der Patient sitzt dazu aufrecht und schaut geradeaus in einen Eimer, auf dessen Boden eine Linie angebracht ist. Diese Linie muss er senkrecht stellen. Gemessen wird die Ablenkung von der tatsächlichen Vertikalen. Der Test hat eine hohe Sensitivität für akute einseitige vestibuläre Läsionen, vermag aber nicht zwischen peripher und zentral zu unterscheiden.
6. Stand- und Gehprüfung
Mit dem Romberg-Test und anderen Verfahren lassen sich vor allem sensorische Defizite des vestibulären Systems erkennen. Der Patient sollte die Untersuchung mit offenen und geschlossenen Augen sowie mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden durchführen (z.B. Füße nebeneinander, Stehen auf einem Bein).
Die Schwindeldiagnostik beinhaltet auch eine orientierende Untersuchung der Okulomotorik und des Hörvermögens. Zu Okulomotorik gehören Blickfolge, Blickhaltefunktion etc. Das Hörvermögen des Patienten kann man mithilfe von Reibegeräuschen und der Stimmgabel einschätzen. Bei Verdacht auf Morbus Menière ist jedoch eine Audiometrie unumgänglich.
Quelle: Michael Strupp et al., Nervenarzt 2015; 86: 1277-1290
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