
Tötung des Partners nur selten im Affekt

In den 1960er-Jahren postulierte der forensische Psychiater Wilfried Rasch, dass die Ermordung des aktuellen oder früheren Intimpartners idealtypisch für eine Tötung im Affekt sei. Doch diese Sicht greift zu kurz. Derartige Delikte im Rahmen von aktuellen oder beendeten intimen Beziehungen sind so vielschichtig, wie andere Tötungsdelikte auch, erläuterte Professor Dr. Norbert Leygraf vom Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen.
Den Weg frei machen für eine neue Partnerschaft
Wilfried Rasch hatte in seinen Untersuchungen Tötungen aus finanziellen Gründen oder um den Weg für eine neue Partnerschaft frei zu machen, ausgeschlossen. Tatsächlich machen solche Beweggründe einen bedeutenden Anteil aus, wenn Intimpartner ermordet werden, betonte Prof. Leygraf. Er hat 398 Gutachterfälle aus Essen ausgewertet, von denen 84 (24 %) Tötungsdelikte in und nach einer Partnerschaft waren. 61 endeten mit dem Tod des Opfers. Die Art der Partnerschaft reichte von flüchtigen Intimkontakten bis zu einer seit 47 Jahre bestehenden Ehe. Acht von 84 Delikten trafen frühere Partner, der Rest geschah in einer bestehenden Beziehung. Dass der Gewaltausbruch des Täters quasi aus dem Nichts kam, war keineswegs immer der Fall:
- Acht von 84 Tötungsdelikten erfolgten von Tätern, die bereits früher wegen Körperverletzung oder versuchten Totschlags innerhalb der bestehenden Beziehung angezeigt worden waren.
- Zehn weitere Täter hatten bereits eine Verurteilung wegen Taten gegen Leib und Leben in oder nach Partnerschaften.
- Zehn waren wegen Gewaltdelikten außerhalb von Partnerschaften verurteilt.
„Ein Viertel der Tötungsdelikte ist kein Ausbruch in einem ansonsten gewaltfreien Leben“, betonte Prof. Leygraf. Männer töteten in 13 Fällen zusätzlich zur Partnerin weitere Personen, häufig gemeinsame Kinder, in je zwei Fällen auch die Mutter bzw. den neuen Partner der Frau oder andere nahestehende Personen. Häufig standen diese weiteren Personen einer neuen Beziehung vermeintlich im Weg.
„Das hat alles nichts gemein mit ‚Affektdelikten‘“, sagte Prof. Leygraf. In vielen Fällen ließen sich länger bestehende Beweggründe und ein planvolles Verhalten oder zumindest eine Ansprechbarkeit während der Tat belegen. Nur in 19 der insgesamt 84 Fälle sah er Anlass, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung näher zu prüfen.
Der Anteil weiblicher Täter bei Tötungsdelikten in und nach Partnerschaften war mit 15 % etwas höher als bei nicht partnerbezogenen Tötungsdelikten (9 %). Dabei delegierten Frauen die Tat häufiger als Männer, beschränkten sich auf die Tötung des Partners. Das Delikt geschah in der Regel in und nicht nach einer Partnerschaft und Frauen handelten planvoller. Psychisch relevante Störungsbilder – psychiatrische Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und Sucht sowie mittelgradige Alkoholisierungen (ohne Sucht) – ließen sich in 32 Fällen zeigen (38 %).
So kam Prof. Leygraf zu dem Schluss: „In der Praxis überwiegen am Ende auch bei Partnertötungen Fragen, bei denen es um bekannte Störungsbilder geht, nicht um Tötung im Affekt!“
Es kann Vorzeichen geben, die eine Prävention ermöglichen
Die große Zahl von sich länger anbahnenden oder nach vorbestehenden Gewaltdelikten erfolgenden Tötungsdelikten in oder nach einer Partnerschaft zeigt, dass es Vorzeichen geben kann, die eine Prävention möglich machen könnten. Ein solches Präventionsprogramm ging im Kanton Zürich in der Schweiz von der Polizei aus. Nach einem Doppelmord im Pfäffikon 2011 wurde dort ein polizeiliches Bedrohungsmanagement aufgebaut, das sich bis heute mit 320 Ansprechpartnern in Behörden, Schulen, psychiatrischen Einrichtungen oder Opfer-Beratungsstellen vernetzt hat.
Reinhard Brunner, damals Einsatzleiter und heute Leiter der Präventionsabteilung, erläuterte: „Es gab ein Umdenken: Polizeiliche Prävention muss mehr sein als Sensibilisierung und Aufklärung. Wir müssen auch bereit sein, Einfluss zu nehmen.“ Eine Telefon- und E-Mail-Hotline steht 24 Stunden am Tag zur Verfügung, auch speziell für Jugendliche. Die Fachstelle Forensic Assessment & Fallmanagement (FFAF) bildet die Schnittstelle zur Psychiatrie. Sie unterstützt Polizei, Staatsanwaltschaft und Kliniken bei der Einschätzung des Risikos und empfiehlt Interventionen für das Fallmanagement. Eine Informationsplattform unterstützt die Vernetzung aller Beteiligten, es wurden mit dem Datenschutz konforme Vorgehensweisen entwickelt. Inzwischen gibt es etwa 400 behandelte Gewaltschutzfälle im Jahr.
Praktisch zeigt schon die Vernetzung der Polizeidienststellen verblüffende Erfolge. „Wenn beispielsweise die Ordnungspolizei drei Mal bei einem Ehepaar wegen lauter und handgreiflicher Streitereien war, gehen wir einfach mal bei dem Paar vorbei, ohne Anlass“, berichtete Brunner. Viele seien spätestens beim zweiten Besuch froh, dass sich jemand für sie interessiere und ihnen zuhöre. Es sei schon vorgekommen, dass Personen dann freiwillig ihre Waffen abgeben, damit nichts passiere.
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