Unterschiede in der kardiovaskulären Medizin berücksichtigen

Dr. Melanie Söchtig

Über geschlechtsspezifische Unterschiede sollte behandelndes Personal gut Bescheid wissen. Über geschlechtsspezifische Unterschiede sollte behandelndes Personal gut Bescheid wissen. © Jo Panuwat D – stock.adobe.com

Da Frauen in klinischen Studien oft unter­repräsentiert sind, ist die Evidenz für kardio­vaskuläre Therapien­ beim weiblichen Geschlecht eher schwach. Für eine optimale Behandlung ist es jedoch entscheidend, die gender­spezifischen Unterschiede zu kennen.

Die moderne Präzisionsmedizin wird sich daran messen lassen müssen, inwieweit sie die Geschlechterunterschiede bei der kardiovaskulären Versorgung bestmöglich berücksichtigt, schreiben PD Dr. ­Anja ­Sandek und Prof. Dr. ­Gerd ­Hasenfuß vom Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen. Die beiden Autoren haben aktuelle Erkenntnisse zu genderspezifischen Unterschieden hinsichtlich Manifes­tation, Diagnose, Behandlung und Therapieerfolg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammengetragen.

Beim Herzinfarkt sind die Unterschiede offensichtlich

Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern ist unter anderem das Alter, in dem sich Herzerkrankungen manifestieren. So erleiden Frauen einen Herzinfarkt im Durchschnitt neun Jahre später als Männer, während sich die Inzidenzrate mit dem Ende der Wechseljahre angleicht. Auch die Wahrscheinlichkeit, ein Vorhofflimmern zu entwickeln, schießt bei Frauen erst ab dem 60. Lebensjahr in die Höhe – das ist rund zehn Jahre später als bei den Männern.

Geschlechtsspezifische Unterschiede im Beschwerdebild stechen insbesondere beim Herzinfarkt ins Auge. Betroffene Frauen nehmen seltener als Männer typische Symptome wahr, wie z.B. einen isolierten links­thorakalen Schmerz, der in den Arm ausstrahlt. Vielmehr ist der „weibliche“ Herzinfarkt von Beschwerden geprägt, die als atypisch gelten, darunter Übelkeit, Oberbauch- und Rückenschmerzen, Luftnot und Schwindel.

Stress und starke Emotionen haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko. So ist eine erhöhte Stoffwechsel­aktivität in Teilen der Amygdala, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist, ein Prädiktor für schwere unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse. Es hat sich gezeigt, dass die erhöhte Aktivität in dieser Hirnregion bei Frauen – nicht jedoch bei Männern – mit myokardialer Ischämie in Verbindung steht. Eine mögliche Erklärung hierfür ist der oftmals erhöhte Sympathikustonus bei Frauen nach der Menopause. Darüber hinaus sind kleinere und steifere Gefäße sowie eine ausgeprägtere endo­theliale Dysfunktion und stärkere Entzündungen kennzeichnend für das weibliche Geschlecht.

Angesichts der Tatsache, dass Frauen häufiger unter einer myokardialen Ischämie ohne Obstruktion der Koronararterien leiden, sollte bei ihnen nach Ausschluss epikardialer Stenosen die Suche nach entsprechenden Hinweisen erfolgen. Bestätigt sich der Verdacht, empfehlen Dr. Sandek­ und Prof. Hasenfuß­ eine antianginöse und endothelschützende Behandlung sowie die Reduktion von Risikofaktoren.

Mit den Wechseljahren treten bei Frauen klassische kardio­vaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie und erhöhte Blutzucker- bzw. Cholesterinwerte gehäuft auf. Auch gynäkologische Probleme wie schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck und Gestations­diabetes, vorzeitige Entbindung, frühe Menopause oder eine Brustkrebstherapie können das kardiovaskuläre Risiko von Frauen zusätzlich erhöhen.

Zwar finden sich in den Leitlinien bislang keine geschlechtsspezifischen Empfehlungen zur Dosierung von Medikamenten. Trotzdem lohnt es sich, Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich Verteilungsvolumen, Meta­bolisierung und Ausscheidung zu beachten.

Für Frauen reicht oft schon die halbe Männer-Dosis aus

So weist zum Beispiel das Cytochrom CYP2D6, unter anderem zuständig für den Abbau von Metoprolol, bei Frauen eine geringere Aktivität auf. Entsprechend gibt es Hinweise darauf, dass bei Patientinnen die Hälfte der für Männer empfohlenen Dosis ausreichen könnte. Für weitere Beta­blocker sowie für Angio­tensinrezeptorblocker und ACE-Hemmer ließ sich zeigen, dass Frauen mit Herzinsuffizienz bereits bei halber Dosis einen 30 % höheren Nutzen aus der Medikation ziehen als Männer. Dies ist bedeutsam, weil Reizhusten als wohl dosisabhängige Nebenwirkung von ACE-Hemmern Frauen doppelt so oft betrifft. Patientinnen scheinen auch bei Statinen und anderen Substanzen für die Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufiger unter Nebenwirkungen zu leiden als Männer.

Quelle: Sandek A, Hasenfuß G. Inn Med (Heidelb.) 2023; 64: 727-735; DOI: 10.1007/s00108-022-01437-2

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