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Transsexualität: Mädchen oder Junge? Mann oder Frau?
Manche Menschen spüren bereits sehr früh, „anders zu sein“, und würden lieber dem anderen Geschlecht angehören. Im Alltag wird dies oft überhört oder leichtfertig als geschlechtliche Identitätskrise abgetan. Doch dahinter kann sich der tiefe Wunsch verbergen, dem anderen Geschlecht tatsächlich zugehörig zu sein und so akzeptiert zu werden.
Bis das Ziel erreicht ist, dauert es Jahre
Transsexualität tritt selten auf. Von 10 000 Männern bzw. 30 000 Frauen ist jeweils einer bzw. eine betroffen, so die Daten zur Häufigkeit der „Amsterdamer Genderklinik“. Experten gehen jedoch von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Das Unbehagen und das Leiden, dem „falschen“ biologischen Geschlecht anzugehören, können zu Störungen der Erlebnis- und Kommunikationsfähigkeit führen, schreibt Dipl.-Med. Jens W. Jacobeit vom Endokrinologikum Hamburg.1
Auch Hass- und Ekelgefühle vor dem eigenen Körper werden berichtet. Betroffene entwickeln häufig Depressionen und selbstverletzendes Verhalten, sie können suizidgefährdet sein. Wer mit einem transsexuellen Patienten erstmals zu tun hat, sollte möglichst vorab fragen, wie der Betroffene angesprochen werden möchte – als Frau oder als Mann. Dies sei enorm hilfreich, betont Hannah Lietz, Fachärztin für Psychiatrie.2
Entscheidet sich ein transsexueller Patient zur „Mann-zu-Frau“- bzw. „Frau-zu-Mann“-Angleichung, erwartet ihn bzw. sie ein streng abgestuftes Vorgehen, das sich über mehrere Jahre erstreckt: • Klärung und Diagnostik: Transsexuelle sind in der Regel sehr sicher, was mit ihnen los ist. Da sie aber oft Angst haben, ihren Wunsch umzusetzen, sollten zunächst klärende Gespräche durchgeführt werden, beispielsweise mit entsprechend ausgebildeten Psychiatern bzw. Sexualtherapeuten.
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• Alltagstest: Vor einer gegengeschlechtlichen Hormontherapie müssen die Lebensverhältnisse – bis hin zur gewünschten Geschlechtsrolle – umgestellt werden. Diese einjährige Erprobungsphase wird oft als sehr belastend empfunden: Männer überschminken ihren Bartwuchs, Frauen binden sich die Brust ab, wenn sie im jeweils anderen Geschlecht leben wollen. Die Patienten werden kontinuierlich psychotherapeutisch begleitet.
• Hormontherapie: Unter Kontrolle eines Endokrinologen wird eine gegengeschlechtliche Hormonbehandlung durchgeführt. Vorab müssen die Patienten über die teils irreversiblen Veränderungen, zum Beispiel Stimmvertiefung, Behaarung und Gynäkomastie, aufgeklärt werden. Der Alltagstest läuft parallel, einschließlich der Vornamensänderung nach § 1 TSG und der Personenstandsänderung nach § 8 TSG.
Wichtig ist, die absoluten Kontraindikationen für eine Hormonbehandlung zu beachten. Dazu zählen etwa Kinderwunsch, nicht kontrollierte Hypertonie, therapierefraktäre Migräne, manifeste Leberinsuffizienz und das Vorliegen eines hormonsensitiven Tumors.
• Geschlechtsangleichende Operation: Sie will eine Angleichung bzw. Annäherung an das körperliche Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreichen. Fälschlicherweise wird oft der Begriff Geschlechtsumwandlung verwendet.
• Nachsorge: Drei bis fünf Jahre nach dem Beginn der Hormontherapie kann mit der weitestgehenden vollständigen „Transformation“ gerechnet werden. Die Nachbetreuung ist lebenslang erforderlich.
Mammographie- und PSA-Screening ist Pflicht
Da langfristig (theoretisch) ein Risiko für hormonabhängige Tumorerkrankungen besteht, werden regelmäßige Verlaufskontrollen empfohlen. Dazu gehören jährliche körperliche Untersuchungen, einschließlich zytologischer Abstriche der Neovagina und des PSA-Tests ab dem 40. Lebensjahr bei „Mann-zu-Frau“-Transsexuellen bzw. gynäkologische Kontrollen im Falle der „Frau-zu-Mann“-Angleichung (hängt vom Operationsstatus ab).
Labordiagnostische Maßnahmen, beispielsweise Blutbild, Hormonstatus, sollten im Abstand von drei bis sechs Monaten erfolgen und die Messung der Knochendichte alle drei Jahre. Nach einer Umstellung zur Frau gehören auch regelmäßige Mammographien – im Abstand von drei Jahren – zum Programm der Nachsorge.
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Wohin wenden? Schwerpunktpraxen für transsexuelle Patienten, z.B.: • Endokrinologikum, u.a. Berlin, Hamburg, Hannover, Frankfurt, Karlsruhe, München, Saarbrücken • Max-Planck-Institut für Psychiatrie, Neuroendokrinologische Ambulanz München Zentren für geschlechtsangleichende Operationen, z.B.: • Chirurgische Klinik München Bogenhausen • Klinik Sanssouci, Potsdam • Urologie Klinikum, Osnabrück • Frankfurter Diakonie-Kliniken, Urologie St. Markus-Krankenhaus • Krankenhaus Maria-Hilf GmbH, Krefeld, Klinik für Urologie und Kinderurologie |
1. J. W. Jacobeit, internist prax. 2014; 54: 121-131;
2. H. Lietz, Hamburger Ärzteblatt 2014; 68: 30-31
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