Seltener Dosisreduktionen und geringere Mortalität

Josef Gulden

Sensomotorisches Training kann chemotherapie-induzierte Neuropathien reduzieren und Therapieergebnisse verbessern. Sensomotorisches Training kann chemotherapie-induzierte Neuropathien reduzieren und Therapieergebnisse verbessern. © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Periphere Neuropathien infolge einer Chemotherapie können nicht nur die Lebensqualität der Patient:innen stark beeinträchtigen, sondern führen nicht selten zu Dosisreduktionen oder gar zum Abbruch der Therapie. Ergebnisse einer randomisierten Studie belegen nun die präventive Wirkung von Interventionen, insbesondere eines sensomotorischen Trainings.

Chemotherapie-induzierte Neuropathien (CIPN) sind eine häufige und für Patient:innen sehr belastende Nebenwirkung vieler Zytostatika, darunter insbesondere von Oxaliplatin und Vinca-Alkaloiden. Es gibt zur Verhinderung dieser Komplikation bisher keine validierten medikamentösen Optionen, sehr wohl aber Hinweise auf den Nutzen körperlicher Interventionen: Daten randomisierter Studien belegen positive Effekte auf Haltungskontrolle, neuropathische Symptome und Lebensqualität.

Besonders vielversprechend erscheinen Methoden, die das neuromuskuläre System stimulieren, wie sensomotorisches Training (SMT) oder Ganzkörper-Vibrationstraining, weil sie potenziell sowohl sensorische als auch motorische Symptome beeinflussen. Dr.Fiona Streckmann, Universität Basel/Deutsche Sporthochschule Köln, und Kolleg:innen vefolgten in der STOP-Studie die Hypothese, dass beide Verfahren die Beschwerden einer CIPN reduzieren und ihr Auftreten verhindern können.

Sie rekrutierten 158 Patient:innen, die eine Erstlinienchemotherapie mit Vinca-Alkaloiden oder Oxaliplatin erhalten sollten und vorwiegend an Lymphomen oder kolorektalen Tumoren litten. Diese wurden in drei Gruppen randomisiert: Teilnehmende unterzogen sich während der Chemotherapie zweimal wöchentlich einer 15–30-minütigen Behandlung mit sensomotorischem Training bzw. einer Ganzkörper-Vibrationsbehandlung oder erhielten die gewöhnliche Standardversorgung. Primärer Endpunkt war die Inzidenz einer von Neurolog:innen diagnostizierten CIPN, als sekundäre Endpunkte dienten u. a. subjektive Neuropathiesymptome, Gleichgewichtskontrolle, das Ausmaß körperlicher Aktivität, die Lebensqualität und klinische Ergebnisse der Therapie.

Bereits in der Intention-to-treat-Analyse zeigte sich die Überlegenheit der aktiven Interventionen: Der Anteil der Personen, die eine CIPN entwickelten, lag unter sensomotorischem Training bei 30 %, unter der Vibrationsbehandlung bei 41,2 % und in der Kontrollgruppe bei 70,6 % (p = 0,002). Am meisten profitierten Erkrankte, die mit Vinca-Alkaloiden behandelt wurden, sowie diejenigen, die ein sensomotorisches Training erhielten.

SMT senkt CIPN und Mortalität

Der Vorteil der gezielten Übungsprogramme war in der Per-Protokoll-Analyse der Patient:innen, die an mindestens drei Viertel aller Sitzungen teilgenommen hatten, noch ausgeprägter. Eine Neuropathie entwickelten mit SMT 28,6 % der Teilnehmenden, mit Vibrationstherapie 37,5 %, und im Kontrollarm 73,3 %. 

Speziell vom sensomotorischen Training profitierten die Patient:innen bezüglich einer Reihe von Einzelaspekten wie Gleichgewichtskontrolle, Empfindlichkeit gegenüber Vibrationen, Berührungssensitivität, Stärke der Beinmuskulatur und Schmerzen sowie brennende Sensationen. Das SMT wirkte sich zudem günstig hinsichtlich Dosisreduktionen der Chemotherapie und besonders bezüglich der Mortalität (1,9 % vs. 17,1 %; p = 0,04) aus.

Diesen Ergebnissen zufolge hat v. a. das sensomotorische Training das Potenzial, die Rate der durch Vinca-Alkaloide oder Oxaliplatin verursachten CIPN zu verringern, die Lebensqualität und potenziell auch die onkologischen Outcomes zu verbessern. Weitere Studien sind den Autor:innen zufolge zwar notwendig, aber die Resultate hätten bereits  hohe klinische Relevanz und stellten einen Meilenstein im Management der CIPN und in der onkologischen Supportivtherapie dar.

Quelle:
Streckmann F et al. JAMA Intern Med 2024; DOI: 10.1001/jamainternmed.2024.2354

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