Sechs Leukozytose-Fälle aus der Praxis

Dr. Dorothea Ranft

 In der Trichrom-gefärbten Aufnahme tummeln sich viele Granulozyten. In der Trichrom-gefärbten Aufnahme tummeln sich viele Granulozyten. © CDC

Harmlose Leukozytose oder vielleicht doch schon Leuk­ämie? Ein auffälliges weißes Blutbild stellt oft hohe Anforderungen an die Differenzialdiagnostik. Ein Hämatologe erklärt anhand von sechs typischen Fällen, wie Sie den Ursachen von Leukozyten-Veränderungen auf die Spur kommen.

Fall 1

Bei einer 45-jährigen Gastwirtin mit Hypertonus, KHK und Nikotinabusus – die Dame raucht zwei Schachteln täglich – entdeckt der Hausarzt beim Check-up eine Leukozytose. Diese besteht auch ein halbes Jahr später noch bei normalem Differenzialblutbild und unauffälligem CRP. Der konsultierte Hämatologe diagnostiziert eine Raucherleukozytose. Diese ist wahrscheinlich der häufigste Grund für eine leichte Leukozytose, die Zahl der Neutrophilen kann um ca. 25 % steigen.

Blutbild normalisiert sich 
oft erst nach Jahren

Trotz Nikotinabstinenz normalisiert sich das Blutbild oft erst nach Jahren, erklärte der in Regensburg niedergelassene Hämatologe Dr. Alexander Kröber. Bei Patienten mit stabiler Leukozytose ohne weitere Veränderungen, z.B. Linksverschiebung oder Milzvergrößerung, genügt es, sie zu beobachten. Auch eine einmalige Abklärung beim Spezialisten kann sinnvoll sein, so Dr. Kröber. Er selbst würde wegen des potenziellen Behandlungsbedarfs eine chronisch myeloische Leukämie ausschließen, erwartet dies aber nicht vom Hausarzt.

Fall 2

Eine 47-jährige Patientin mit Brustkreb erscheint wegen akuter nächtlich aufgetretener Knochenschmerzen vor allem im Becken-, Oberschenkel- und Wirbelsäulenbereich in der Notaufnahme. Im Differenzialblutbild fällt eine ausgeprägte Linksverschiebung bis hin zu den Promyelozyten auf.Auslöser ist eine überschießende Regeneration der Granulopoese aufgrund der aktuellen Chemotherapie und des Einsatzes von Wachstumsfaktoren. Diese führt relativ häufig zu Knochenschmerzen.

Kennzeichen von 
AML und ALL

  • Charakteristisch ist eine ungehemmte Proliferation früher myeloischer bzw. lymphatischer Vorläuferzellen in Knochenmark, Blut und anderen Geweben.
  • Im Gegensatz zu den chronischen Leukämien (z.B. CML) reifen diese Vorläuferzellen nicht aus (hiatus leucaemicus).
  • Je nach Ausprägung wird die normale Hämatopoese durch eine homogene Blastenpopulation verdrängt.

Fall 3

Eine 42-jährige Zahnarzthelferin hat in den vergangenen zwei Monaten 2 kg Gewicht verloren. Zum Hausarzt geht sie wegen rechtsseitiger Hüftschmerzen. Aufgrund einer ausgeprägten Leukozytose (307 nl/l) überweist sie der Kollege in eine hämato-onkologische Ambulanz. Die Analyse der Blutzellen ergibt eine für myeloproliferative Neopla­sien typische pathologische Linksverschiebung mit dem sog. bunten Bild: 7 % Blasten, 10 % Promyelozyten, 12 % Myelozyten, 3 % Metamyelozyten, 22 % Stabkernige, 36 % Segmentkernige. Das Auftauchen von Normoblasten im Blut signalisierte zudem eine Beteiligung der roten Reihe, die Patientin hatte eine Leukoerythroblastose. Die Knochenmarkpunktion ergab eine chronisch myeloische Leukämie (CML) und in der Zytogenetik zeigte das für die CML charakteristische veränderte Gen BCR-ABL.

Fall 4

Ein 19-Jähriger geht wegen Halsschmerzen, Fieber bis 38,5 °C und Nachtschweiß zum Hausarzt. Er fühlt sich schwer krank und hat beidseits geschwollene Halslymphknoten. Neben einer leichten Leukozytose (18/nl) ergibt das Blutbild 20 % Segmentkernige, 10 % Monozyten und 70 % Lymphozyten, davon absolut 20 % atypische Lymphozyten. Außerdem ist die Milz sonographisch vergrößert (13x7x5 cm).

Manchmal Begleithepatitis bei der Mononukleose

Der junge Mann hat eine infektiöse Mononukleose. Typische Laborbefunde sind eine Lymphozytose > 4500/µl, mehr als 50 % Lymphozyten im Differenzialblutbild und mehr als 10 % der Lymphozyten sind atypisch. Manchmal besteht eine leichte Neutro- und Thrombopenie bzw. Begleithepatitis (Trans­aminasenanstieg).

Blut in Zahlen

  • Der Mensch hat etwa 5 Liter Blut, davon sind 55 % Plasma und 45 % geformte Bestandteile.
  • In 1 ml Blut finden sich ca. 5 Milliarden Erythrozyten, ca. 5 Millionen Leukozyten und 200 Millionen Thrombozyten. Diese Zahlen erklären die Wirksamkeit des Aderlasses: Dabei werden in erster Linie die Erythrozyten reduziert.

Fall 5

Eine 49-jährige Patientin, die vor sechs Jahren wegen eines Mammakarzinoms eine Chemotherapie erhielt, leidet jetzt unter Leis­tungsschwäche, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Wegen zunehmender Eintrübung wird sie unter dem Verdacht auf ein akutes Subduralhämatom in die Neurochirurgie verlegt. Das Blutbild zeigt 67 000 Leukos, ein Hb von 8,7 g/dl und 60 000 Thrombozyten. Im Differenzialblutbild fällt ein Hiatus leucaemicus auf, d.h., die neu gebildeten Myeloblasten reifen nicht aus (s. Kasten). Die Diagnose lautet sekundäre akute myeloische Leukämie (AML) infolge der früheren Chemotherapie. Nach der Operation wird die Patientin erneut zytostatisch behandelt.

Fall 6

Eine 72-jährige Patientin berichtet über seit Wochen zunehmende Lymphknotenschwellungen beidseits zervikal, axillär und inguinal. Diese werden begleitet von Leis­tungsschwäche, Nachtschweiß und Gewichtsverlust (5 kg in 6 Wochen). Aktuell wiegt sie 67 kg bei 1,65 m Körpergröße. Es besteht eine Leukozytose (30,6/nl). Im Differenzialblutbild dominieren mit 72 % die Lymphozyten, auch atypische Lymphozyten und Kernschatten fallen auf. Zudem findet sich eine Milzvergrößerung ohne intraabdominelle Lymphome. Aufgrund der bei 90 % der Lymphozyten gefundenen Oberflächenmarker wird eine chronisch lymphatische Leukämie vom B-Zell-Typ (B-CLL) diagnostiziert.

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 In der Trichrom-gefärbten Aufnahme tummeln sich viele Granulozyten. In der Trichrom-gefärbten Aufnahme tummeln sich viele Granulozyten. © CDC
Chronische lymphatische Leukämiezellen Chronische lymphatische Leukämiezellen © wikipedia.org/Gabriel Caponetti, CC BY-SA 3.0