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Thrombophiliediagnostik nur bei ausgewählten Risikopersonen sinnvoll

Zur Entstehung einer Thrombophilie tragen zahlreiche Risikofaktoren bei, sowohl angeborene als auch erworbene. Einige lassen sich bereits mit der Anamnese erheben, z.B. das Alter, Immobilisierung, Operationen oder Malignome. Andere Parameter werden laboranalytisch bestimmt.
Generell sollte man nur dann testen, wenn die Ergebnisse aus der Thrombophiliediagnostik tatsächlich Konsequenzen für den Betroffenen haben, verdeutlichte Professor Dr. Bettina Kemkes-Matthes vom Universitätsklinikum Gießen/Marburg. So brauchen Patienten mit schwerer Thrombophilie – Antithrombin-, Protein-C- oder Protein-S-Mangel sowie kombinierte Defekte und Antiphospholipidsyndrom – nach einem thromboembolischen Ereignis eine über drei bis sechs Monate hinaus verlängerte Antikoagulation.
Thrombophiliedefekte sind vor allem bei jüngeren Menschen bis zum Alter von 40 oder auch 50 Jahren mit positiver Familienanamnese und spontaner thromboembolischer Erkrankung zu erwarten, bei rezidivierenden Thromboembolien oder Ereignissen unter Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten. Wenn sich ein schwerer vererbter Defekt herausgestellt hat, sollten auch die Angehörigen untersucht werden.
Gemessen werden sollten nur solche Parameter, die das Thromboserisiko zumindest verdoppeln. Dies trifft auf die Inhibitordefekte (Antithrombin, Protein C und Protein S) zu, bei denen auch heterozygote Formen die Wahrscheinlichkeit mindestens verzehnfachen. Eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation steigert das Thromboserisiko um das Fünf- bis Achtfache, womit es dem einer Frau entspricht, die mit hormonellen Kontrazeptiva verhütet. Anders bei der homozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation, die die Thrombosegefahr um das 50- bis 80-Fache hochtreibt. Auch die homozygote Faktor-II-Mutation G20210A sorgt für einen 50-fachen Risikoanstieg, während sich die heterozygote Form mit einer Verdoppelung eher gering ausnimmt, ebenso wie die Non-0-Blutgruppe. Stark gefährdet sind zudem Personen mit Antiphospholipidsyndrom.
Zur spezifischen Thrombophiliediagnostik gehören außer den genannten Parametern noch Homocystein, Faktor VIII:c und Von-Willebrand-Faktor. Außerdem empfiehlt sich eine Basisdiagnostik mit Quick-Test, Bestimmung der partiellen Thromboplastinzeit und Fibrinogen.
Diese Thrombophiliediagnostik sollte ohne Abstriche und unbedingt komplett durchgeführt werden, betonte Prof. Kemkes-Matthes, denn es gibt recht häufig Kombinationsdefekte. Es sei deshalb unsinnig, zunächst einmal nur nach einer Faktor-V-Leiden-Mutation zu forschen, weil diese relativ häufig vorkommt – und es dann bei einem positiven Resultat auf sich bewenden zu lassen. „Es macht einen riesigen Unterschied, ob eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation alleine oder kombiniert mit einem Protein-C-Defekt besteht“, so Prof. Kemkes-Matthes.
Die Thrombophiliediagnostik gehört unbedingt in die Hände eines Spezialisten, denn die präanalytische Phase ist sehr empfindlich. Wenn das Blut erst über die Autobahn ins Labor gefahren wird, landet dort womöglich nicht das auf dem Tisch, was aus dem Patienten herausgekommen ist. In solchen Proben wird z.B. häufig irrtümlich ein Protein-S-Mangel festgestellt.
Entscheidend ist auch der Zeitpunkt der Untersuchung. So sind in der akuten Phase nach einem thromboembolischen Ereignis viele Gerinnungsparameter noch verändert, z.B. ist das Protein S vermindert, Fibrinogen und Faktor VIII:c erhöht. In dieser Situation darf man deshalb keinesfalls einen Protein-S-Mangel diagnostizieren. Antithrombin, Protein C und Protein S sind verringert, wenn die Proteinsyntheseleistung der Leber schwächelt. Eine Kombination dieser drei Probleme ist fast nie genetisch bedingt, meinte Prof. Kemkes-Matthes. Auch in der Schwangerschaft und bei Einnahme hormoneller Kontrazeptiva findet man Protein S herunterreguliert, unter Heparintherapie sind Antithrombin, Faktor VIII:c und Faktor XII verändert. Bei Patienten, die Vitamin-K-Antagonisten erhalten, sind Protein C und Protein S vermindert, weil sie Vitamin-K-abhängig sind.
NOAK verändern fast alle Gerinnungsparameter. Wenn in einer solchen Situation eine Thrombophiliediagnostik notwendig wird, sollte die Blutentnahme unmittelbar vor die Tabletteneinnahme gelegt werden, oder man verwendet einen NOAK-Stop-Test.
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