
Sport schützt nicht jeden vor Hyperglykämie
Pille statt Sport? Bloß nicht darauf verlassen |
Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach … Nicht jedem Risikopatienten gelingt es, sich zu mehr Bewegung zu motivieren. Manch einer bringt auch so viele überschüssige Pfunde auf die Waage, dass er seinen Gelenken erst einmal keinen Sport zumuten sollte.
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Die Zahl der Sport-Non-Responder schwankt je nach untersuchtem Parameter zwischen zehn und 40 %, wie Dr. Anja Böhm von der Universitätsklinik Tübingen bei der 50. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Berlin berichtete. Bei rund 10 % der Patienten lassen sich sogar unerwünschte Effekte im Zusammenhang mit einem Bewegungsprogramm feststellen.
„Das ist eine irritierende Feststellung, denn wir gehen schließlich in unseren Empfehlungen immer davon aus, dass Sport den Blutzucker senkt, die Insulinsensitivität erhöht und das viszerale Fett verringert.“ Dr. Böhm stellte insbesondere Daten aus einer Sekundäranalyse der PREPARE*-Studie1 von 2011 vor, bei der Patienten mit Prädiabetes neben einer Schulung zu einem gesünderen Lebensstil auch ein persönliches Trainingsprogramm mit einem Schrittzähler erhielten.
Genvariation beeinflusst Insulinwirkung ungünstig
„Bislang konzentrierten wir uns bei allen Studien mit Sportinterventionen immer auf diejenigen Studienteilnehmer, bei denen Bewegung einen positiven Effekt zeigt“, sagte Dr. Böhm. Den Non-Respondern habe man bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Entsprechend tappen die Fachleute noch weitgehend im Dunkeln bei der Frage, welche Parameter dafür verantwortlich sind, dass jemand nicht von einem Bewegungsprogramm profitiert. Unklar bleibt auch, warum manche unter Umständen hinterher sogar schlechtere Stoffwechselwerte aufweisen als zu „fauleren Zeiten“ vor Studienbeginn.
Als mögliche Risikofaktoren gelten der Phänotyp der Patienten, aber auch genetische Faktoren sowie eine geringe Insulinsekretion. „Es scheint auf mitochondrialer Ebene der Muskeln eine Genvariante zu geben, welche die Insulinwirkung und Insulinproduktion ungünstig beeinflusst. Doch wir sind noch nicht so weit, als dass wir eine klare Empfehlung abgeben können, welche diesen Patienten hilft“, sagte Dr. Böhm.
Die Lebensstilforschung läuft auf Hochtouren
Zielführende Erkenntnisse erhofft sich die Diabetologin unter anderem vom Tübinger-Lebensstil-Interventionsprogramm (TULIP2) und der darauf basierenden deutschlandweiten Prädiabetes-Lebensstil-Interventionsstudie (PLIS) des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Darin wird derzeit untersucht, warum manche Menschen trotz Gewichtsabnahme und sogar bei Normalgewicht an Diabetes Typ 2 erkranken. „Wir müssen daran arbeiten, dass wir auch diesen Nonrespondern eine funktionierende Therapie anbieten können – sei es in Form eines Medikaments oder einer speziellen Lebensstilintervention“, erklärte Dr. Böhm.
Und was wird bis dahin aus der Empfehlung an Diabetesgefährdete, sich körperlich mehr zu betätigen? „Diese Empfehlung ist weiterhin richtig“, betonte Dr. Böhm. Denn in der Kontrollgruppe ohne Fitnessprogramm lag die Rate ungünstiger Stoffwechselentwicklungen noch deutlich höher.
Das Wissen, dass nicht jeder Risikopatient gleichermaßen von mehr Bewegung profitiert, kann aber möglicherweise so manch eine Unterhaltung im Sprechzimmer entschärfen. Denn unter Umständen sitzt vor dem Arzt nicht ein Patient, der sich seit der letzten Predigt wieder nicht an den Rat seines Therapeuten gehalten hat, sondern einer der „unschuldigen“ Non-Responder.
*Pre-diabetes Risk Education and Physical Activity Recommendation and Encouragement 1. T. Yates et al., Medicine & Science in Sports & Exercise 2014; 46:1617–1623
2. www.tulip-studie.de/
Quelle: 50. Jahrestagung Deutsche Diabetes-Gesellschaft
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